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Wie man sich von negativen Prägungen lösen kann

Aus Ausgabe
10 / Oktober 2025
Lesedauer: 2 min
Psychotherapeutin Felizitas Ambauen liefert eine Anleitung in vier Schritten, die Eltern dabei helfen soll, sich von negativen Prägungen zu verabschieden.
Zusammengestellt von Seraina Sattler

Bild: Rita Palanikumar / 13 Photo

1. Prägung bewusst machen

Als Erstes muss man sich der Prägung bewusst werden. Das gelingt am besten, indem man sich mit entsprechender Literatur oder Podcasts auseinandersetzt.

2. Muster erkennen

Dann kommt der Teil der Selbstbeobachtung. Man versucht, Muster zu erkennen. Man kann sich zum Beispiel Notizen machen, in welchen Situationen welche Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen immer wieder auftauchen. Auch das kann man zum Teil ohne Fachperson tun. Da die Muster aber unbewusst ablaufen, kann es sein, dass man einige ohne Aussensicht nicht entdeckt.

3. Glaubenssätze verstehen

Danach geht es darum, zu verstehen, wie diese Glaubenssätze und Schemata entstanden sind. Dafür geht man zurück in seine Kindheit. Man lernt zu verstehen, warum einem die Verhaltensweisen, die heute manchmal so wenig hilfreich erscheinen, als Kind genutzt haben. Dass man sich zum Beispiel immer geduckt hat, wenn Streit drohte, weil man den übermächtigen Eltern oder dem Geschwisterkind nur so entkam. Heute ist es nicht mehr hilfreich, wenn man in der Partnerschaft jeden Streit vermeidet oder im Job immer in Deckung geht.

4. Prägung umstrukturieren

Zuletzt kommt der spannendste und schwierigste Teil: Man überlegt, wie man lieber reagieren möchte. Welche Glaubenssätze man dafür hinterfragen und umformulieren sollte. Und man beschäftigt sich mit seinen Bedürfnissen. Mit dem Verstehen der Muster sind diese noch längst nicht verändert. Man muss viel üben und ausprobieren – und sollte nicht zu viel erwarten. Prägungen aus der Kindheit umzustrukturieren, kann Monate oder sogar Jahre dauern.

Wie das historische Umfeld prägt

Wie mit Kindern umgegangen wird, hat sich historisch gesehen gewandelt. Sehr lange hatten Kinder hierzulande die Aufgabe, zum Wohlergehen der Familie beizutragen. «Das änderte sich erst im 18. und 19. Jahrhundert durch die Aufklärung», erläutert Bildungsforscherin Kira Ammann von der Universität Zürich. «In der Folge entwickelte sich die Idee, dass es eine Erziehung braucht, damit der Mensch gross wird.»

Gemäss der damaligen Vorstellung waren Kinder roh und wild und mussten von Erwachsenen gezüchtigt werden. Lange prägten auch religiöse Vorstellungen das Aufwachsen. Man ging davon aus, dass Babys mit einer Erbsünde belastet auf die Welt kommen.

Die Annahme, dass Kinder von Grund auf böse sind, führte nach dem Zweiten Weltkrieg auch zur schwarzen Pädagogik: Die Generation der Kriegskinder erzog ihren eigenen Nachwuchs tendenziell mit Strenge. In den 1950er- bis 1970er-Jahren warnten Kinderärzte die Mütter, ihre Babys würden sie um den Finger wickeln, und empfahlen, man solle sie auch mal schreien lassen.