Vier Stolperfallen in der Medienerziehung
In einem Witz möchten die betagten Eltern ihren weit entfernt lebenden Sohn mit dem Auto besuchen. Da er sie nicht davon abbringen kann, schickt er ihnen vorab ein Mobiltelefon für den Notfall. Als sie am vereinbarten Tag längst angekommen sein müssten, wählt er die neue Nummer. Nach langem Klingeln hört er eine bange Stimme: «Hallo?» Der Sohn: «Hallo Mama, ich bin's!» Die Mutter überrascht: «Woher weisst du, wo ich bin?»
Ältere Generationen taten sich schon immer schwerer als ihre Kinder, mit den neuesten technischen Entwicklungen Schritt zu halten. Das ist heute nicht anders. Die junge Generation ist uns immer einen Schritt voraus. Doch so sympathisch uns die stoische Haltung älterer Menschen gegenüber dem technischen Fortschritt auch erscheinen mag: Um unsere Kinder vor den Gefahren im Netz schützen zu können, müssen wir uns mit diesen befassen.
Im Folgenden lesen Sie von vier Stolperfallen, die wir in der digitalen Erziehung leicht übersehen.
Wussten Sie, dass es bei Whatsapp auch Kanäle gibt?
Whatsapp ist der beliebteste Nachrichtendienst. Kinder und Jugendliche nutzen ihn täglich, um mit Eltern, Freunden oder der Klassengemeinschaft in Kontakt zu treten. Bislang galt Whatsapp – von datenschutzrechtlichen Bedenken einmal abgesehen – als einigermassen sicher, da darüber nur Menschen miteinander kommunizieren, die zuvor ihre Telefonnummern ausgetauscht haben.
Seit einiger Zeit gibt es jedoch die Funktion der sogenannten Kanäle. Darin zeigen Unternehmen, Fussballvereine oder Magazine ihre Inhalte und sammeln Follower. Neben Stars und Sternchen sind hier auch viele Privatpersonen jeden Alters am Start.
Über Kanäle stossen Minderjährige, ähnlich wie im Internet, schnell auf unangemessene Inhalte.
Was wir wissen müssen: Wer den Messenger nutzt, kann die Kanäle nicht deaktivieren. Whatsapp weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass sie «öffentlich sind» – also können alle sie finden und geteilte Inhalte sehen. Telefonnummern seien allerdings geschützt und nicht einsehbar. Auf Beiträge oder Umfragen können Follower nur mit Emojis reagieren, Kommentare sind nicht möglich – bisher jedenfalls.
Auch Kinder und Jugendliche können mühelos einen Kanal eröffnen und ähnlich wie bei Instagram mit gleicher Unbedarftheit ihrer Selbstdarstellung nachgehen. Sie haben keinen Einfluss darauf, wer ihnen folgt oder was mit den Bildern (etwa durch Screenshots) geschieht. Zudem stossen Minderjährige über Kanäle, ähnlich wie im Internet, schnell auf unangemessene Inhalte. Recherchen des Magazins «Der Spiegel» haben unter anderem auf Datingseiten und sexuellen Content hingewiesen.
Was Eltern tun können: Das Hamburger Nachrichtenmagazin rät: «Eltern können den Kanälen ihrer Kinder mit eigenen Accounts folgen und sie so im Blick behalten. Oder sie lassen sich ganz offiziell zum Administrator machen und können dann auch selbst Meldungen erstellen oder löschen.»
Selbstverständlich bleibt es jeder Familie überlassen, Whatsapp den Rücken zu kehren und einen weniger verrufenen Messenger zu nutzen wie Signal oder Threema.
Wussten Sie, dass Kinder von Fremden in Games kontaktiert werden können?
Wenn sich Erwachsene gegenüber Games kritisch äussern, dann betrifft das in der Regel martialische Spielinhalte. Zu Recht: Kriegsspiele und Ego-Shooter haben in Kinderhänden nichts verloren. Doch eine weitere, deutlich konkretere Gefahr ist die Chatfunktion in Onlinegames. An sich erfüllt sie einen guten Zweck, denn damit sprechen sich die Spielenden zu Strategie und Taktik ab. Über diese Chats kann jedoch auch das Böse direkt – und von Eltern unbemerkt – ins Kinderzimmer eindringen.
