Möchtegern-Glauben: Sag, wie hast du's mit der Religion?
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Sag, wie hast du’s mit der Religion?

Lesedauer: 2 Minuten

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, seinen Kindern seinen Möchtegern-Glauben näherzubringen, stösst unser Kolumnist Mikael Krogerus auf eine spannende Parabel. Diese führt ihn zu einem Glaubensbekenntnis.

Text: Mikael Krogerus
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

«Gibt es Engel wirklich?»
«Nein.»
«Aber…»
«Ich dachte das früher auch.»
«Wieso…»
«Man glaubt halt, dass es sie gibt.»

Ich gebe hier einen Dialog zwischen meiner strenggläubigen fünfjährigen Tochter und meinem atheistischen elfjährigen Sohn wieder. Ich finde es gut, dass sie das Theodizee-Problem diskutieren. Nur Kommunikation kann Fundamentalismus überwinden. Gleichzeitig bringt mich das Thema in Erklärungsnot. Was würde ich sagen, wenn sie mich fragten?

Ich bin möchtegerngläubig. Ich stelle mir vor, dass es einen Gott gibt, damit wir nicht einsam sind, wenn wir alleine sind, dass er uns hilft, wenn wir darum bitten. Ich stelle mir nicht vor, dass das wahr ist, aber es würde mir halt gefallen.

Aber was sollen meine Kinder mit so einer diffusen Erklärung anfangen? Auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihnen meinen Möchtegern-Glauben näherzubringen, ohne ihre eigenen theologischen Vorstellungen zu versauen, stiess ich auf einen amerikanischen Kurzfilm.

Von Fehlern, Lügen und Sünden

Ein junger Familienvater erzählt darin eine kleine Alltags-Parabel. Sie handelt von Fehlern, Lügen, Sünden. Und davon, dass sie uns im Leben immer einholen. Der älteste Sohn wird beim Lügen erwischt, aber nicht bestraft. (Es ging um einen kleinen Ball, den er einem Nachbarsjungen gestohlen hatte.) Als er einige Tage später ein zweites Mal lügt, konfrontiert ihn seine Mutter – pädagogisch schlau – mit der ersten Lüge.

Der Junge rennt nach oben, knallt mit der Tür. Dort bleibt er stundenlang unter der Bettdecke seiner Eltern verkrochen – weil es eben manchmal leichter ist, nach oben zu rennen und sich zu verstecken, als der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Die Mutter ist genervt, der Vater geht nach oben und überlegt sich, wie es weitergehen soll: Der Junge muss seine Schuld zugeben, obwohl er vermutlich uneinsichtig ist. Er muss den Ball zurückgeben und sich entschuldigen. Ich würde mich auch lieber hier oben verstecken, denkt der Vater und setzt sich zu ihm.

Ich hätte genervt herumgemosert, zu müde, um richtig laut zu werden, zu uninteressiert, um ihm Kants kategorischen Imperativ näherzubringen.

Was macht man jetzt als Erziehungsberechtigter? Riesenfrage. Die ganze Pädagogik läuft im Prinzip auf diese Frage hinaus. Im Film sagt der Vater zu dem Jungen: «There is nothing you can ever do that would make me love you less.» (Egal, was du tust, ich werde dich immer lieben.) Gross, oder? Da wäre ich, ganz im Ernst, nicht drauf gekommen; ich hätte genervt herumgemosert, zu müde, um richtig laut zu werden, zu uninteressiert, um ihm Kants kategorischen Imperativ näherzubringen.

Der Film endet mit dem Verweis, dass Gott uns immer lieben wird, egal, was wir machen. («Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges können uns scheiden von der Liebe Gottes», Römerbrief 8, 38).

Ein Glaubensbekenntnis

Nun ist ein Kind, das sich schämt und weiss, dass es etwas falsch gemacht hat, vielleicht nicht die allerschwierigste Herausforderung – viel schwieriger ist es, wenn das Kind nicht einsehen will, dass es etwas falsch gemacht hat. Was sagt Gott dazu? «Egal, was du machst, es wird nichts daran ändern, dass du etwas falsch gemacht hast»?!

Der Film ist sehr amerikanisch, aber er ist gut. Denn er beschreibt in einer unwiderstehlichen Klarheit meine Gefühle für meine Kinder: There is nothing you could do that would make me love you less. Es ist mein Glaubensbekenntnis (auch wenn meine Kinder nicht einsichtig sind).

Ich sollte es ihnen bei Gelegenheit mal sagen.

Mikael Krogerus
ist Autor und Journalist. Der Finne ist Vater einer Tochter ­und eines Sohnes und lebt in Basel. Von 2013 bis 2023 war er Kolumnist für das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi.

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