«Manchmal macht mich der Gedanke wahnsinnig»
Vater: Guten Tag. Hm, wo soll ich anfangen. Kennen Sie sich aus mit rechtlichen Fragestellungen rund um Trennungen und so?
Beraterin: Ja. Wir achten einfach darauf, wo unsere Zuständigkeit endet und Sie bei einer Juristin oder einem Juristen besser aufgehoben sind. Möchten Sie erzählen?
Vater: Gerne. Ich lebe seit drei Jahren getrennt von meiner Ex. Am Anfang habe ich versucht, dass wir uns friedlich einigen beim Besuchsrecht. Wir haben auch eine Mediation gemacht und wollten zunächst die geteilte Obhut. Als es aber darum ging, die Vereinbarung zu unterschreiben, wollte sie plötzlich nicht mehr.
Beraterin: Oje, das tut mir leid. Wie ist es denn jetzt geregelt?
Vater: Ganz klassisch. Sie hat die Obhut und ich habe alle zwei Wochen ein Besuchswochenende. In der Trennungsvereinbarung steht, dass die Kinder nach Absprache auch öfter bei mir sein können. Das funktionierte gut, solange sie einen Partner hatte und froh um freie Zeit war. Sobald sie wieder Single war, klammerte sie sich an die Kinder und wollte sie kaum gehen lassen.
Meine Ex sagt, die Kinder wollten gar nicht mehr zu mir. Aber ich weiss, dass das nicht stimmt.
Vater
Beraterin: Hm, diese Wechsel stelle ich mir herausfordernd vor – für alle Beteiligten. Wie alt sind Ihre Kinder?
Vater: Ja, das ist wirklich anstrengend. Die Kinder sind mittlerweile fünf und acht. Sie hat wieder einen Partner, der bei ihr eingezogen ist, und jetzt ist es umgekehrt: Sie macht mit ihm auf heile Familie und sieht mich als Störfaktor. Ich habe die Kinder inzwischen fast zwei Monate nicht mehr gesehen.
Beraterin: Das ist eine lange Zeit. Wie kam es dazu?
Vater: Zuerst hat sie die Ferien verlängert. Danach war der Ältere krank, da kamen beide nicht. Und nun sagt sie, die Kinder wollten gar nicht mehr zu mir. Aber ich weiss, dass das nicht stimmt. Wenn sie hier sind, haben wir es super, und am Ende des Wochenendes wollen sie gar nicht zurückgehen.
Beraterin: Verstehe ich das richtig: Sie sind nicht verheiratet, und es gibt eine Verfügung der Kesb zur Obhut und zum Besuchsrecht?
Vater: Genau. Ich glaube, es wäre besser gewesen zu heiraten – dann hätte ich wohl andere Rechte als Vater.
Beraterin: Das sollte eigentlich keinen Unterschied machen. Nur die Zuständigkeit ist eine andere: Bei verheirateten Eltern ist das Gericht zuständig, bei nicht verheirateten die Kesb oder in manchen Kantonen das Familiengericht. Gibt es eine Beistandschaft?
Vater: Nein, das wollte meine Ex nicht. Für mich wäre das okay gewesen. Wie gesagt: zuerst Mediation, dann brach sie diese ab und holte sich einen scharfen Anwalt. Ich musste mir dann auch eine Anwältin suchen, die als taff galt. Die handelten dann alles miteinander aus. Meine Anwältin meinte, das sei eine normale Regelung, da die Mutter vor der Trennung hauptsächlich zu Hause war. Ich hätte gerne mehr Betreuung übernommen, aber meine Ex wollte nicht arbeiten. Heute denke ich, ich hätte mehr insistieren sollen.
Ich stelle mir vor, dass Sie sich ohnmächtig fühlen, weil Sie im Moment nichts tun können.
Beraterin
Beraterin: Das ist ein Thema, das wir immer wieder hören. Es wirkt, als würden Väter benachteiligt, obwohl häufig einfach die Kontinuität für die Kinder im Vordergrund steht.
