«Ich hatte das Gefühl, nicht mehr zu existieren»

Corina, 35, gefiel sich als fürsorgliche Mutter und unterstützende Ehefrau, die gleichzeitig berufstätig war – bis sie merkte, dass die Rolle sie auffrisst. Heute ist die Mutter von Theo, 6, alleinerziehend und ermutigt Frauen, besser für sich zu sorgen.
Ich wurde schwanger, als mein Ex-Mann und ich für ein paar Monate in der Schweiz waren, um zu arbeiten und danach in sein Heimatland Mexiko zurückzukehren. Wir entschieden dann, dass unser Sohn hier zur Welt kommen sollte. Ich arbeitete in der Gastronomie, parallel bauten wir unser Tattoostudio auf. Mein Mann war für die künstlerische Arbeit, ich fürs Administrative zuständig. Ich arbeitete viel, freute mich aufs Kind, machte mir keine Sorgen: Als Erzieherin wusste ich ja, was mich erwartet – ein Irrtum, wie sich herausstellte.
Sieben Tage nach der Geburt stand ich im Studio, dreimal die Woche. Mit unserem Sohn. Schlaf klaubte ich mir in Bruchstücken zusammen. Um die Finanzen aufzubessern, nahm ich eine Zusatzstelle in einer Kita an. Das war eine heftige Zeit. Es macht etwas mit mir, wenn ich daran zurückdenke.
Es braucht so viel, um eine gute Mutter zu sein, und so wenig, um als Vater Lob zu erhalten.
Corina, Mutter
Es war aber weniger die Erschöpfung, die mein Kartenhaus einstürzen liess, sondern die Tatsache, dass ich anfing, ehrlich zu mir selbst zu sein. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr zu existieren: Wer war ich? Ich kannte mich nur noch in der Fürsorgerolle: als liebevolle Mutter und Ehefrau, die zu Hause für Behaglichkeit sorgt, für Quality-Time, ohne die Familie in lästige Pflichten einzuspannen.
Eine, die es ihren Liebsten an nichts mangeln lässt und obendrauf noch berufstätig ist. Ich gefiel mir in dieser Rolle, bis ich merkte, dass sie mich auffrisst. Ab da war das Ende meiner Ehe absehbar. Vor zwei Jahren ging mein Ex-Mann zurück nach Mexiko.
Alleinerziehend und berufstätig
Leute fragen mich oft, wie ich alles unter einen Hut kriege – alleinerziehend und berufstätig zu sein und so viel Geduld für mein Kind aufzubringen. Ich schaffe es, weil ich heute die Antworten auf grundlegende Fragen kenne: Wer bin ich, was brauche ich? Ich weiss es und handle danach. Und ich traue mich, um Hilfe zu fragen. Heute bin ich Gruppenleiterin in einer Kita, habe eine Tagesbetreuung für Kindergartenkinder mit aufgebaut und mich bei Kinderschutz Schweiz zur Elternbildnerin weitergebildet.
Die Eltern-Coachings sind meine Herzensangelegenheit. Im Grunde geht es stets darum: Was hilft uns, weniger gestresst zu sein? Die Frage treibt viele Mütter um. Sie sind es, die Termine koordinieren, Geburtstagsgeschenke organisieren, Gummistiefel für den Waldmorgen. Bei vielen kommt Überforderung, auch Frustration zum Ausdruck; darüber, an alles denken und den Mann auch noch instruieren zu müssen.
Alle schreien nach Gleichberechtigung: Die moderne Frau kann alles haben! Was in der Realität bedeutet, dass die Dinge immer mehr werden und die Mutter sie bitteschön im Griff haben soll. Es braucht so viel, um eine gute Mutter zu sein, und so wenig, um als Vater Lob zu erhalten – Stichwort Papi-Tag.
Auch sind viele Mütter verunsichert. Wir haben einerseits die ältere Generation im Ohr, die in der Erziehung eine strengere Hand fordert, andererseits sind da die Expertinnen im Netz, die Müttern sagen, wie sie zu sein haben. Etwa sogenannte Spirituelle, die Frauen weismachen wollen, sie müssten zu ihrer mütterlichen Urkraft, ihrem Instinkt zurückfinden – der sie dann intuitiv handeln und alles richtig machen lässt. Das ist Quatsch und schürt Erwartungen, die niemand erfüllen kann.