Was träumen Kinder?
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Was träumen Kinder?

Lesedauer: 4 Minuten

Das Gehirn schläft nachts nie – auch bei Kindern nicht. Luis, 11, und Sophia, 12, erzählen uns von ihren Träumen und nächtlichen Abenteuern.

Protokoll: Sarah King
Bilder: Fabian Hugo / 13 Photo

Und dann weiss ich: Es war ein Traum.

Luis, 11

Luis Schneider, 11, geht in die 5. Klasse und mag Basketball, Eishockey und Trampolinspringen sowie alles, was mit Bewegung zu tun hat. Seine Kollegen sind ihm sehr wichtig, dazu malt er sehr gerne und spielt gerne Klavier. Wenn er alleine schläft, sagt er, träumt er anders.
Luis Schneider, 11, geht in die 5. Klasse und mag Basketball, Eishockey und Trampolinspringen sowie alles, was mit Bewegung zu tun hat. Seine Kollegen sind ihm sehr wichtig, zudem malt er sehr gerne und spielt Klavier. Wenn er alleine schläft, sagt er, träumt er anders.

Luis erzählt von seinen Träumen:

«Ich ging mit meinem Bruder und einem Kollegen Schlittschuhlaufen. Vielleicht war der Bruder des Kollegen auch dabei, ich bin mir nicht mehr sicher. Auf der Eisbahn trafen wir zwei Leute. Mit ihnen spielten wir mit einem roten kleinen Ball herum. Ich kenne die Leute wirklich, aus der Camargue. Dort war ich in den Ferien, wir spielten mit ihnen Boule. Der Mann hat eine Glatze, die Frau lange, weisse Haare und blaue Augen. Im Traum wusste ich haargenau, dass es die Leute aus der Camargue sind. Aber als ich erwachte, war ich nicht mehr sicher. Wieso ich das träumte, weiss ich nicht.

Meistens sind meine Träume nicht so lang. Und manchmal sind sie seltsam. Einmal träumte ich, dass Papa mit dem Auto im Urwald einen Unfall hatte. Es lag Schnee, darum wurde das Auto auf den Rücken gedreht. Ich war erleichtert, als ich erwachte und sah, dass es Papa gut ging. Ab und zu sind die Träume nicht so schön. Aber Angst habe ich nicht wirklich. Nur ein bisschen. Dann erwache ich. Und ich weiss: Es war ein Traum, und ich schlafe bald wieder ein. Manchmal gehe ich in Mamas Bett. Wenn ich alleine schlafe, träume ich anders. Oft weiss ich nicht mehr, was ich geträumt habe.

Manchmal erinnere ich mich aber wieder, ganz plötzlich. Diese Nacht träumte ich zum Beispiel, dass ich mit zwei Kollegen in der Schule übernachtete, wir machten eine Übernachtungsparty. Diesen Traum hatte ich vergessen. Erst als ich einen der beiden Kollegen traf, fiel mir der Traum wieder ein. Wir verbrachten wirklich einmal eine Nacht in der Schule. Wir durften eine Lesenacht machen, weil alle Schüler acht Bücher gelesen hatten. Im Traum lasen wir aber nicht. Wir gingen einfach in ein Zimmer. Dort schliefen wir. Dann wachte ich auf.

Und manchmal habe ich schöne Träume. In einem Traum waren ich, mein Bruder und Papa in einem Raum. Wir machten ab, dass ich eine Woche mit Papa zusammen bin und mein Bruder mit meiner Mutter. Nach einer Woche würden wir dann tauschen: Ich mache etwas mit Mama und mein Bruder mit Papa. Als ich erwachte, dachte ich: Das wäre schon cool. Wenn Träume doch wahr wären.»

Manchmal füge ich dem Traum noch etwas hinzu.

Sophia, 12

Sophia Stremlow, 12, geht in die 6. Klasse und mag Theater, Hunde, Querflöte, Velofahren, Geschichtenschreiben und Sport. Sie träumte über längere Zeit von bösen Soldaten, denen sie zum Schluss die Bärte frisierte.
Sophia Stremlow, 12, geht in die 6. Klasse und mag Theater, Hunde, Querflöte, Velofahren, Geschichtenschreiben und Sport. Sie träumte über längere Zeit von bösen Soldaten, denen sie zum Schluss die Bärte frisierte.

