Kleinkind: Ständiger Konflikt zwischen Nähe und Autonomie
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«Kleinkinder sind im Konflikt zwischen Nähe und Autonomie»

Lesedauer: 2 Minuten

Wie können Eltern ihr Kind im Trotzalter dabei unterstützen, mit seinen starken Emotionen umzugehen? Und wann ist es reif für den Kindergarten? Ein Gespräch mit Entwicklungspädiaterin Lena Pfender.

Interview: Stefanie Wolff-Heinze
Bild: Adobe Stock

Frau Pfender, ab zwei Jahren verwandeln Kinder sich in Drama-Queens und Wutzwerge. Welche Entwicklungsschritte durchlaufen sie in dieser Phase?

Die meisten Zweijährigen erkennen sich selbst im Spiegel. Das «Ich» hat sich am «Du» entwickelt. Der eigene Wille ist entdeckt. Es ist die Zeit des sich immer wieder «Aus-dem-sicheren-Hafen-Lösens», um die Welt zu erkunden und den eigenen Impulsen nachzugehen. Kleinkinder sind in ständigen Autonomie-Abhängigkeits-Konflikten. Einerseits fühlen sie sich klar zu ihren Bezugspersonen zugehörig und suchen aktiv ihre Nähe und Unterstützung. Andererseits verspüren sie starke Selbstständigkeitsbestrebungen. Die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse aufzuschieben und zu verstehen, dass das Gegenüber eine andere Perspektive hat, reift erst heran.

Emotionen und Verhalten sind zudem stark vom Temperament und Entwicklungsprofil als auch von Einflüssen wie Tageszeit, Hunger, Familiendynamik und von den Selbstregulationsfähigkeiten im Umgang mit Emotionen wie Wut, Ekel und Schuld abhängig. Eltern überschätzen die sozioemotionalen Kompetenzen ihrer Kinder oft und überfordern sie damit unwissentlich. Trotzen, Bocken und Drama können auch darauf hindeuten, dass ein Kind vor Anforderungen gestellt wird, die nicht alters- oder situationsadäquat sind: Beispielsweise, wenn es auf dem Spielplatz darauf achten soll, das schicke Kleidchen nicht schmutzig zu machen.

Wie kann man ein Kind in diesem Alter am besten unterstützen?

Selbstbestimmtes Verhalten gehört zur normalen Entwicklung dazu und folgt einem wichtigen Entwicklungsziel: Die eigenen Ideen zu erkennen und zu verteidigen. Sich dessen bewusst zu sein, ist sicher hilfreich, um diese Phase besser akzeptieren zu können. Ebenso, dass Kinder es prinzipiell gut machen und mit anderen gut haben wollen.

Lena Pfender ist Oberärztin in der Abteilung für Entwicklungspädiatrie des Kantonsspitals Winterthur (Bild: zVg)

Wenn Kinder mit ihren Emotionen überfordert sind, erfüllen Eltern mit ihrer inneren Haltung und Präsenz eine wichtige Doppelrolle, die das Wort «Halt» schön beschreibt: Einerseits zeigen sie Grenzen, möglichst ohne das Kind dabei abzuwerten oder ihm eine fixe Rolle wie die der Drama-Queen zuzuschreiben. Andererseits spenden sie emotionale Sicherheit, Trost, Verständnis und mildern die starken Gefühle ab, indem sie diese mit ihnen aushalten.

Ab wann ist ein Kind bereit für den Kindergarten?

Es sollte sich für ein paar Stunden von den Eltern lösen, sich von anderen trösten lassen und kleinere Alltagverrichtungen selbständig erledigen können. Im Kindergartenalltag ist es zudem wichtig, Regeln für ein gutes Miteinander zu verstehen und zu befolgen. Es sollte auch in der Lage sein, kurz zu warten und sich auf kleinere Arbeiten am Tisch einzulassen. Allerdings darf man nicht unterschätzen, was ein Kind durch das Gruppensetting und erfahrene Kindergartenlehrpersonen erlernen kann.

Erfahrungen in Kitas, Spielgruppen etc. sowie vielfältige soziale Erfahrungen mit kurzen Trennungen von den Eltern sind ebenfalls sehr hilfreich. So kann es sich als Teil einer Gruppe erleben und positive Erfahrungen mit anderen Betreuungspersonen sammeln. Auch würde ich allen Eltern raten, ihr Kind viel selbständig ausprobieren zu lassen und mit ihm über seine Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Wenn ein Kind in einem Entwicklungsbereich wie Sprache oder Bewegung gemessen an seinem chronologischen Alter jünger wirkt, sollten Eltern ihre Bedenken frühzeitig mit der Kinderärztin bzw. dem Kinderarzt besprechen: Es gibt im Kleinkindalter gute Fördermöglichkeiten sowie angepasste Kindergartensettings, die mehr Unterstützung bieten. Diese müssen jedoch vorbereitet werden.

Kosmos-Kind-Vortrag: Die sozioemotionale Entwicklung des Kleinkindes

Spannende wissenschaftliche Hintergründe und Empfehlungen zu diesem Thema bietet der «Kosmos Kind»-Vortrag «Bocken, Trotzen, Drama: die sozioemotionale Entwicklung des Kleinkindes» von Dr. Lena Pfender am 28. Januar 2025, 18.30 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich. 

Tickets gibts hier.

Abonnentinnen und Abonnenten von Fritz+Fränzi profitieren von einem Ticket-Rabatt von je 10 Franken. Promocode: kosmoskind-25 

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, hat mit der «Akademie. Für das Kind. Giedion Risch» den exklusiven Vortragszyklus «Kosmos Kind» lanciert. Ausgewiesene Expertinnen und Experten greifen unterschiedliche Aspekte der Kindheit auf und vermitteln diese alltagsnah und verständlich.

Stefanie Wolff-Heinze
ist Kommunikationsverantwortliche bei der «Stiftung.Für das Kind». Die Politologin ist auch Mitglied der Geschäftsleitung.

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