Volksschule: Bildung für alle
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Eine Schule für alle

Lesedauer: 4 Minuten

Eine starke Demokratie baut auf eine starke Volksschule. Umso wichtiger ist es, dass Lehrpersonen und Eltern vertrauensvoll zusammenarbeiten und anstehende Herausforderungen in Angriff genommen werden.

Text: Sandra Locher Benguerel
Bild: Pexels

Dieses Jahr feiern wir ein besonderes Jubiläum: Die Volks­schule wird 150 Jahre­ alt! Durch die Verankerung einer obligatorischen Schulbildung in der Bundesver­fassung wurde 1874 der Grundstein für die Volksschule gelegt, wie wir sie heute kennen. Anfänglich waren die Zustände an den öffentlichen Schulen jedoch alles andere als erfreulich. So besuchten beispielsweise bis zu 100 Kinder eine Klasse und Lehrer mussten einer Nebenbeschäftigung nachgehen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.

Doch eines war schon damals gegeben: Die Volksschule orientiert sich an den gesellschaftlichen Bedürfnissen. Der Anspruch «Bildung für alle» legt den Boden für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes, und dies mit einer flächendeckenden Qualität. Seit 150 Jahren steht die öffentliche Volksschule also im Auftrag der Gesellschaft und setzt die hohen Qualitätsansprüche um.

Die Aufgabe der Volksschule

Ein hohes Bildungsniveau ist in vielerlei Hinsicht das Fundament unserer Gesellschaft: Es ist notwendig für eine funktionierende Demokratie und den sozialen Zusammenhalt. Denn eine starke Demokratie baut auf eine starke Volksschule. Insbesondere in einer zunehmend ­pluralistischen und globalisierten Gesellschaft gewinnt die Volks­schule als Ort der Sozialisierung und Vermittlung gemeinsamer Werte an Bedeutung. Auf ihr fussen der wirtschaftliche Erfolg und der Wohlstand unseres Landes.

Das Allerwichtigste: Die Volksschule stärkt jeden einzelnen Menschen und ermöglicht den Kindern und Jugendlichen Zukunftsaussichten auf ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben. Sie sorgt dafür, dass junge Menschen in die Gesellschaft hineinwachsen und selbst Verantwortung übernehmen können.

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass sich die Schulpflicht erst durchsetzen konnte, als die Eltern in der Bildung einen Sinn und eine Notwendigkeit erkannten. Von Beginn an war klar, dass die Schule die Kinder nicht allein erziehen kann. Kinder und Jugendliche lernen und leben zu Hause, in der Schule und in ihrer Freizeit. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag war damit schon immer eine Gemeinschaftsaufgabe und ist es bis heute geblieben. Die Werte, welche in der Schule gelebt werden, werden idealerweise im familiären Umfeld der Kinder geteilt oder zumindest respektiert. Neben der Schule mit ihrem rechtlich abgestützten Erziehungs- und Bildungsauftrag sind primär die Eltern für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich.

Beziehung Elternhaus – Schule

Eltern und Schule haben dasselbe Ziel, sie setzen sich für das Wohl­ergehen der Kinder ein. Eine gut funktionierende Zusammenarbeit ist für ihren Lernerfolg und ihr Wohl entscheidend. Dieser Zusammenhang ist durch viele Studien belegt. Für Kinder und Jugendliche ist die Erfahrung, dass Eltern und Lehr­personen sich gemeinsam um sie kümmern, sie fördern und fordern, sehr bedeutsam. Mit dem Wandel der Schule verändert sich auch die Art und Weise der Zusammenarbeit laufend.

Wichtig scheint mir, dass die gegenseitigen Erwartungen, Verantwortlichkeiten und Rollen geklärt werden. Dabei ist klar, dass Erziehungsberechtigte und Schule aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Kind blicken. Die Basis einer gelingenden und vertrauensbildenden Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitigem Interesse, von Verständnis, Wertschätzung, Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit. Zentral ist auch, dass Eltern über die Form der Zusammenarbeit und Zuständigkeiten informiert sind. Dazu ­zählen vielseitige Informations-, Gesprächs- und Begegnungsmöglichkeiten sowie unterschiedliche Mitwirkungsformen.