Sophia erzählt von ihren Träumen:

«Als ich noch kleiner war, träumte ich einen Fortsetzungstraum. Jeden Mittwoch ging er weiter. Der Traum war nicht so schön: Soldaten fingen Leute ein. Das ging immer so weiter. Dann waren alle Leute weg und ich war ganz alleine. Wenn man kleiner ist, macht einem das ja ein bisschen Angst. Am Schluss kam es aber gut: Die bösen Soldaten liessen die Leute frei. Ich weiss nicht genau, wer sie befreit hat, einfach jemand.

Und weil mich die Soldaten vergessen hatten, durfte ich mit ihnen machen, was ich wollte. Das war die Strafe für sie. Ich frisierte einfach alle. Das war lustig: Ich konnte ihnen die Bärte pflegen und sie mussten stillhalten. Sie durften nichts machen. Ich weiss nicht, warum ich diesen Traum immer mittwochs träumte. Da war ich etwa fünf und ging noch ins Ballett. Es hatte dort ältere Mädchen, die mich nicht so gerne hatten.

Das war so schlimm, dass ich weinte.

Sophia, 12

Ich kann mir Träume gut merken. Besonders einen werde ich nicht mehr vergessen: Kurz vor Weihnachten schenkte mein Bruder meiner Schwester ein kleines, leeres Döschen. Es war einfach nichts drin – mein Bruder wollte ein Spässchen machen. Das war wirklich so.

Dann träumte ich, dass sie das auch mit mir machten. Sie gaben mir kein Geschenk, ich aber machte ihnen ganz grosse Geschenke. Wir gingen dann in den Wald. Ich nahm meine Puppe mit. Die gibt es wirklich: Nina. Ich habe sie schon lange, sie kam früher überall hin mit. Meine Geschwister fanden das ein bisschen komisch. Im Traum sagten sie dann: ‹Du brauchst die Puppe eh nicht mehr.› Ich wollte sie aber nicht weggeben. Dann geschah das Schlimme: Weil es so kalt war, heizte mein Vater den Kachelofen ein. Ich wusste das nicht und legte meine Puppe darauf. Dann schmolz sie. Das war so schlimm für mich, dass ich weinte.

Eigentlich träume ich immer etwas.

Sophia, 12

Als ich aufwachte, kam Mama und fragte, warum ich weinte. Ich erzählte den Traum. Mama sagte, ich müsse keine Angst haben wegen der Geschenke. Aber es war doch nicht wegen der Geschenke! Ich weinte wegen Nina. Mama tröstete mich: Nina liege ja neben mir im Bett.

Ich möchte Nina immer noch nicht so recht weggeben. Im Frühling gehen wir immer an den gleichen Ort in die Ferien. Meine Schwester und meine Cousine und ein anderes Mädchen sind jeweils auch dabei. Sie sind ein bisschen älter als ich, darum fühlte ich mich früher etwas ausgeschlossen. Nina war jeweils die Einzige, mit der ich spielte und redete.

Eigentlich träume ich immer etwas. Ich mache einfach die Augen zu und denke mir eine Geschichte aus. Wenn ich einschlafe, träume ich die Geschichte weiter. Wenn ich mich nach dem Aufwachen nicht daran erinnere, bin ich etwas genervt. Ab und zu erzähle ich, was ich träume.

Manchmal füge ich aber dem Traum noch ein bisschen etwas hinzu. Es ist halt mega schwierig, einen Traum zu erzählen. Wenn man ihn sieht, weiss man genau, was man meint. Aber wenn man ihn hört, weiss man es eben nicht. Dann ist es anders. Dann braucht es noch etwas, damit andere ihn verstehen.»

Sarah King
ist Journalistin und betreibt Gesprächsforschung. Ihr Fokus: Sprachbilder, Körperbilder, alles im und rund um den Menschen. Ihre Leidenschaften: Schreiben und Musik.

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