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«Einige Aufgaben haben wir komplett aufgeteilt»

Aus Ausgabe
09 / September 2025
Lesedauer: 4 min
Martina, 39, und Mike, 40, wollten die Care-Arbeit von Anfang an gerecht aufteilen. Keine leichte Aufgabe mit drei Kindern. Wo es harzt und was ihnen hilft.
Aufgezeichnet von Julia Meyer-Hermann

Bild: Fabian Hugo / 13 Photo

Martina Jüsi, 39, und Mike Reichen, 40, leben mit ihren drei Kindern (11, 9 und 7 Jahre alt) in Spiez BE. Sie ist Lehrerin, er arbeitet selbständig im Gartenbau und als Sozialpädagoge.

Martina: «Als wir unsere Familie gründeten, waren wir voller Idealismus. Wir wollten die Care-Arbeit gerecht aufteilen, beide im Beruf bleiben – und dabei nicht untergehen. Wir dachten: Wir haben uns mit diesen Themen doch beschäftigt, also bekommen wir das hin. Aber ein paar Jahre und drei Kinder später merken wir, dass es viel schwieriger ist als gedacht.

Mental Load ist für mich ein ständiger, unsichtbarer Begleiter. Von morgens bis abends immer da, manchmal weckt er mich sogar nachts. Es geht dabei nicht nur darum, viele Aufgaben zu erledigen, sondern ständig an alles zu denken, nichts zu vergessen, präsent zu sein. Seit alle drei Kinder im System sind – Kindergarten, Schule – hat sich das noch mal verstärkt. Ganz vieles kommt automatisch zu mir. Ich muss mich bewusst abgrenzen, bewusst delegieren. Das kostet Zeit und Kraft.

Ein Beispiel: Obwohl Mike für die Musikschule zuständig ist, werden Rückfragen an mich gerichtet. Elternchats, Arzttermine, Verabredungen – das landet alles bei mir. Oft mitten in meinem Berufsalltag. Dann sitze ich zwischen zwei Unterrichtsstunden und versuche schnell einen Termin zu klären. Manchmal denke ich: Einfacher wäre es, wenn ich kündigen und mich auf eine Sache konzentriere würde.

Ich war tatsächlich mal ein Jahr zu Hause, als unsere jüngste Tochter klein war. Das war organisatorisch viel einfacher. Ich war zwar mit meiner Aufgabe als Dreifachmutter völlig ausgelastet, aber mir fehlte der Raum für meine eigenen Interessen, die geistige Herausforderung und das Gefühl, auch jenseits der Familie wirksam zu sein. Zudem verspürte ich oft Neid auf Mike, dem dies alles möglich war.

Sonntagabendsitzungen als zentrales Tool

Was uns hilft, ist unsere Sonntagabendsitzung. Wenn die Kinder schlafen, setzen wir uns mit den Kalendern zusammen, schreiben den Essensplan, stimmen Termine ab, verteilen Aufgaben. Das ist nicht romantisch, aber es hilft. Es macht die Woche transparenter, auch der Mental Load wird dadurch sichtbarer und überschaubar.

Was mir wirklich hilft: Wenn ich merke, dass Mike meine mentale Last sieht – und Verantwortung übernimmt.

Martina, Mutter

Einige Aufgaben haben wir komplett aufgeteilt. Zahnarzt zum Beispiel macht Mike – ich habe keine Ahnung, wann die nächste Kontrolle ist. Und das ist auch gut so. Ich versuche generell, mich zurückzuhalten beim automatischen Organisieren. Nicht gleich wieder übernehmen, nicht alles selbst regeln.

Was mir wirklich hilft: Wenn ich merke, dass Mike meine mentale Last sieht – und Verantwortung übernimmt. Es braucht mehr Rollenvorbilder und ein gesellschaftliches Umdenken: Nicht «die Frau managt alles», sondern Familienarbeit als gleichwertige, gesellschaftlich geteilte Aufgabe.»

Mike: «Ich wollte nie ein Wochenend-Papa sein. Das ist mir noch mal bewusst geworden, als wir bei unserer jüngsten Tochter das klassische Modell ausprobiert haben – Martina war ganz zu Hause, ich voll berufstätig. Organisatorisch war das einfacher, ja. Aber ich sah die Kinder kaum noch. Ich hatte weniger Einfluss bei der Erziehung, die Bindung ging sofort zurück. Das hat mir nicht gutgetan.

Deshalb arbeiten wir jetzt beide reduziert – ich rund 70, Martina 60 Prozent – und haben zwei Verantwortungstage pro Woche. An einem Tag sind die Kinder in der Nachmittagsbetreuung. Das klingt durchgeplant – ist es auch. Für uns als Paar ist es trotzdem eine tägliche Herausforderung, die Aufgaben aufzuteilen und alles im Blick zu behalten.

Ich will nicht nur mithelfen, sondern mitgestalten.

Mike, Vater

Die Sonntagabendsitzung ist unser zentrales Tool: Wir setzen uns hin, planen die Woche, klären Termine. Das ist kein grosses Ding, aber es schafft Struktur und hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Mir ist wichtig, die Dinge auf meine Art machen zu dürfen. Ich will nicht nur mithelfen, sondern mitgestalten. Wenn ich einen Termin vergesse, dann mache ich eben einen neuen. Das gehört dazu.

Dass auch die Gesellschaft ihren Blickwinkel ändern muss, bekommen wir oft gespiegelt. Wenn ich sage, ich arbeite 70 Prozent, heisst es: «Oh, du bist ja ein sehr präsenter Vater.» Wenn Martina sagt, dass sie ähnlich viel arbeitet, kommt: «Wie machst du das bloss mit den Kindern? Wie geht es ihnen damit?» So was nervt. Es macht es schwerer, wirklich gleichberechtigt zu leben.»