«Alexa, Mami und Papi streiten wieder» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

«Alexa, Mami und Papi streiten wieder»

Lesedauer: 3 Minuten

Die smarten Lautsprecher von Apple, Amazon und Co. halten Einzug im Kinderzimmer. Was passiert, wenn Kinder mit Sprachassistenten interagieren? Und welche Gefahren bringt das mit sich?

Ob ein Sprachassistent im Kinderzimmer zum Einsatz kommt oder nicht, hängt meist von der Haltung der Eltern zur Technik ab. Manche zeigen im Umgang mit neuen Technologien keinerlei Berührungsängste. Sie erfreuen sich an den komfortablen Funktionen der neuesten Gadgets und haben auch kein Problem damit, sie ihren Kindern zu überlassen. Diesen sorglosen Umgang kennen wir schon vom Smartphone, wenn bereits Einjährige im Kinderwagen das Gerät bedenkenlos in die Hand gedrückt bekommen.

Kinder verlernen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, echte soziale Kontakte und Empathie aufzubauen.

Andere Eltern wiederum begegnen technischen Neuerungen mit grosser Skepsis und versuchen, sie möglichst lange von ihren Kindern fernzuhalten. Ihnen attestiert dann der Bekanntenkreis Realitätsferne und Technikfeindlichkeit. Zugegeben, es fällt nicht immer leicht, in technologischen Angelegenheiten für sich und die Kindererziehung den richtigen Weg zu finden. Beim Thema «Sprachassistenten » ist es besonders schwierig, eine klare Haltung einzunehmen. Denn es liegen – anders als beim Fernsehen, bei Videospielen oder Smartphones – noch wenig Erfahrungswerte vor.

Die Überwindung der Tastatur

Sprachassistenten bieten Apple, Google, Microsoft, Amazon und viele andere an. Manche sind im Computer integriert, andere sind eigenständige Geräte, die mit oder ohne Bildschirm Internetzugang haben und auf Zuruf reagieren. Dabei sollten wir einer wirklich bemerkenswerten Funktion unseren Respekt zollen: Digitale Assistenten wie Alexa von Amazon verstehen jedes gesprochene Wort. Rund 50 Jahre nach Stanley Kubricks «2001 Odyssee im Weltraum» und dem Bordcomputer HAL erfüllt sich der lang gehegte Wunsch der Menschheit, mit Computern sprechen zu können und von ihnen verstanden zu werden. Eine exzellente Spracherkennung ist vor allem deshalb wichtig, weil nur dadurch der grösste Vorzug der Assistenten zutage tritt: die Überwindung der Tastatur.

Kritiker sprechen von der «Wanze» im Wohnzimmer

Wer einen Sprachassistenten hat, muss nicht mehr auf kleinen Displaybuchstaben herumdrücken. Deshalb werden digitale Sprachassistenten im Alltag bald so normal wie Lichtschalter sein, zumal sie auch als komfortables Steuerungselement für vernetzte Smartgeräte und Smart Homes gelten. Gleichzeitig schlägt Sprachassistenten ein enormes Misstrauen entgegen. Kritiker sprechen von der «Wanze» im Wohnzimmer, die stets alles mithört. Merkwürdigerweise haben die meisten kein Problem damit, ständig ihr Smartphone mit sich zu führen oder eine Armlänge entfernt auf dem Tisch abzulegen. Beim Computer kann die Kamera immerhin noch zugeklebt werden. Aber was hilft beim Sprachassistenten? Eine Warmhaltehaube wie früher bei der Kaffeekanne? Die Hersteller von Alexa & Co. versuchen Abhörbedenken zu zerstreuen, indem sie betonen, dass diese Geräte keine ständigen Lauscher seien, weil sie nur auf ein Schlüsselwort reagierten. Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Müssen Sprachassistenten, damit sie das Schlüsselwort überhaupt erfassen, nicht permanent zuhören? 

Was haben Kinder von Sprachassistenten? 