Ich habe als Lehrerin die Erfahrung gemacht, dass offene Türen sehr wirksam sein können.

Kommunikation ist das A und O

Eine aktiv gestaltete Zusammenarbeit bildet die Grundlage für die zielführende Lösungsfindung. Deshalb bildet eine transparente Information die Vertrauensbasis für die Koordination von pädagogischen Massnahmen zwischen Schule und Elternhaus. Ohne diese können anspruchsvolle Situationen nicht erfolgreich bewältigt werden.

Darüber hinaus habe ich als Lehrerin die Erfahrung gemacht, dass offene Türen sehr wirksam sein können. Mit dieser Haltung signalisiere ich Eltern meine Gesprächsbereitschaft, und Missverständ­nisse können im niederschwelligen Austausch rasch geklärt werden. Besonders bedeutsam ist die Zusammenarbeit an den Übergängen der verschiedenen Schulstufen. Für mich als Päda­gogin ist klar, dass das betroffene Kind einbezogen und mit am Tisch sitzen muss, wenn gemein­same Vorgehensweisen und Haltungen abgesprochen werden. Denn entscheidend für den Erfolg ist die Kommunikation im Dreieck zwischen Eltern, Lehrperson und Schülerin oder Schüler.

Gerade mit der zunehmenden kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft und dem erhöhten gesellschaftlichen Erwartungsdruck an den Bildungserfolg der Kinder sind die Kontakte zwischen Lehrpersonen und Eltern intensiver geworden. Deshalb gehören Auseinandersetzungen mit Eltern zu den belastenden Faktoren im Schulalltag. Kommt es zu solchen Konfliktsituationen, sind fachlicher Support und unabhängige Gesprächsleitende in der Rolle als Mediatoren hilfreich.

Um die gemeinsamen Werte und das gemeinsame Wissen noch zu stärken, sollte aus meiner Sicht die Elternbildung und -beratung aus­gebaut werden. Insbesondere der Umgang mit den digitalen Medien und die grosse Durchlässigkeit unseres Bildungssystems sind Themen, die es Eltern näherzubringen gilt.

Schule muss dynamisch bleiben

Auch 150 Jahre nach Einführung der Schulpflicht bleibt die Diskussion um unsere Volksschule dynamisch, denn diese muss immer wieder von Neuem auf die veränderten gesellschaftlichen Realitäten reagieren. So müssen wir darüber reden, in welchem Rahmen Schule heute organisiert wird, um den veränderten gesellschaftlichen und familiären Bedürfnissen gerecht zu werden. Gerade mit dem zunehmenden Bedarf an Tagesstrukturen übernehmen Schulen vermehrt Betreuungs- und Erziehungsaufgaben.

Aber wir müssen auch darüber diskutieren, was wir tun können, um die Bildungsgerechtigkeit an unseren Schulen zu verbessern, damit die jungen Menschen ihre individuellen Potenziale besser entfalten können. Denn es ist eine traurige Realität, dass unser Land in Bezug auf Bildungschancen nach wie vor schlecht abschneidet.

Ich bin eine überzeugte Verfechterin unserer Volksschule. Wir müssen alles daran setzen, dass sie stark bleibt. Seit 150 Jahren ist es das Ziel, den Kindern und Jugendlichen den bestmöglichen Unterricht zu garantieren. Tun wir das auch in Zukunft gemeinsam, so unterstützen wir die jungen Menschen auf ihrem Lebens- und Bildungsweg am besten.

Sandra Locher Benguerel
ist Lehrerin an der Stadtschule Chur, Mitglied der Geschäftsleitung des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, Vizepräsidentin der Pädagogischen Hochschule Graubünden sowie Nationalrätin.

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