«Chills Mama!» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Chills Mama!»

Lesedauer: 2 Minuten

Wer nicht planen kann, der muss leiden. Spätestens dann, wenn die eigenen Wechseljahre mit der Pubertät der Kinder zusammenfallen. 

Wallungen kannte ich früher nur von meiner Mutter, die selbst im tiefsten Winter barfuss im Garten stand. Die Nachbarn behaupten, sie hätte dort Zigarren geraucht.

Inzwischen hat es auch mich voll erwischt. Ich wechsle meine Körpertemperatur in Sekundenschnelle. Beeinflusse dauernd das Raumklima, indem ich entweder sämtliche Fenster aufreisse, um Frischluft hereinzuholen oder wie ein Heizstrahler dastehe und mich und sämtliche Mitmenschen wärme. Andere Frauen tragen Perlenketten um Hals und Handgelenke, ich glänze mit Schweissperlen auf der Stirn. 

Doch nicht nur ich bin für den Stimmungsbarometer in unserem Haushalt zuständig. Nein, wir haben unsere Kinderplanung so gelegt, dass die Pubertät der Jungen gleichzeitig mit dem Klimakterium zusammenfällt. Bingo. 

Baby + 15 Jahre = Wechseljahre und Pubertät zusammen

Aus heutiger Sicht hätte diese Planung durchaus etwas überlegter sein dürfen. Hilfreich wäre ein Hinweis in der Packungsbeilage der Antibabypille: Achtung, wenn du die Pille absetzen und schwanger werden willst, rechne bitte aus, wie alt du bist, wenn dein Kind 15 ist. Aber wer denkt schon an die Pubertät des Wonneproppens, wenn er klein und fein in unseren Armen liegt? Geschweige denn an die eigenen Wechseljahre?

Mein Nervenkostüm ist zurzeit sehr filigran. Die innere Gelassenheit, ich gebe es zu, die fehlt mir sehr. Runzeln und Pfunde, alles wird mehr. Bibeli im Gesicht, als wäre ich mein eigener Sohn. Die Tochter, ebenfalls die reinste Charakter-Wundertüte, ständig ein anderes Kind, wenn sie dann mal aus ihrem Zimmer Richtung Küche schlurft. Die reinste hormonelle Achterbahn ist das in unserem Haus, es werden Türen geknallt und Augen gerollt. Ich streite und keife, als wäre ich sechzehn, sagt meine siebzehnjährige Tochter. Über Schminkreste im Lavabo und liegen gebliebene Unterwäsche im Teenie-Zimmer. Wobei diese Wäschestücke ja immer kleiner werden. Stoffmässig gesehen. Quasi umgekehrt proportional zu meinen. 

Die saubere Ordnung im Zimmer wird total überschätzt, so die Tochter weiter, wir müssen global denken. An die Rettung der Weltmeere und was mit den Haien passiert. Oder mit den Flüchtlingen. Die Erwärmung des Klimas. Letzteres ein sehr heikles Thema, nicht nur beim amerikanischen Präsidenten, sondern auch bei mir, schliesslich heize ich ja dauernd wie ein alter Ofen. 

«Chills, Mama!»

Der Sohn verharrt derweil in seinem dunklen Biotop, alles was dort herumliegt, wird eines Tages lebendig. Und räumt sich dann von alleine auf. Und wenn nicht, egal, wen stört es schon? Das ewige Puff im Zimmer und Düfte, die keiner einordnen kann. Seit ich in den Wechseljahren stecke, bin ich allergisch auf komische Gerüche. Und reagiere darauf mit unkontrollierbarer Stimme. Die ab einer gewissen Höhe bricht. So dass mich meine zwei pubertierenden Teenager in genau derselben Tonlage imitieren. (Selbst wenn sie sich zwischenzeitlich in den Haaren liegen, hier verbünden sie sich.) «Chills Mama», sagen sie mir dann, unnötiger Stress, den du verbreitest.

Und dies löst bei mir bereits die nächste Wallung aus. Vielleicht sollte ich auch anfangen mit den Zigarren draussen im Schnee.

Bild: Fotolia


Zur Autorin:

Irma Aregger arbeitet als freischaffende Texterin. Die gelernte Buchhändlerin kämpft genau wie ihre Tochter und ihr Sohn mit der Umstellung des eigenen Hormonhaushalts. Sie lebt in Thalwil am Zürichsee.
Irma Aregger arbeitet als freischaffende Texterin. Die gelernte Buchhändlerin kämpft genau wie ihre Tochter und ihr Sohn mit der Umstellung des eigenen Hormonhaushalts. Sie lebt in Thalwil am Zürichsee.