Bernadette Bürer, 42, arbeitet als Kinder-, Jugend- und Familiencoach mit Spezialisierung auf Autismus und ADHS. Gemeinsam mit ihrem Mann, 40, und ihren beiden Töchtern (14 und 11 Jahre) lebt sie in Erstfeld UR.
Ich bin Autistin und habe ADHS. Das Thema Gefühlsstürme und wie das Umfeld darauf reagiert, begleitet mich schon, seit ich denken kann. Als Kind und später als Teenie hatte ich oft die immergleichen Tagträume. Wenn ich traurig, frustriert, wütend oder verletzt war, malte ich mir aus, wie es wohl wäre, wenn jemand meine ganzen echten Gefühle aushalten könnte – oder anders gesagt: wenn jemand mich aushalten könnte.
Ich musste das nämlich jeden Tag – mich selbst aushalten können. Und das war alles andere als leicht. Die Vorstellung, wie es wohl wäre, wenn ich von den Erwachsenen mal nicht unterdrückt, beschimpft oder gar bestraft würde für meine Empfindungen, sondern gesehen und ausgehalten, hat mich nie losgelassen. Leider blieb das ein unerfüllter Wunsch – zumindest für mich.
Das bedingungslose Dasein trägt meine Töchter, bis sie sich langsam fangen, beruhigen und anschliessend Nähe, Sicherheit und Trost bei mir suchen können.
Dafür sollen meine beiden Töchter nun erleben dürfen, dass sie mit ihren ganzen echten Gefühlen in Ordnung und geliebt sind. Dass ich sie auch dann aushalte und ihnen beistehe, wenn sie sich selbst kaum aushalten können. Das ist meine wichtigste Mission als Mutter – und gleichzeitig fast wie Therapie für mein eigenes inneres Kind.
Co-Regulieren der Töchter stärkt das Vertrauen
Wenn also meine Töchter in emotionale Ausbrüche rutschen, setze ich mich einfach zu ihnen. Ich bleibe da, ruhig und ohne Fixierung auf sie, aber dennoch innerlich zugewandt. Es ist wichtig, sie nicht zu berühren, erst mal nichts zu sagen, einfach ihr Toben und Wüten mit auszuhalten.
Dieses bedingungslose Dasein trägt sie, bis sie sich langsam fangen, beruhigen und anschliessend Nähe, Sicherheit und Trost bei mir suchen können. Ich merke, das ist der einzige Weg, wie ich ihnen auch in Ausnahmesituationen wirklich helfen kann.
Ich kann zu hundert Prozent bestätigen, dass dieses langsame «Co-Regulieren» zum einen funktioniert und zum anderen auch die Bindung und das Vertrauen zwischen dem Kind und der begleitenden Person unglaublich stärkt – weit mehr als es ein toller Ausflug oder sonstige fröhliche gemeinsame Stunden tun –, selbst wenn solche positiven Erlebnisse natürlich auch grossartig und wichtig sind.






