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«Ist Schule wirklich das Wichtigste?»

Lesedauer: 5 min

«Ist Schule wirklich das Wichtigste?»

Marvin, 14, nervt es, dass seine Eltern und Grosseltern immer nur nach der Schule fragen und nie, wie es ihm geht, oder was ihn interessiert. Das sagt unsere Expertin.
Text: Sarah Zanoni

Bild: Adobe Stock

«Frag doch mal Sarah!»

Ist Schule wirklich das Wichtigste? Mich nervt es, dass meine Eltern und auch meine Grosseltern immer nur wissen wollen, ob ich gut in der Schule sei und ob dort alles gut läuft. Dabei gehe ich überhaupt nicht gerne zur Schule. Aber wenn ich das so sage, gibt es zuhause sofort Streit. Ich habe das Gefühl, die sehen gar nicht mich.  
Marvin, 14 

Lieber Marvin 

Nein. Schule ist nicht das Wichtigste. Weder in deinem Leben noch generell. Aber: Sie ist trotzdem wichtig. Das klingt jetzt wie ein Widerspruch. Lass es mich erklären. 

Wofür ist die Schule da? Sie ist dazu da, dass Kinder schreiben, lesen und rechnen lernen. Und ganz viele Dinge über unsere Welt erfahren, wie Geografie, Biologie, Chemie, Physik und Geschichte. Ausserdem trainiert man Fähigkeiten im Zeichnen, in der Musik und im Sport. Und es gehören Fremdsprachen wie Französisch und Englisch dazu.

Ein Beruf ist wichtig, damit jeder Mensch eine Tätigkeit ausüben kann, mit der er sein eigenes Leben bestreiten kann.

Ohne diese Schulbildung wäre es sehr schwierig, später einen Beruf zu erlernen. Und der Beruf ist wichtig, damit jeder Mensch eine Tätigkeit ausüben kann, mit der er sein eigenes Leben bestreiten kann. Früher hätte man gesagt: Man muss seine Brötchen verdienen können. Das heisst nichts anderes, als dass jeder Mensch irgendwann nicht mehr bei seinen Eltern lebt und alles bezahlt bekommt, sondern für sich selber aufkommen muss.  

Im Idealfall findest du später einen Beruf, der dir richtig gut gefällt. Denn, wo man jeden Tag hingehen und acht Stunden arbeiten muss, da sollte es einem schon möglichst gut gefallen, oder? 

Was ist wichtig für dich?

Jetzt kommt ein weiteres «Aber»: Schule ist tatsächlich nicht das Wichtigste im Leben. Was ist denn wichtig? Was ist wichtig für dich, lieber Marvin?  

Für viele Erwachsene ist die Gesundheit sehr wichtig, oder das Wohl der eigenen Familie. Es ist wichtig, dass man Menschen um sich hat, auf die man sich verlassen kann. Ich persönlich würde sagen, dass es wichtig ist, einen Sinn im Leben zu finden. Einen Sinn im Leben zu haben, bedeutet, einen inneren Motor, eine erfüllende Aufgabe, ein Ziel zu haben, das einen jeden Tag aufs Neue motiviert, aufzustehen und den Tag positiv anzugehen. 

Jugendliche sagen mir oft, dass ihnen ihre Freunde und Kolleginnen wichtig sind. Oder ihre Hobbys: Beispielsweise Sport oder Musik. Aber auch ihre Eltern, Geschwister und Haustiere. Im Jugendalter ist die Identitätsfindung zentral. Da geht es darum, wer man ist und wer man sein oder werden will.  

Entwicklung in der Pubertät

Dazu gehört die Entwicklung hin zum jungen Mann (oder zur jungen Frau). Dein Körper verändert sich immer mehr vom Kindeskörper hin zu dem eines Mannes. Als Junge kannst du in deinem Alter pro Jahr bis zu zehn Zentimeter wachsen.

Manche Jungs bleiben zunächst schmal und eher klein – bis sie dann plötzlich in die Höhe schiessen und an Muskelmasse zulegen können. Gerade heute ist für viele junge Menschen das eigene Aussehen etwas, was sie stark interessiert und leider oft auch unzufrieden macht, da sie zu selbstkritisch sind. 

Deine Eltern wollen, dass du später die bestmöglichen Chancen hast. Sie zeigen dir damit, dass du ihnen wichtig bist.

Welche Rolle willst du einnehmen in unserer Gesellschaft? Wofür möchtest du dich engagieren – zum Beispiel für Politik, für Sport, für Klimaschutz? Oder erst einmal für nichts Spezielles? Das ist auch okay. 

Deine Freunde und Kollegen sind natürlich ebenfalls wichtig. Sie begleiten dich nicht nur in der Jugendphase, sondern mit manchen von ihnen wirst du dein Leben lang befreundet bleiben. Stell dir das mal vor: was werdet ihr in zehn, zwanzig oder dreissig Jahren zusammen unternehmen?

Freundschaft und erste Liebe

Gute Freunde zu haben, kann dir in vielen Situationen helfen. Egal ob du in der Schule, Familie oder Freizeit Probleme hast – deine Kumpels können dir zuhören, dich trösten und für dich da sein. Ihr könnt zusammen tolle Momente erleben, Zeit miteinander verbringen. 

Wichtig kann in deinem Alter auch die erste Liebe sein. Das kann etwas Wunderbares sein, das eine neue Dimension in dein bisheriges Leben bringt. Aber egal, ob du damit schon Erfahrungen gesammelt hast oder nicht, irgendwann wird das Thema auch für dich eine Rolle spielen.  

Interesse der Eltern für anderes wecken

Ich kann gut verstehen, dass es dich frustriert, wenn deine Eltern oder Grosseltern dich in all diesen Dingen nicht «sehen». Aus ihrer Sicht stehen Schule und Ausbildung an erster Stelle. Sie wollen, dass du später die bestmöglichen Chancen hast, um ein eigenständiges, zufriedenes Leben zu führen. Damit zeigen sie auf ihre Art, dass sie sich um dich kümmern und dass du ihnen wichtig bist. 

Für dich stehen aktuell aber andere Prioritäten im Raum. Vielleicht versuchst du ihnen das in einer ruhigen Minute zu erklären. Sag ihnen, dass du dich für die Schule so engagierst, wie es dir möglich ist. Und dass du ihr Anliegen punkto Berufswahl erkennst. Aber dass du gerne auch ihr Interesse an deinem Leben ausserhalb der Schule – also an dir – sehen möchtest.  

Viel Erfolg! 

Frag doch mal Sarah

In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.
Hast du auch eine Frage, die du ihr gerne stellen würdest? Dann sende eine E-Mail an online@fritzundfraenzi.ch oder kontaktiere uns auf unseren Social-Media-Kanälen.