Musik – von Anfang an ein wichtiger Begleiter

Kinder erhalten beim Musikmachen Zugang zu den eigenen Gefühlen und Welten und damit zu Kreativität und zu den eigenen Stärken, «auch ohne perfekte Beherrschung eines Instrumentes», sagt der Zürcher Musikpädagoge Christian Berger. Ein Plädoyer fürs Musizieren.
Danach werden sie von dem «Erlebnis» erzählen, von der gespürten «Lebensfreude». Denn die Primarschulkinder machen an diesem Abend sichtbar, was sie in zwei Jahren Musikunterricht immer wieder erlebt haben: dass gemeinsames Musizieren mehr als nur schön ist. «Man braucht Musik zum Leben», sagt Giulia später auf dem Pausenplatz. Die Achtjährige meint dies wortwörtlich.
Alles ist Musik
Die ältesten Flöten aus Tierknochen, die gefunden wurden, sind über 30.000 Jahre alt. Musizieren ist eine einzigartige Ausdrucksform der Menschen. Seit dem griechischen Altertum versuchen Denker zu beschreiben, was Musik dem Wesen nach sei. Hermann Siegenthaler schreibt in seinem Standardwerk «Einführung in die Musikpädagogik», dass man Elemente der Musik benennen könne (Harmonie, Spannung, Klangfarbe usw.). Niemand würde deshalb aber Musik als Summe dieser Begriffe bezeichnen. Musik «sei mehr, als was der Mensch rational zu erfassen vermöge».
Bei der Frage, was Musik sei, kommen auch die Zweitklässler ins Grübeln. Naila lobt die Klänge der Instrumente. Hannah gefällt es, dass man Musik immer wieder neu erfinden kann. Ayana findet: «Alles ist Musik, man muss es nur richtig machen!» Man könne mit «knisternden Steinen und rauschenden Blättern» Musik machen. «Die Steine geben dabei den Rhythmus vor.»
Was ein Rhythmus ist, lernen Primarschulkinder im elementaren Musikunterricht. Lernen bedeutet hier, über alle Sinne wahrzunehmen und das Thema in der Art einzukreisen, dass sich das Wissen bei den Kindern verankert und gleichzeitig Musik den Raum füllt. So klopfen sich die Kinder Rhythmen gegenseitig auf den Rücken, schreiben sie auf, machen sie als Bodypercussion und auf Trommeln hörbar, gestalten passende Bewegungen und tanzen dazu.
Ayanas Schlussfolgerung, dass alles Musik sei, wenn man es richtig mache, zeigt, dass Musizieren für sie eine künstlerische Auseinandersetzung ist. Sie begibt sich in ein musikalisches Feld und experimentiert. Zwar mit einer Vorstellung, aber ohne genau zu wissen, was herauskommt. Das ist ein elementares musikalisches Erlebnis. Dies hat für Ayana eine Bedeutung wie für einen Profimusiker.
«Solche vertieften Erlebnisse soll der Musikunterricht ermöglichen», sagt Professor Christian Berger von der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Die Lehrpersonen müssten Situationen kreieren, sogenannte «Resonanzräume schaffen, wo die Menschen wahrnehmen, dass die Musik etwas mit ihnen macht.»
Musik berührt uns, löst Gefühle aus, bringt uns zum Tanzen.
Der Elementare Musikunterricht, oft auch musikalische Grundschule genannt, erlebte in den letzten zehn Jahren in der Schweiz steigende Beachtung und Verbreitung. Neuerdings, in Zeiten des Spardrucks, fordern politische Kreise wieder, den Musikunterricht zu privatisieren. In den Schulen im Zürcher Oberland wurde die musikalische Grundschule gerade von zwei auf eine Lektion pro Woche halbiert.
«Die Musik ist dann mit mir und ich mit ihr.»
Musizieren ermöglicht uns, uns auf eine Weise auszudrücken, die wir uns vielleicht niemals zugetraut hätten. An dem Sommerabend im Schulhaus Altweg erzählten die Eltern, am meisten erstaunt beim Auftritt hätte sie die Leistung derjenigen Kinder, die sich im Schulzimmer kaum konzentrieren könnten.
Hermann Siegenthaler fordert in seinem Lehrbuch zum Gedankenspiel auf, Musik als unser Geschöpf zu betrachten, das fähig ist, uns im Innersten unseres Wesens anzusprechen und zu verwandeln. Die achtjährige Hannah sagt es in ihren Worten: «Es ist gut, dass ich beim Musikmachen ganz in mir selber drin bin.» Und sie fügt strahlend hinzu: «Die Musik ist dann mit mir und ich mit ihr.»
Bild: GettyImages
Elementare Musikpädagogik
- Singen und Sprechen
- Musik hören
- Musik und Bewegung/Tanz
- Kollektives Musizieren, Arbeit mit Instrumenten
- Musikalische Begriffsbildung
Elementares Musizieren, Singen und Bewegen ist geeignet für alle Altersstufen, für Laien und Profis.