Wers glaubt, wird selig - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wers glaubt, wird selig

Lesedauer: 3 Minuten

Unser Autor Christian J. Käser setzt sich mit der Religion und vor allem mit der Bibel auseinander. Dabei sucht er für seine Tochter eine Antwort auf die nervigste Frage der Menschheitsgeschichte: «Was kommt danach?»

Text: Christian J. Käser
Bild: Rawpixel.com

Als Kind hatte ich Angst vor einem strafenden Gott. In jungen Jahren habe ich dann auch einen erheblichen Teil meines Taschengeldes für das römisch-katholische Hilfswerk «Fastenopfer» gespendet, um damit den Höllenqualen nach dem Tod zu entkommen. Sünde war in der katholischen Kirche nicht so schwierig. Es reichte in meinen Augen schon, dass ich während des Gottesdienstes lieber die Ideallinie von Pirmin Zurbriggen am Lauberhorn als die Verwandlung des Brotes in Fleisch reflektierte.

Wie hältst Dus mit der Religion?

Meine 10-jährige Tochter stellt sie nicht so, die bekannte Gretchenfrage aus Goethes Faust. Es geht bei ihr viel mehr um die nervigste Frage der Menschheitsgeschichte: «Was kommt danach?»

Als agnostischer Kulturkatholik habe ich keine Antwort. Kann man das einem Kind zutrauen? Nur schon der Ausdruck «agnostischer Kulturkatholik» klingt ein wenig wie der Hall in einem sterilen Chirurgiesaal. Ich versuche es mit dem «Zauber der Unwissenheit». Was natürlich für ein Kind, das gerne wissen möchte was nach dem Tod kommt, der Antwort: «Ich habe keine Ahnung und ich lass dich jetzt einfach in deiner Angst allein», gleich kommt.  

Kann ich mein Kind in dieser Ungewissheit belassen? Füge ich ihr damit nicht einen Schaden zu? Vielleicht hilft das aus christlicher Sicht wichtigste Buch. Mein Philosophieprofessor hat damals gesagt: «Wer die Bibel nicht kennt versteht auch die westliche Kultur nicht.» Sie muss also ziemlich wichtig sein diese Bibel, nicht nur im religiösen Kontext.

Kinderbibel versus «Emma Charming»

So habe ich mir pflichtbewusst eine Kinderbibel ausgeliehen. Meine Tochter hat das Buch der Bücher nicht wahnsinnig interessiert. Sie hat sich lieber der modernen Hexe «Emma Charming» zugewandt und fiebert seither dem Erscheinungsdatum des neuen Kinderromans entgegen (Anmerkung der Redaktion: Es ist der 27. April).

Die zwei älteren Jungs aber haben Fragen an die Bibel, die in ihrer kindlichen Neugier eine gewisse Präzision haben: «Wie kann Kain ganz allein Kinder gemacht haben? Hatte er eine Schwester? Und, ist es nicht gefährlich mit der Schwester Kinder zu machen?» Man könnte vielleicht noch etwas schwurbeln über die allumfassende Liebe und darüber, dass das Inzestverbot für die ersten Menschen noch nicht so ganz Geltung hatte. Aber wie erkläre ich den Umstand, dass Leute wegen sexueller Praktiken bei Sodom und Gomorrha auf Gottes geheissen umgebracht wurden, dass Abraham seinen Sohn Gott opfern wollte oder Moses Gotteslästerung mit dem Tod bestrafte.  Wer kann letztlich verleugnen, dass im Alten Testament viel Mord und Totschlag vorkommt? Da darf ich mir schon die Frage stellen, ob es sinnvoll ist das meinen Kindern zuzumuten.

Tarantino als zeitgenössische kulturelle Bildung

Mein Philosophieprofessor hatte sicher auf einer intellektuellen Ebene recht, dass gerade viele Motive in der Literatur und im Film oft nur vor dem Hintergrund biblischer Geschichten verstanden werden.  Genau so kann ich aber auch einen Filmabend mit den Beiträgen von Quentin Tarantino rechtfertigen, schliesslich ist Tarantinos Werk auch relevant für eine zeitgenössische kulturelle Bildung. Trotzdem möchte ich Kill Bill meinen Kindern (noch) nicht zumuten.

Dann bleibt noch das Neue Testament. Es gilt als wesentlich friedfertiger und kann vielleicht auf den Kernsatz: «Seid lieb zueinander!» reduziert werden. Ja, ich kann da im Sinne der Befreiungstheologie viel zum Thema soziale Gerechtigkeit hineininterpretieren. Und trotzdem kreist auch dieses Buch vor allem um die nervigste Frage und beantwortet sie mit der Hoffnung, dass wer an Jesus glaubt, erlöst wird.

Was aber ist mit etwas moderneren Themen wie Klimawandel oder gar Gendergerechtigkeit? Im Alten Testament ist da vor allem ein Mann, der sich die Erde untertan machen soll. Kann mir da das Neue Testament weiterhelfen? Hmm, klar kann ich mit etwas Fantasie die Achtung vor der Schöpfung zum ethischen Imperativ erheben. Das bleibt aber immer noch etwas weltfremd und geht nicht auf konkrete Forderungen für eine ökologische Wende ein. Und, ja ich kann Maria Magdalena als Feministin an der Seite Jesu deuten, aber auch das bleibt etwas abstrakt. Und Kinder? Haben die hier nicht bereits abgehängt?

Einige gute Kinderbücher

Kinder möchten Geschichten. Wenn ich aber die Geschichten der Bibel ernst nehme und sie nicht radikal metaphorisch lese, dann ist die Ethik, die sich daraus ableitet in meinen Augen nicht mehr zeitgemäss.

Eine Antwort auf die Frage «Warum das Alles» habe ich als Kind viel eher in modernen Erzählungen wie Pippi Langstrumpf oder Ronja Räubertochter gefunden. Zwei wunderbare Romane mit starken Hauptfiguren, die zur Nachahmung anregen.

Als erstaunlich aktuell liest sich auch für ein junges Publikum Michael Endes Momo. Dieses Märchen beantwortet dann auch die nervigste aller Fragen eher mit einer Ermutigung, sich der Unvorhersehbarkeit des Menschenlebens zu stellen, weil darin seine Schönheit liegt und wir auf diesem Weg auch vielleicht etwas schmerzhaft von Kindern zu Erwachsenen werden. Sollte die Gretchenfrage meine Kinder weiter beschäftigen, und sie sich auch noch als Jugendliche mit den Fragen rund ums woher und wohin beschäftigen möchten, dann werde ich ihnen diese beiden Klassiker, die bei mir noch im Bücherregal stehen empfehlen:

Zum einen Sophies Welt von Jostein Gaarder. Ein Roman über die Geschichte der Philosophie und gleichzeitig ein Fest des guten Geschichtenerzählens. Zum anderen Theos Reise von Catherine Clément, dem Buch über die Religionen der Welt, das einen etwas naiven, aber dennoch lehrreichen Einblick in verschiedene Glaubenswelten gibt.

Was aber machen wir jetzt mit der nervigsten aller Fragen? Wir tun das was die Menschen seit jeher tun: Wir erzählen Geschichten und wir versuchen da zu sein. Glaub ich zumindest.

Christian Johannes Käser
arbeitet als Schauspieler, Coach und Autor. Der gebürtige Appenzeller lebt mit seiner Familie in Zürich. Zusammen mit seiner Frau berichtet er im Podcast «Familienchaos» regelmässig über das Leben mit vier Kindern zwischen Trotzphase und Pubertät.

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