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«Es gibt niemanden, der sagt: Komm, ich übernehme das»

Aus Ausgabe
09 / September 2025
Lesedauer: 3 min
Ilka, 43, trägt die Verantwortung allein – für ihre achtjährige Tochter und auch für die Pflege ihrer Mutter. Sie erzählt von ihrem Alltag als Alleinerziehende und was ihr helfen würde.
Aufgezeichnet von Julia Meyer-Hermann

Bild: Fabian Hugo / 13 Photo

Ilka G., 43, lebt mit ihrer Tochter Lina, 8, am Stadtrand von Basel. Sie arbeitet halbtags als Sekretärin und verdient sich nachts als freiberufliche ­Bauzeichnerin etwas dazu.

Abends, wenn meine Tochter endlich schläft, sitze ich oft da und frage mich, wie ich diesen Tag eigentlich geschafft habe. Ich bin müde, aber der Haushalt wartet und irgendwann auch mein zweiter Job. 

Ich lebe mit meiner achtjährigen Tochter in einer kleinen Wohnung am Stadtrand von Basel. Ich zahle nur wenig Miete, sonst könnte ich mir das nicht leisten. Ich arbeite halbtags als Sekretärin bei einer städtischen Behörde. Zusätzlich verdiene ich als ­selbständige Bauzeichnerin ein wenig dazu. Das mache ich nachts, wenn der Rest erledigt ist. 

Die Pflege meiner Mutter belastet mich sehr, auch emotional. Sie war früher so  stark.

Ich bin alleinerziehend, seit Lina zwei ist. Ihr Vater wohnt etwa 100 Kilometer entfernt. Er zahlt den Mindestunterhalt. Um Lina kümmert er sich kaum. Manchmal sehen sie sich über ein verlängertes Wochenende. Er hat inzwischen eine neue Freundin mit zwei Kindern, die bei ihm leben. Lina fährt nicht gerne dorthin, also forciere ich das auch nicht. 

Ich bin nach der Trennung nach Basel gezogen, weil meine Mutter hier lebt. Anfangs hat sie mir geholfen. Aber inzwischen ist sie gesundheitlich stark ein­geschränkt. Ich mache ihre Einkäufe, begleite sie zu  Arztterminen, erledige den Papierkram. Die Pflege belastet mich sehr, auch emotional. Sie war früher so stark.

Täglich durch einen Tunnel gehen

Lina ist ein sensibles Mädchen. Sie war schon immer eher kränklich, hat häufig Infekte, manchmal auch psychosomatische Beschwerden. Das bedeutet: Termine beim Kinderarzt, Gespräche mit der Lehrerin. Nächte, in denen sie nicht schlafen kann – und ich auch nicht. Wenn sie krank ist, muss ich mir freinehmen oder Homeoffice machen. Das belastet mein Verhältnis zu meiner Chefin, auch wenn sie Verständnis zeigt.

Ich habe versucht, mir ein kleines Netzwerk aufzubauen. Zwei Freundinnen wohnen in der Nähe, wir helfen uns manchmal aus. Der Mann einer Freundin ist Linas Götti, er geht ab und zu mit ihr ins Museum oder auf den Spielplatz. Sie braucht auch eine männliche Bezugsperson.

Was mir helfen würde? Eine bezahlbare Ferien­betreuung. Und ein gesellschaftlicher Blick, der versteht, wie hoch der Druck für Alleinerziehende ist.

Die ganze Verantwortung liegt bei mir. Ich muss alles allein entscheiden. Es gibt niemanden, der sagt: Komm, ich übernehme das mal. Ich sehne mich nach dieser Entlastung – nicht nur körperlich, sondern auch mental. Der Alltag fühlt sich manchmal an wie ein Tunnel, durch den ich jeden Tag muss. Diese Ausweglosigkeit ist für mich der härteste Teil am Mental Load. 

Trotzdem: Ich gebe nicht auf. Ich liebe meine Tochter, ich bin stolz darauf, wie ich das alles stemme. Ich versuche, mir kleine Inseln zu schaffen. Und ich versuche, mir klarzumachen: Ich mache das gut. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt. Ich arbeite daran, weniger streng mit mir zu sein. Nicht alles perfekt machen zu wollen. Auch das ist ein Teil davon, diesen Mental Load leichter zu machen.

Was mir helfen würde? Eine bezahlbare Ferien­betreuung. Mehr Unterstützung für Alleinerziehende. Und ein gesellschaftlicher Blick, der nicht nur Mütter bewundert, die alles allein schaffen, sondern auch versteht, wie hoch der Druck ist. Ich will nicht stark sein müssen. Ich will auch mal schwach sein dürfen.