Vater: Ja, das verstehe ich. Aber es ist nicht immer so, dass Mütter es besser machen. Ich zum Beispiel bin geduldiger als meine Ex und unternehme mehr mit den Kindern. Sie ist oft müde und lässt die Kinder am Computer sitzen. Das müsste doch auch berücksichtigt werden.
Beraterin: Was haben Sie in den letzten zwei Monaten unternommen, damit das Besuchsrecht wieder funktioniert?
Vater: Viel, wirklich viel! Zuerst habe ich versucht, mit ihr zu reden – bis sie mich überall blockierte. Dann habe ich mich an die Kesb gewandt. Die meinten, es sei noch zu früh, ich solle Geduld haben, das reguliere sich schon. Aus Verzweiflung habe ich sogar die Polizei kontaktiert. Doch die sagten, sie seien nicht zuständig, das Besuchsrecht durchzusetzen – das würde den Kindern mehr schaden als nützen. Das sehe ich auch so, aber ich fühle mich nicht ernst genommen.
Ich habe Angst, dass meine Kinder sich mir entfremden und den neuen Partner lieber haben als mich.
Vater
Beraterin: Das kann ich gut nachvollziehen. Ich stelle mir vor, dass Sie sich ohnmächtig fühlen, weil Sie im Moment nichts tun können.
Vater: Ja, genau. Ich habe Angst, dass meine Kinder sich mir entfremden und den neuen Partner lieber haben als mich. Manchmal macht mich der Gedanke wahnsinnig.
Beraterin: Ich verstehe. Ich schlage vor, dass wir zunächst den rechtlichen Teil besprechen und dann Wege finden, wie Sie aus der Ohnmacht herauskommen.
Vater: Gerne, das macht Sinn.
Beraterin: Ideal wäre es, wenn Sie gemeinsam zur Erziehungsberatung gehen, um zu klären, was nicht funktioniert und wie die Besuchswochenenden wieder anlaufen können – vielleicht mit begleiteter Wiederaufnahme.
Vater: Das finde ich zwar nicht nötig, aber ich würde es trotzdem machen, wenn ich meine Kinder wieder sehen kann. Ich versuche es.
Beraterin: Ich finde es toll, dass Sie es versuchen. Falls das nicht klappt, wäre die Kesb für weitere Schritte zuständig. Im laufenden Verfahren kann auch eine Kinderanwältin oder ein Kinderanwalt eingeschaltet werden, Eltern oder Kinder können eine solche Vertretung beantragen – mit dem alleinigen Ziel, die Interessen der Kinder zu vertreten.
Vater: Das wusste ich gar nicht. Gut zu wissen, dass es diese Möglichkeit gibt.
Der Elternnotruf
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Beraterin: Bitte haben Sie ein wenig Geduld – es geht nicht alles von heute auf morgen. Wie können Sie in der Zwischenzeit gut für sich sorgen? Haben Sie Menschen zum Austausch oder Aktivitäten, die Ihnen helfen, das Gedankenkarussell zu stoppen?
Vater: Ja, das habe ich. Dass ich nun weiss, was ich machen kann, gibt mir schon wieder eine Perspektive und damit Hoffnung. Vielen Dank. Eine letzte Frage noch: Glauben Sie mir?
Beraterin: Das, was Sie erzählen, klingt für mich plausibel. Ich habe den Eindruck, dass Ihnen das Wohl Ihrer Kinder wichtig ist. Beantwortet das Ihre Frage?
Vater: Ja, das tut mir gut.
Beraterin: Alles Gute für die nächsten Schritte. Sie können sich jederzeit wieder bei uns melden.
Dieses Protokoll ist die stark verkürzte und auf das Wesentliche reduzierte Aufzeichnung eines längeren Beratungsgesprächs. Wir möchten damit einerseits Einblick geben in unsere Arbeit und andererseits den Leserinnen und Lesern Denkanstösse für ähnliche Fragestellungen vermitteln.
Yvonne Müller, Co-Leiterin Elternnotruf