Gerade Kinder im Vorschulalter, die des Lesens und Schreibens noch nicht mächtig sind, erhalten mittels Sprachassistenten einen hürdenlosen Zugang zum Internet. Auf Wunsch liest der Assistent zum Beispiel eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Ist das Gerät mit anderen Smartgeräten wie einem Fernseher gekoppelt, muss den Sicherheitseinstellungen dringend Beachtung geschenkt werden. Auch weil Alexa zum Online-Versandhändler Amazon gehört und versehentliche Einkäufe der Kinder unterbunden sein sollten. 

Sprachassistenten mögen für Erwachsene ganz nett sein. In einem Kinderzimmer haben sie nichts verloren.

Ältere Kinder können digitalen Assistenten – ähnlich wie bei Suchmaschinen am PC – konkrete Fragen stellen. Solange es sich um allgemeine Auskünfte («Wird es heute regnen?») handelt, kommt es zu befriedigenden Ergebnissen. Sobald sie aber inhaltlich komplexere Dinge für Schule und Hausaufgaben abverlangen, fallen die vorgelesenen Funde eher selten verständlich oder kindgerecht aus. Amazons Alexa verfügt über sogenannte «Skills». Das sind Programme, die Drittanbieter eigens für diesen Assistenten entwickelt haben. Bislang gibt es im deutschsprachigen Raum etwa 5000 Skills, weltweit 50 000. Sie lesen Stundenpläne vor, bieten Spiele an, spielen Radio und vieles mehr. Dabei den Überblick zu behalten, ist nicht so einfach. Und auch hier haben leider jugendschutzrelevante Aspekte noch keine allzu grosse Beachtung gefunden.

Mein Freund, die Menschmaschine

Einen weiteren Punkt gilt es zu beachten: Kinder merken im Umgang mit Sprachassistenten irgendwann nicht mehr, dass sie mit einem Computerprogramm sprechen. Das liegt an der weiblichen Stimme mit der angenehmen Modulation. Weil sie wie ein ganz normaler Mensch klingt, neigen gerade jüngere Kinder dazu, ihnen Vertrauen zu schenken und sie als Freund resp. Freundin zu betrachten. Eltern wissen oft gar nicht, was Kinder alles mit dem Gerät besprechen («Mama und Papa streiten schon wieder!»).

Und wenn sie damit aufgewachsen sind, könnten sie mit zunehmendem Alter dem Sprachassistenten ihr Herz zu Schulproblemen oder Liebeskummer ausschütten. Was machen diese Geräte mit all diesen Informationen? In Sachen Datenschutz oder der Datensammelwut der Anbieter im Netz ist allergrösste Vorsicht geboten. Zudem werden Kinder durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz darin eingeschränkt, zu lernen, wie sie echte soziale Kontakte und vor allem Empathie aufbauen. Schliesslich bergen diese Geräte die Gefahr, zum Ersatzpartner zu werden. Das hat grundlegende gesellschaftliche Folgen, wie wir sie jetzt schon durch den Einsatz von Smartphones beobachten. Fazit: Sprachassistenten mögen für Erwachsene ganz nett sein. In einem Kinderzimmer haben sie nichts verloren.


Darauf müssen Sie achten, wenn Sie Sprachassistenten nutzen

  • Vor Gerätekauf Informationen sammeln, gründlich deren Vor- und Nachteile abwägen. Jedes Gerät ist anders, somit auch die Einstellungen.
  • Sich bewusst machen, dass mangelnder Jugendschutz ein massives Problem darstellt: kein Sprachassistent im Kinderzimmer.
  • Sind die Geräte mit anderen Diensten ( Streaming) oder Geräten verbunden, müssen dort jugendschutzrelevante Einstellungen festgelegt werden.
  • Viele Geräte sind Shops: Die Kauffunktionen sollten unbedingt deaktiviert werden.
  • Nur für Kinder geeignete Skills anzeigen lassen.
  • Eigene Anfragen regelmässig löschen.

Mehr von Thomas Feibel:

  • Die digitale Schule– was bringen Schweizer Schulen unseren Kindern über Medien respektive Medienkonsum bei und warum ist diese Entwicklung so schwierig.