03. Februar 2022
Was tun, wenn Wutanfälle Familienausflüge verhindern?
![Wutanfälle verhindern Familienausflug](https://www.fritzundfraenzi.ch/uploads/2022/02/Header-1170-x-520-1.png)
Lesedauer: 1 Minuten
Die ganze Familie steht bereit. Der gemeinsame Ausflug könnte losgehen, doch der Sohn schmeisst sich auf den Boden und will nicht mit. Was tun, bei solchen Wutanfällen? Erfahren Sie, was unser Expertenteam dazu sagt.
Eine Frage – drei Meinungen
Unser Sohn, 11, hindert die Familie an gemeinsamen Unternehmungen, wenn er darauf keine Lust hat. Er schmeisst sich auf den Boden und schreit. An ein Weggehen ist nicht zu denken. Wie sollen wir auf sein Verhalten reagieren? Claudia, 40, Chur GR
Das sagt unser Expertenteam dazu:
![5b6e3197104030fa0e59c5179b6f2142.JPG Stefanie RietzlerAls verantwortungsbewusste Eltern bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als darauf zu achten, dass das Gamen Ihres Sohnes nicht überhandnimmt – auch auf die Gefahr hin, dass Sie seinen Zorn auf sich ziehen. Sollten Sie bei Ihrem Sohn Anzeichen einer Computerspielsucht beobachten, nehmen Sie bitte mit einer Fachperson Kontakt auf. Merkmale von Suchtverhalten sind exzessives Gamen, Verlust an anderen Interessen und Hobbys, Vernachlässigung von Freundschaften und Schule sowie Aggressionen, Reizbarkeit oder Nervosität, wann immer das Gamen nicht möglich ist.](https://www.fritzundfraenzi.ch/uploads/2021/08/5b6e3197104030fa0e59c5179b6f2142.jpg)
Stefanie Rietzler
Auch wenn Sie es gut meinen: Vielleicht ist ihm – wie vielen Jugendlichen – das Alltagsprogramm einfach zu viel und er zeigt durch seine Ausbrüche, dass er eine Verschnaufpause braucht. Fehlt ihm Zeit für sich, für Freunde? Setzen Sie sich doch als Familie zusammen und besprechen Sie, wie jede und jeder Einzelne von Ihnen sich die Freizeit und Familienzeit vorstellt. Vielleicht darf auch jedes Familienmitglied auf Zettel schreiben, welche gemeinsamen Unternehmungen es sich wünscht, und man zieht jedes Mal im Wechsel ein Los, sodass alle miteinbezogen sind. Dabei gilt: Auch zu Hause bleiben und ausspannen ist eine adäquate Familienaktivität!
Auch wenn Sie es gut meinen: Vielleicht ist ihm – wie vielen Jugendlichen – das Alltagsprogramm einfach zu viel und er zeigt durch seine Ausbrüche, dass er eine Verschnaufpause braucht. Fehlt ihm Zeit für sich, für Freunde? Setzen Sie sich doch als Familie zusammen und besprechen Sie, wie jede und jeder Einzelne von Ihnen sich die Freizeit und Familienzeit vorstellt. Vielleicht darf auch jedes Familienmitglied auf Zettel schreiben, welche gemeinsamen Unternehmungen es sich wünscht, und man zieht jedes Mal im Wechsel ein Los, sodass alle miteinbezogen sind. Dabei gilt: Auch zu Hause bleiben und ausspannen ist eine adäquate Familienaktivität!
![d85e189039451323440529bbda04989a.jpg Nicole AlthausMit Töchtern hat man viele Probleme, aber das exzessive Gamen gehört meistens nicht dazu. Ich kann also diese Frage nicht aus eigener Erfahrung beantworten. Von Vätern mit Söhnen weiss ich aber: Man kann die Bildschirmzeit auf Geräten technisch beschränken. Das ist die einfachste Lösung, um sicherzustellen, dass die Abmachung eingehalten wird. Wenn die schulischen Leistungen nicht darunter leiden und der Sohn auch Sport treibt und mit Kollegen Zeit verbringt, kann die Gamezeit immer wieder neu verhandelt werden.](https://www.fritzundfraenzi.ch/uploads/2021/08/d85e189039451323440529bbda04989a.jpg)
Nicole Althaus
Ihr Sohn hat ganz offensichtlich gelernt, dass er seinen Willen mit Tobsuchtsanfällen der Familie aufzwingen kann. Diesen Triumph dürfen Sie nicht mehr zulassen. Wenn an gemeinsames Weggehen nicht zu denken ist, dann bleibt eben jemand beim Sohn zu Hause, die anderen tun, was geplant war. Selbstverständlich darf er weder fernsehen noch gamen. So wird er in seinem Zimmer ohne Unterhaltung schnell bereuen, den Ausflug torpediert zu haben, und das nächste Mal vielleicht kooperativer sein. Das übernächste Mal ganz bestimmt.
