Hilfe, meine Tochter findet es zuhause langweilig!

Daniela, 36, ist traurig: Ihre Tochter möchte nur bei ihrer Freundin, beide 8, sein. Diese bekommt immer wieder neue Spielsachen und Kleider, ein Nein gibt es nur selten.
Eine Frage – drei Meinungen
Unsere Tochter spielt fast jeden freien Nachmittag bei ihrer Freundin, beide sind 8-jährig. Diese bekommt immer wieder neue Spielsachen und Kleider, ein Nein gibt es nur selten. Bei uns gelten strengere Regeln, Spielsachen müssen sich die Kinder zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünschen. Unsere Tochter sagt: «Bei mir ist es so langweilig. Ich habe keine tollen Spielsachen. Bei meiner Freundin darf man viel mehr.» Solche Sätze machen mich traurig und ich bin ziemlich ratlos. Wie soll ich damit umgehen?
Daniela, 36, Dagmersellen
Das sagt unser Expertenteam dazu:

Ich kann Sie mit gutem Gewissen trösten: Die Früchte Ihrer Erziehung zeigen sich später. Dann, wenn Ihre Tochter älter ist und merkt, dass nicht immer jeder Wunsch sofort erfüllt wird. Dann, wenn sie gelernt hat, dass man kein Zimmer voller Kleider braucht, sondern ausgewählte, qualitativ gute Stücke. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Und alle Eltern wissen: Viele Spielsachen sind auch kein Rezept gegen Langeweile.

Das würde mich auch traurig machen und sauer noch dazu. Da aber die unschuldigen kleinen Wesen (gemeinhin Kinder genannt) gegenüber den Eltern nun einmal in einer allgemein schlechteren Verhandlungsposition stecken, können die Gofen manchmal ganz schöne Bitches sein, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Erzeugung schlechten Gewissens bei den Eltern gehört zu den bewährten Tricks. Wenn sie bei der Freundin «viel mehr darf», dann kann sie doch zu ihr spielen gehen. Sie können sich ja ausserdem noch ganz unauffällig und nebenher mal
überlegen, ob Sie mit der Strenge der Regeln ein bisschen übertreiben. Wenn nicht, dann ist es halt so, wie es ist.

Das, was die anderen haben, ist oft interessanter als das, was zu Hause ist. Denn das, was man hat, ist jederzeit zugänglich. Lassen Sie sich nicht irritieren. Wenn Sie fragen, was die beiden denn zusammen tun, werden Sie merken, dass sie sehr wahrscheinlich gewisse Dinge immer wieder gemeinsam spielen. Auch wenn Ihre Tochter aktuell immer zu ihrer Freundin geht, heisst dies nicht, dass es bei Ihnen zu wenig hat. Auch bei ihrer Freundin wird Ihre Tochter sich irgendwann langweilen. Dann, wenn alles durch ist. Wenn Sie die beiden auch bei sich haben möchten, ermöglichen Sie spezielle Gelegenheiten – eine kleine Übernachtungsparty zum Beispiel.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 51, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Peter Schneider, 66, ist Kolumnist, Satiriker, Psychoanalytiker, Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und Gastprofessor für Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
- Nicole Althaus, 54, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und geleitet und war Chefredaktorin von «wir eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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