Alkohol – ein Problem, das sich in Luft auflöst? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Alkohol – ein Problem, das sich in Luft auflöst?

Lesedauer: 3 Minuten

Dass Liköre, Weine und andere alkoholische Getränke nicht an den Kindertisch gehören, ist allgemein bekannt. Doch wie sieht es aus, wenn der Alkohol zum Verfeinern von Gerichten verwendet wird?

Text: Wina Fontana
Bild: iStockphoto

In Zusammenarbeit mit Betty Bossi

Wine gängige Aussage lautet: Der Alkohol verfliegt beim Kochen. Ein moderner Mythos, der für die Kleinsten am Familientisch in vielerlei Hinsicht nicht ganz unbedenklich ist. Denn abgesehen von der verwendeten Menge sind auch die Zubereitungsart sowie die Temperatur und die Zubereitungszeit ausschlaggebend dafür, wie viel vom Alkohol sich tatsächlich verflüchtigt.

Reiner Alkohol verdampft ab 78 Grad Celsius. Sobald aber andere Flüssigkeiten hinzukommen, verlangsamt sich dieser Prozess und entsprechend bleibt mehr Alkohol in den Speisen. Ob mit oder ohne Deckel gekocht wird, spielt eine entscheidende Rolle beim Gehalt des Restalkohols. Wird nämlich mit Deckel gekocht, kondensiert das verdampfte Ethanol und tropft wieder zurück in den Topf. Auch bei Backwaren, die teils eine Kerntemperatur von rund 96 Grad Celsius erreichen, ist es aufgrund der Zutatenzusammensetzung eher unwahrscheinlich, dass sich der Alkohol komplett verflüchtigt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, wenn Kinder bis 15 Jahre, Schwangere, Stillende und Menschen, die keinen Alkohol trinken, mitessen, komplett auf die Verwendung von Alkohol zu verzichten.

Kleine Menge, grosse Wirkung
Alkohol wirkt hauptsächlich im Verhältnis zur Körpergrösse und dem Gewicht. Entsprechend ist die Wirkung im Kinderkörper um ein Vielfaches stärker als bei einem Erwachsenen. Während bei Erwachsenen eine Bewusstlosigkeit meist erst nach 3 Promille auftritt, kann bei Kindern bereits eine Menge von 0,5 Promille ausreichen – ohne vorher einen Rauschzustand mit ausgelassener Stimmung hervorzurufen.

Gerade süsse Speisen bergen ein grosses Gefahrenpotenzial für die kleinen Schleckermäuler. Denn die Süsse verdeckt die typische und von Kindern meist als «nöd fein» beschriebene alkoholische Note. Schon ein grosszügiger Schuss Likör im Tiramisu kann sich auf den Blut-alkoholspiegel von Kindern auswirken – je nachdem, wie gross der Gluscht nach Dessert ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, alkoholhaltige Desserts oder Süssigkeiten wie Kirschstängeli ausserhalb der Reich-weite von Kindern aufzubewahren.

Die Macht der Gewohnheit
Neben den körperlichen Risiken von Alkoholkonsum bei Kindern gilt es noch einen weiteren wichtigen Faktor zu beachten: Kinder verfügen mit einer intuitiven Abneigung gegen den Geschmack und den Geruch von Alkohol über einen natürlichen Schutzmechanismus. Derselbe Mechanismus schützte bereits die Kinder unserer Vorfahren vor potenziell giftigen und bitteren Beeren. Allerdings gewöhnen wir uns im Laufe des Lebens an bestimmte Geschmäcker. Und bei Kindern braucht es laut neueren Studien rund 15-mal Probieren, bis sie sich an einen neuen Geschmack gewöhnt haben. Wenn die Kinder nun also regelmässig Speisen mit Alkohol verzehren, auch wenn dieser tatsächlich komplett verflogen wäre, gewöhnen sie sich eher an den Geschmack oder mögen ihn sogar plötzlich. Hingegen kann das Weglassen von Alkohol zum Verfeinern von Speisen dazu beitragen, dass diese Aversion möglichst lange aufrechterhalten und die Hemmschwelle, im Jugend-alter Alkohol zu konsumieren, erhöht wird.
Aus diesem Grund wird auch davon abgeraten, den Kindern einen Probierschluck oder alkoholfreie Varianten anzubieten. Das Gleiche gilt für die momentan im Trend liegenden Getränke Kombucha und Kefir. Beide werden durch die Fermentation von Zucker gewonnen, wobei Alkohol entsteht. Dieser ist im Endprodukt zwar nur in Rest-mengen vorhanden und unbedenklich – der Gewöhnungseffekt kann dennoch stattfinden.

Darf man nicht gemeinsam Fondue essen?
Für viele gehört Weisswein ins Risotto wie für andere Kirsch ins Fondue. Geht man dem aromatischen Nutzen des Alkohols zum Verfeinern allerdings einmal auf den Grund, merkt man, dass die meisten Gerichte auch ganz wunderbar ohne Volumenprozente gelingen. Denn in der Regel dient der Alkohol dazu, den Gerichten eine leichte Säure zu verleihen. Diese lässt sich jedoch problemlos durch kinderfreundliche Alternativen einbringen. Ein Fondue gelingt auch wunderbar mit etwas Apfelsaft, das Risotto ebenso mit einem Schuss Zitronensaft. Für süsse Speisen bieten sich frische Fruchtsäfte und Zitrusfrüchte an. Alternativ können auch zwei Saucen zubereitet werden. Der Aufwand hierzu hält sich meistens in Grenzen und so kommt – ob gross oder klein – jeder Tischgast auf seine Kosten.

Kochen ohne Alkohol, so schmeckts:

  • Für die Zubereitung von Desserts bieten sich Fruchtsäfte und Aromastoffe wie Bittermandel zum Verfeinern an.
  • Säuerliche Zutaten wie Essig, Aceto und Zitronensaft eignen sich hervorragend zum Zubereiten von salzigen Speisen.
  • Bei Rezepten, die nur kleine Mengen Alkohol (in Esslöffeln) beinhalten, können diese ersatzlos gestrichen werden. Mengen ab 1 Deziliter müssen auf jeden Fall mit einer anderen Flüssigkeit ersetzt werden, z.B. mit Wasser, Tee, Rahm, Milch, Bouillon, Sirup, Fruchtsaft oder Tomatensaft.
  • Bewahren Sie alkoholhaltige Naschereien getrennt und für Kinder unerreichbar auf.
  • Behalten Sie bei Apéros stets den Couchtisch im Blick – ein Glas Rosé lässt sich leicht mit Sirup verwechseln.
  • Konsumieren oder verwerten Sie geöffnete, nicht pasteurisierte Fruchtsäfte rasch. Diese können bereits nach wenigen Tagen anfangen zu gären, wobei Alkohol entstehen kann.
  • Mit einer alkoholfreien Bowle können alle gemeinsam anstossen: Lassen Sie dazu 750 Gramm Beeren, 4 Esslöffel Zucker und 1 Deziliter Zitronensaft kurz ziehen und geben Sie danach 1,5 Deziliter Zitronensirup und 1,5 Liter Mineralwasser dazu.

Wina Fontana
ist Ernährungsexpertin SVDE, hat einen Bachelor in Ernährung und Diätetik und arbeitet bei Betty Bossi.

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