Lernen im Schlaf – geht das?

Bild: Alain Laboile
Genügend Schlaf ist wichtig für die Gedächtnisbildung und erfolgreiches Lernen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass insbesondere ungestörter Tiefschlaf von grosser Bedeutung ist – auch für Kinder in der Pubertät.
Wichtige Slow Waves
«Aus einer Vielzahl von Untersuchungen wissen wir, dass gerade diese Slow Waves wichtig sind für die Lernprozesse im Gehirn. Nach der Schule lernt Luis Französischwörter und für den Geografietest. Der 14-Jährige geht um 21 Uhr ins Bett. Die darauffolgende Nacht entscheidet mit, ob er das Erlernte auch im Kopf behält. Genug Schlaf und vor allem ein erholsamer Tiefschlaf geben dabei den Ausschlag. Warum wir schlafen, ist eine Frage, die bis heute wissenschaftlich nicht geklärt ist – auch wenn sich die Spezialisten einig sind, dass der Schlaf sowohl für das Immunsystem, für den Stoffwechsel wie auch für die kognitiven Leistungen des Gehirns unabdingbar ist.
Schlaf und Lernen sei in den letzten Jahrzehnten eines der Hauptforschungsgebiete in der Schlafforschung, erklärt Reto Huber, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Schlafmedizin am Kinderspital Zürich. «Schlaf ist mehr als nur Erholungsphase, er trägt etwas Eigenständiges zum Lernen, zum Gedächtnis, zum Verarbeiten von Erlebtem bei», so Huber.
Wie viel Schlaf das eigene Kind braucht, ist für Eltern manchmal schwierig zu eruieren.
Diese Slow Waves sind besonders interessant, weil sie im Zusammenhang mit der Hirnentwicklung stehen. Diese verändert sich während Kindheit und Jugend deutlich. Slow Waves sind interessanterweise immer in jener Hirnregion besonders aktiv, in der gerade ein Reifungsprozess stattfindet. «Das sieht man beispielsweise am Schlaf von 6- bis 8-Jährigen; in diesem Alter schlafen Kinder so unglaublich tief, dass man sie fast nicht wecken kann», erläutert Reto Huber. Die zunehmende Reifung des Stirnlappens bewirkt, dass sich das Kind zunehmend selbst beherrschen, seine Gefühle kontrollieren und seine Bedürfnisse herausschieben kann. Dadurch kann es sich besser konzentrieren und zielgerichtet lernen.
Gehirn wird umgebaut, um Effizienz zu steigern
Das heisst: Teenager schlafen zwar weniger, weil die Fähigkeit, länger wach zu bleiben, zunimmt. Dafür schlafen sie relativ tief. Langsame Wellen sind also wichtig für die Gedächtnisleistung. Lerninhalte, die am Abend eingeprägt werden, werden am Morgen besser memoriert. Die grosse Frage aber lautet: Was passiert, wenn Jugendliche zu wenig schlafen? «Da gibt es natürlich Leistungseinbussen», erklärt Reto Huber.
Genug Schlaf ist wichtig
Wie viel Schlaf das eigene Kind braucht, ist für Eltern manchmal schwierig zu eruieren. Laut Reto Huber kann man sich dabei an Ferienzeiten orientieren, wenn die Jugendlichen nach einem eigenen Rhythmus leben können. «Wenn jemand immer um 23 Uhr ins Bett geht und nicht vor 11 Uhr aufsteht, ist klar, dass diese Person mehr als sieben Stunden Schlaf braucht.»
Allerdings machen Jugendliche ihren Schlafmangel einerseits durch tieferen Schlaf wieder wett, sie füllen ein Schlafdefizit durch einige Nächte mit tiefem Schlaf wieder auf. Andererseits müssen sie eben gerade am Wochenende oder in den Ferien vermehrt Schlaf nachholen. Und Luis? Er hat in jener Nacht vor dem Test gut geschlafen. Im Geografietest bringt er eine 5,5 nach Hause, die Französischwörtchen weiss er auch am anderen Tag noch. Einer guten Nacht folgte ein lerntechnisch erfolgreicher Tag.
Schlafen – Lernen – Schlafen
Was sind Slow-Wave-Ströme?
Dieser Text ist in unserem Gesundheits-Spezial erschienen, das der März-Ausgabe beiliegt und sich mit der körperlichen und geistigen Gesundheit von Kindern beschäftigt. Bestellen Sie jetzt Ihr Exemplar.