Kindergarten: «Jedes Kind reagiert anders auf den Eintritt»
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Kindergarten: «Jedes Kind reagiert anders auf den Eintritt»

Lesedauer: 2 Minuten

Der Übergang in den Kindergarten ist ein grosser Schritt. Diesen bewältigt jedes Kind in seinem eigenen Tempo, oft durchläuft es dabei verschiedene Phasen. Wie sich diese äussern können und wie Eltern ihr Kind am besten unterstützen, weiss Christian Hugi.

Interview: Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
Bild: Carla Kogelman

Herr Hugi, wie können Eltern ihr Kind in den ersten Kindergartenwochen unterstützen?

Indem sie ihrem Kind Vertrauen schenken. Vertrauen, dass es die neue Situation «Kindergarten» auf seine Art meistert, sich erfolgreich in die Kindergartenklasse eingliedert und in allem Stück für Stück eigenständiger wird. Kinder entwickeln sich in ihrem eigenen Tempo und nicht gleichmässig, sondern oft in Phasen. Manchmal gibt es einen richtigen Schub und manchmal dauert es eine Weile, bis der nächste grössere Entwicklungsschritt folgt.

Christian Hugi ist Primarlehrer in der Stadt Zürich, Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands (ZLV) und Mitglied der Geschäftsleitung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). In dieser Funktion leitet er die Stufen­kommission Zyklus 1 des LCH. (Bild: Roger Wehrli / LCH)

In den meisten Fällen ist dabei von uns Erwachsenen vor allem Geduld und Zutrauen nötig. Das bedeutet auch, dass wir den Kindern nicht alle Handlungen abnehmen oder diese ständig «begleiten». So sollen die Kinder etwa einen Wunsch oder eine Sorge der ­Lehrperson selber mitteilen lernen oder einen kleineren Konflikt mit einem Gspänli möglichst eigenständig lösen. Und irgendwann gehört auch dazu, dass die Kinder den Weg in den Kinder­garten ohne Erwachsenen­begleitung gehen. Es geht also in vielen Dingen darum, den Kindern Verantwortung zu übertragen und ein Stück weit loszulassen.

Wie verändert sich das Kind nach dem Kindergarteneintritt?

Nicht alle Kinder reagieren gleich. Für die meisten gilt jedoch: Der Kinder­garten­alltag ist vor allem am Anfang intensiv und viele Kinder sind nach einem Morgen im Kindergarten müde. Nicht immer äussert sich dies als Mattheit oder Schläfrigkeit, sondern auch impulsives, schwieriges oder ­aufbegehrendes Verhalten kann Ausdruck davon sein.

Nach der ersten ­Eingewöhnung werden die meisten Kinder auch Grenzen suchen und testen. Das kann sich etwa in gröberem Verhalten oder einer ungewohnt derben Umgangssprache äussern. Für die meisten Kinder hat es einen gewissen Reiz, auszutesten, was passiert, wenn sie sich auch mal so ­verhalten. Es gilt – zu Hause wie in der Schule – freche Wörter oder grobe ­Verhaltensweisen abzulehnen. Mit der Zeit pendelt sich dies wieder ein.

Was soll man tun, wenn das Kind nicht oder nicht mehr in den Kindergarten gehen will?

Da gibt es verschiedene Strategien. So können Sie mit dem Kind den Tagesablauf ­besprechen, damit dieser weniger Überraschungen und Unsicherheiten bietet. Oder Sie können den Weg in den Kindergarten mit anderen Kindern und Eltern gehen. Vielleicht wird das Kind von diesen sogar zu Hause abgeholt. In Absprache mit der Kindergarten­lehrperson darf das Kind auch etwas von zu Hause mitbringen, was Geborgenheit und Vertrautheit bietet – etwa das Lieblingsplüschtier.

Es ist wichtig, mit der Kindergartenlehrperson das Gespräch zu suchen, wenn das Kind ohne Unterbruch über mehrere Tage nicht in den Kinder­garten will.

Weiter können Sie dem Kind vermitteln, dass der ­Kindergartenbesuch zwar nicht verhandelbar ist, aber dass Sie sicher sind, dass es sich bald eingewöhnt und Freude am Kindergarten haben wird. Auf jeden Fall ist es wichtig, mit der Kindergartenlehrperson das Gespräch zu suchen, wenn das Kind ohne Unterbruch über mehrere Tage nicht in den Kinder­garten will. Vielleicht hat die Verweigerung einen Grund, den man beseitigen oder abmildern kann.

Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
sind Psychologen und leiten die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Die beiden eint der Wunsch, dass Kindergarten und Schule Orte sind, wo sich Kinder, Eltern und Lehrpersonen wohl fühlen und voneinander lernen können.

Alle Artikel von Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund

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