Ihr Sohn hat ganz offensichtlich gelernt, dass er seinen Willen mit Tobsuchtsanfällen der Familie aufzwingen kann. Diesen Triumph dürfen Sie nicht mehr zulassen. Wenn an gemeinsames Weggehen nicht zu denken ist, dann bleibt eben jemand beim Sohn zu Hause, die anderen tun, was geplant war. Selbstverständlich darf er weder fernsehen noch gamen. So wird er in seinem Zimmer ohne Unterhaltung schnell bereuen, den Ausflug torpediert zu haben, und das nächste Mal vielleicht kooperativer sein. Das übernächste Mal ganz bestimmt.
![078b92c61aa6843c21fe05aee2317efb.jpg Peter SchneiderZuerst sollten Sie sich fragen, worin das Problem überhaupt liegt: In der ausschliesslichen Beschäftigung mit der Gamekonsole? Oder in der Vernachlässigung der schulischen Aufgaben wegen der ausgedehnten Spielfreudigkeit Ihres Sohnes? Ist Letzteres der Fall, müssen Sie wohl oder übel eine Art Stundenplan für das Gamen einführen – aber bitte mit Zeitslots. Die müssen so bemessen sein, dass es nicht den Anschein hat, als wäre dies die Freizeit, in der der Sohn etwas ganz Schlimmes ausnahmsweise einmal machen darf. Ansonsten fände er es vielleicht lässig, wenn Sie bei manchen Spielen mitmachen könnten (ohne dass Sie sich aufdrängen): Das nähme Ihren Auseinandersetzungen die kulturkämpferische Schärfe.](https://www.fritzundfraenzi.ch/uploads/2021/08/078b92c61aa6843c21fe05aee2317efb.jpg)
Peter Schneider
Ich neige gewiss nicht zu überflüssigen Pathologisierungen; das heisst aber nicht, dass in meinen Augen auch alles gut und gesund ist, was Kinder tun, beziehungsweise dass sich alle aktuellen Störungen dann schon mit der Zeit einmal auswachsen. Ihr Sohn hat unübersehbar ein grösseres Problem. Dieses Problem belastet sowohl ihn als auch Sie, und mit einer «richtigen Reaktion» ist es da nicht getan. Kurz: Gehen Sie zu einer Beratungsstelle, in Chur beispielsweise zum kinderpsychiatrischen Dienst.
Ich neige gewiss nicht zu überflüssigen Pathologisierungen; das heisst aber nicht, dass in meinen Augen auch alles gut und gesund ist, was Kinder tun, beziehungsweise dass sich alle aktuellen Störungen dann schon mit der Zeit einmal auswachsen. Ihr Sohn hat unübersehbar ein grösseres Problem. Dieses Problem belastet sowohl ihn als auch Sie, und mit einer «richtigen Reaktion» ist es da nicht getan. Kurz: Gehen Sie zu einer Beratungsstelle, in Chur beispielsweise zum kinderpsychiatrischen Dienst.
Haben auch Sie eine Frage?
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten IHRE Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
Schreiben Sie eine E-Mail an: redaktion(at)fritzundfraenzi.ch
Das Expertenteam:
- Stefanie Rietzler ist Psychologin, Autorin («Geborgen, mutig, frei», «Clever lernen») und leitet die Akademie für Lerncoaching in Zürich. www.mit-kindern-lernen.ch
- Peter Schneider, 62, ist Kolumnist, Satiriker, Psychoanalytiker, Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und Gastprofessor für Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
- Nicole Althaus, 51, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und geleitet und war Chefredaktorin von «wir eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 20 und 16 Jahren.