Alles fährt Ski – aber wie? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Alles fährt Ski – aber wie?

Lesedauer: 5 Minuten

Der Schnee ist da, die Ferien auch – nichts wie ab in die Berge! Doch wie lässt sich verhindern, dass das Kind im Gips nach Hause kommt? Und überhaupt: Wie, wann und mit was anfangen? Und welche Ausrüstung brauchts dazu? Tipps für Skianfänger von Prof. Thomas Dreher, Kinderorthopäde, und zwei Ausbildungsexperten von Swiss Ski. 

Erst vor Kurzem in der Schweiz angekommen, zieht es Thomas Dreher mit seiner fünfköpfigen Familie auf die Skipiste. Der 38-jährige Deutsche ist neuer Chefarzt der Abteilung Kinderorthopädie und -traumatologie am Kinderspital Zürich. Angst vor Unfällen hat er keine – doch ohne Handgelenkschoner lässt er seine Kinder nicht auf die Piste.

Die Sportferien haben begonnen. Wir stellen uns vor, dass nun laufend Kinder mit Knochenbrüchen bei Ihnen in den Notfall kommen. 

Seit Beginn der Skisaison haben wir tatsächlich regelmässig Patienten, die einen Skiunfall hatten. In den meisten Skigebieten besteht eine gute medizinische Versorgung, weshalb viele vor Ort behandelt werden können. Die Zahl ist in diesen Spitälern deshalb noch viel höher. Aber die schweren Fälle und die, bei denen allenfalls operiert werden muss, kommen dann zu uns.
Prof. Dr. Thomas Dreher, 38, ist seit 1. September 2018 Chefarzt Kinderorthopädie und -traumatologie am Kinderspital Zürich. Davor war er mehrere Jahre an der Universitätsklinik Heidelberg tätig. Thomas Dreher ist verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von 2, 5 und 8 Jahren. 
Prof. Dr. Thomas Dreher, 38, ist seit 1. September 2018 Chefarzt Kinderorthopädie und -traumatologie am Kinderspital Zürich. Davor war er mehrere Jahre an der Universitätsklinik Heidelberg tätig. Thomas Dreher ist verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von 2, 5 und 8 Jahren. 

Was sind die häufigsten Verletzungen, die Sie sehen?

Am häufigsten sind Kreuzbandrisse und Knochenbrüche: Ober- und Unterschenkel, Ellbogen und Unterarm. Schwere Kopf- oder Rumpfverletzungen sind bei Kindern selten.

«Je jünger die Kinder, desto geringer die Verletzungsgefahr»

Wie schlimm ist ein Knochenbruch?

Generell kann man sagen, dass Brüche bei Kindern gut und schnell ausheilen. Die meisten kann man konservativ behandeln, sprich mit Gips und Schienen. Operiert werden müssen Brüche, bei denen die Gelenke beteiligt sind oder der Knochen so verschoben steht, dass er nicht wieder in die korrekte Stellung wächst. Kinder haben aber ein grosses Remodelierungspotenzial. Das heisst: Ein Knochen, der etwas verbogen zusammengewachsen ist, gradet sich in der Regel im Laufe des Wachstums von alleine wieder aus.

Sie sind Vater dreier Kinder. Fährt Ihre Familie Ski?

Ja. Wir sind neu aus Heidelberg zugezogen und es ist eine Wonne, die Wintersportbegeisterung der Schweizer mitzuerleben. Meine Kinder beginnen deshalb gerade damit.

Haben Sie Angst vor Unfällen?

Nein. Natürlich muss man mit Stürzen rechnen, wenn man einen Sport mit hohen Geschwindigkeiten betreibt. Deshalb finde ich das Wichtigste, dass sie einen adäquaten Skikurs besuchen. Und dass sie Protektoren tragen gegen häufige und besonders schlimme Verletzungen: Helm, Rückenpanzer und Handgelenkschoner.

