«Frau Dobler, wie können Eltern mit ihren Kindern über eine Sucht sprechen?»
Suchtexpertin Sabine Dobler sagt, wann und wie Eltern mit ihren Kindern ins Gespräch über problematisches Konsumverhalten kommen.
Frau Dobler, warum rufen Eltern Sie an?
Das ist sehr unterschiedlich. Sehr oft melden sich Eltern, die bei ihren Kindern etwas finden, zum Beispiel Gras. Sie fallen meist aus allen Wolken und wollen wissen, was sie jetzt tun sollen. Andere Eltern merken, dass ihr Kind durch den Konsum von Suchtmitteln Probleme hat, zum Beispiel in der Lehre. Grundsätzlich beobachten wir, dass der Konsum von Cannabis eher zu Sorgen führt als der von Alkohol. Mütter melden sich oft, weil ihre Söhne konsumieren und es Konflikte in der Familie gibt. Mädchen sind da oft stiller, was gefährlich sein kann, denn so fällt nicht auf, dass sie eigentlich Zuwendung bräuchten. Wir erleben hier also ein breites Spektrum.
Was raten Sie den Eltern?
Zunächst einmal sollten sie herauszufinden versuchen: Was genau ist eigentlich los? Was bedeutet es, dass sie eine Substanz gefunden haben? Viele Eltern sind in gutem Kontakt zu ihrem Kind und können mit ihm reden. «Ich habe etwas gefunden und möchte mit dir darüber sprechen, was das bedeutet.» Je nach Alter und Suchtmittel, um das es geht, muss das Ziel sein, dass das Kind den Konsum wieder aufgibt.
Und bei älteren Jugendlichen, die sich weigern, den Cannabiskonsum aufzugeben?
In den Fällen können Eltern oft mehr erreichen, wenn sie mit dem Kind darüber sprechen, wie es Risiken vermindern kann: Wie will das Kind es schaffen, dass der Konsum gelegentlich bleibt und sich nicht steigert? Die Eltern sollten mit dem Kind auch vereinbaren, dass der Konsum keine Auswirkungen auf Schule, Lehre oder das Freizeitverhalten haben darf. Wichtig ist auch, mit dem Kind darüber zu sprechen, warum es konsumiert. Viele Jugendliche sagen, dass es ihnen um das Gruppenerlebnis geht. Manche wollen mit Cannabis aber auch Stress abbauen.
Welche Bedeutung haben denn diese Konsummotive?
Für Sie als Elternteil ist das eine wichtige Information: Handelt es sich wirklich um einen gelegentlichen Genusskonsum gemeinsam mit Freunden? Oder aber versucht das Kind, negative Gefühle zurechtzurücken? Im ersten Fall ist das Risiko, dass es immer mehr konsumiert, kleiner. Wenn das Kind aber versucht, mit Cannabis belastende Gefühle zu vertreiben, ist das Risiko grösser, dass es immer mehr kifft.
In dem Fall lernt das Kind auch nicht, andere Strategien aufzubauen, um mit belastenden Gefühlen umzugehen.
Richtig. Das Kind verpasst Lerngelegenheiten. In diesem Zusammenhang finde ich es wichtig, auch festzuhalten: Man soll mit dem Kind über Cannabis, Alkohol und so weiter sprechen. Aber man sollte nicht die Substanz ins Zentrum stellen, sondern das Kind. Wie geht es meinem Kind allgemein? Wo steht es gerade im Leben? Wie läuft es in der Schule? In der Lehre? Hängt es mit Leuten herum, die selbst Substanzen konsumieren? Das alles erlaubt es, einzuschätzen, wie gross das Risiko ist, dass aus dem Ausprobieren ein Problem wird.