Was wir wissen müssen: Pädophil veranlagte Menschen geben sich in Gamechats Kindern gegenüber meist als gleichaltrige oder nur ungleich ältere Spielkameraden aus. In scheinbar harmlosen Gesprächen wird über Wochen und Monate eine Beziehung aufgebaut und so das Vertrauen der Opfer erschlichen. Ahnungslos liefern Kinder den Tätern Munition, mit der sie dann erpresst werden. So sollen sie dem vermeintlich Bekannten beispielsweise intime Fotos schicken oder einem Treffen mit fatalen Folgen zustimmen.
Was Eltern tun können: Wenn das Kind gamt, müssen wir die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme durch Fremde regelmässig thematisieren. Kinder sollten nicht zu vertrauensselig sein, sie dürfen nicht persönlich bekannten Personen niemals ihre Handynummer, ihre Adresse und ihren echten Namen preisgeben. Sicher, das Thema ist harter Tobak und im direkten Gespräch unangenehm. Aber Kinder, die alt genug sind, sich in Onlinewelten aufzuhalten, sind auch alt genug, diese Dinge zu erfahren.
Wussten Sie, dass sich Push-Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm deaktivieren lassen?
Push-Benachrichtigungen sind eine praktische Sache. Im Gegensatz zu E-Mails erreichen sie ihren Adressaten auf dem Handy sofort, und der kann auch umgehend darauf reagieren. Das ist nützlich, wenn Kinder zum Beispiel den Bus verpasst haben oder eine Verabredung kurzfristig ausfallen muss. Sie schaden allerdings, wenn es zu viele werden.
Klären Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, welche Nachrichten wirklich relevant sind, um die Informationsflut in den Griff zu bekommen.
Was wir wissen müssen: Push-Benachrichtigungen kommen nicht nur über Messenger wie Whatsapp, sondern auch von sozialen Netzwerken, Spielen und zahlreichen anderen Apps direkt auf den Sperrbildschirm. Sie unterbrechen jede Tätigkeit und lenken Kinder beim Lernen oder auch im Gespräch ab. In grosser Zahl verursachen diese Meldungen nicht nur Stress, sondern konditionieren junge Menschen auch darauf, ständig sofort reagieren zu müssen.
Was Eltern tun können: Push-Benachrichtigungen lassen sich in der jeweiligen App deaktivieren. Klären Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, welche Nachrichten wirklich relevant sind, um die Informationsflut in den Griff zu bekommen und die Ablenkung eindämmen zu können.
Wussten Sie, dass das abendliche Abschalten des WLAN für Kinder nur wenig nützt?
Viele Eltern sind der trügerischen Ansicht, dass es ausreicht, wenn sie ab einer bestimmten Uhrzeit am Abend den WLAN-Zugang für Kinder sperren.
Was wir wissen müssen: Kinder wechseln dann auf mobile Daten oder greifen durch Downloads weiterhin auf verfügbare Games, Filme und Spiele zu.
Was Eltern tun können: Keine Geräte über Nacht im Kinderzimmer.
Fazit: Kneifen gilt nicht
Wir können das Rennen mit den technischen Innovationen niemals gewinnen. Aber kneifen gilt nicht. Denn wir müssen unseren Kindern Orientierung geben, Grenzen setzen und ihnen den guten und kritischen Umgang vorleben. Dazu gehört auch, regelmässig die Sicherheitseinstellungen der einzelnen Angebote einzurichten und in Abständen zu überprüfen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es zwar nicht, aber wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht.
Für Kinder und Jugendliche gilt generell:
- Gib niemals Fremden deine Handynummer oder E-Mailadresse.
- Nutze online nur einen Spitznamen, nicht deinen echten Namen.
- Teile weder Schule noch Adresse oder deinen aktuellen Standort.
- Sende keine Fotos an Internetbekanntschaften.
- Sei vorsichtig und nicht zu vertrauensselig.
- Ruf mich, wenn dir etwas komisch vorkommt oder du dich unwohl fühlst.