Wir stellen uns vor, dass der Kinderarzt immer schon vor dem geistigen Auge sieht, wie der Knochen seines Kindes aussehen wird, wenn um die nächste Kurve etwas schiefgeht – verdirbt Ihnen das nicht den Spass am Skifahren?

Nein. Ich empfinde es als Vorteil: Wenn etwas passiert, dann weiss ich, wie ich mich zu verhalten habe und kann einschätzen, ob der Knochen wirklich gebrochen ist. Sport und Spass gehören zum Leben dazu, und bei einem aggressiveren Sport wie Ski Alpin ist halt auch ein gewisses Verletzungsrisiko dabei. Das Risiko ist mit der Tatsache abzuwägen, wie gut es einem tut, wenn man sich bewegt, wenn man Sport macht. Ich möchte meinen Kindern jedenfalls nichts vorenthalten, was andere Kinder tun, nur weil ich weiss, was im schlimmsten Fall passieren könnte. 
Lesen Sie das Monatsinterview mit Thomas Dreher in der Märzausgabe des ElternMagazins Fritz+Fränzi (erscheint am 8. März). Der Kinderorthopäde spricht darin über den schwierigen Umgang mit Eltern, wie man zu Kindern auf der Notfallstation spricht und warum er offen darüber redet, wenn eine Operation nicht nach Plan verlaufen ist. Bestellen Sie dafür HIER ihr Abo.
Lesen Sie das Monatsinterview mit Thomas Dreher in der Märzausgabe des ElternMagazins Fritz+Fränzi (erscheint am 8. März). Der Kinderorthopäde spricht darin über den schwierigen Umgang mit Eltern, wie man zu Kindern auf der Notfallstation spricht und warum er offen darüber redet, wenn eine Operation nicht nach Plan verlaufen ist. Bestellen Sie dafür HIER ihr Abo.

Gibt es aus medizinischer Sicht ein Mindestalter, um mit Skifahren zu beginnen?

Nein. Generell gilt: Je jünger Kinder sind, desto geringer ist die Verletzungsgefahr, weil sie noch viel mehr Knorpel haben und elastischer sind. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich Kinder im Schulalter häufiger verletzen als jüngere Kindern – oder auch Adoleszente. Natürlich sollte man Drei- oder Vierjährige nicht den steilsten Hang hinunterjagen. Aber es gibt ja geeignete Pisten, es gibt Rutschskier und Skikurse für Kleinkinder. Warum sollte man seine Kinder so etwas nicht tun lassen?

Reichen Occasions-Skis? Und wie bringe ich meinem Kind das Skifahren bei? Lesen Sie auf der nächsten Seite 8 Antworten auf 8 Fragen an den Skiverband Swiss Ski.

Skifahren ist teuer. Tut es auch eine Occasion-Ausrüstung aus der Winterbörse? 

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn sie in gutem Zustand ist. Entscheidend ist die Funktionalität: Die Bindung muss funktionieren und richtig eingestellt sein. Der Schuh muss passen, guten Halt geben, aber auch nicht zu hart sein. Und der Ski muss dem Fahrkönnen entsprechen. Danach sollte das Material regelmässig gewartet werden, sprich: Kanten schleifen und den Belag wachsen.

Wo lauern die grössten Verletzungsgefahren für Kinder? 

Die grösste Gefahr sind Zusammenstösse. Wichtig ist, dass Kinder nicht auf den Skipisten herumsitzen und dass sie Helm und Rückenpanzer tragen. Viele Kollisionen können vermieden werden, indem Erwachsene hinter den Kindern fahren und so verhindern, dass jemand von hinten in sie hineinfährt. Weiter ist darauf zu achten, dass Kinder nicht übermüdet sind und das Tempo im Griff haben. 

Müssen Kinder das Skifahren in der Skischule lernen oder kann ich es ihnen auch selber beibringen? Worauf muss ich achten? 

Zusammen mit anderen Kindern und angeleitet von einem fachkundigen Lehrer fällt das Lernen häufig einfacher. Wer es seinem Kind trotzdem selber beibringen will, sollte das Kind zuerst mit den Skiern in der Ebene herumstapfen, rutschen und aufwärts gehen lassen. Erst danach sind erste kleine Abfahrten im Pflug – heute «Pizza» oder «Kuchenstück» genannt – in Angriff zu nehmen und das Bremsen zu üben. So oder so: Entscheidend ist, dass das Kind Spass dabei hat.

Sind Plastikrutscherli sinnvoll für erste Versuche auf dem Schnee?

Plastikrutscherli sind ein geeignetes Spielzeug für Kinder, um das Interesse am Gleiten auf dem Schnee zu entdecken. Mit ihnen können sie im Garten oder im Skigebiet erste Erfahrungen auf dem Schnee machen. Meist nimmt das Interesse aber bald einmal ab, weil das Handling eher mühsam ist und die Schuh gerne mal aus der Bindung rutscht – dann sind richtige Skier und Skischuhe gefragt.

Mein Kind fährt lieber ohne Skistöcke – ist das auch ok? 

Der Einsteigerunterricht findet zum grossen Teil ohne Stöcke statt. Im Kinderunterricht arbeitet man mit vielen Hilfsmitteln, welche die Kinder einerseits motivieren  und sie andererseits dabei unterstützen sollen, in der richtigen Position und stabil auf den Skiern zu stehen sowie aus den Beinen heraus zu arbeiten – dabei sind die Stöcke oft eher hinderlich. Mit zunehmendem Alter sollten die Kinder aber mit Stöcken fahren: Sie geben ihnen Stabilität, bieten eine Hilfe bei Traversen und in Flachstücken und sind hilfreich für das Erlernen neuer Techniken.

Wann ist der frühest sinnvolle Zeitpunkt für ein Kind, mit Snowboarden zu beginnen? 

Mit dem richtigen Material im richtigen Gelände ist es nie zu früh. Von Burton gibt es ein Snowboard zum Hinterherziehen, mit dem ein Kind erste Gleiterfahrungen auf dem Schnee machen kann, sobald es aufrecht steht.

Ab wann soll man ein Kind frühestens auf Langlaufskier stellen? 

Auch hier: Dies kann bereits mit eineinhalb oder zwei Jahren sein – wenn das Kind Spass dabei hat. Am besten geht dies übrigens nicht in der Loipe, sondern im Pulverschnee, wo es Spuren treten kann. 

Ab wann kann ich mein Kind auf Skitouren mitnehmen? 

Dies ist abhängig vom Material und Können des Kindes. Für erste Tourenerfahrungen gibt es einen Bindungseinsatz, der aber eher wacklig und vor allem sehr schwer ist. Das Gewicht ist generell das grösste Problem für Kinder, da es auch keine speziellen Kindertourenschuhe gibt, diese findet man erst ab Grösse 35. Wichtig ist, dass Kinder genügend Pausen machen und unterwegs nicht auch noch Proviant und Material selber schleppen müssen. Für die Abfahrt gilt es, das Fahrkönnen in den herrschenden Schneeverhältnissen im freien Gelände richtig einschätzen zu können. 

Die Fragen beantwortet haben: 

Pia Alchenberger ist Verantwortliche Kindersport, Abteilung Ausbildung des Schweizer Skiverbands Swiss Ski.
Pia Alchenberger ist Verantwortliche Kindersport, Abteilung Ausbildung des Schweizer Skiverbands Swiss Ski.
Serge Allemand ist Koordinator Nachwuchs Ski Alpin des Schweizer Skiverbands Swiss Ski.
Serge Allemand ist Koordinator Nachwuchs Ski Alpin des Schweizer Skiverbands Swiss Ski.


Mehr lesen zum Thema Skifahren mit Kindern: 

Neun Tipps für fröhliche Skitage mit Kindern
Skifahren gehört in der Schweiz zum Kulturgut, das viele Eltern ihren Kindern vererben möchten. Doch statt Kindern, die mit roten Wangen die Freiheit auf den Brettern spüren, gibt es oft Quengelei und Konflikte auf der Skipiste. Aber mit unseren Profi-Tipps kann das noch werden.