Unser Sohn, 13, möchte sich vegan ernähren. Wir sind eine fünfköpfige Familie und essen alle «normal». Müssen wir jetzt wirklich für ihn etwas anderes kochen? Wir haben uns erkundigt; die vegane Küche ist ja nicht gerade einfach.
Peter, 48, und Claudia, 41, Dagmersellen LU
Das sagt unser Expertenteam dazu:
Stefanie Rietzler
Es wäre ziemlich aufwendig, jeweils separat für ihn zu kochen. Vielleicht finden Sie aber für die gängigsten Gerichte Ihrer Familienküche einen Kompromiss mit Ihrem Sohn (z. B. vegane Beilagen, Saucen separat bereitstellen usw.) Für diesen zusätzlichen Aufwand haben Sie als Eltern auch ein wenig Entlastung verdient: Wie wäre es, wenn Ihr Sohn einmal pro Woche einkauft und für die Familie ein veganes Menü kocht? Vielleicht können Sie vegane Gerichte, die allen schmecken, in Ihr Repertoire aufnehmen. Dabei wird sich mit der Zeit auch zeigen, wie ernst ihm sein Anliegen ist.
Nicole Althaus
Das Problem kenne ich. Meine Tochter hatte auch eine vegane Phase. Mir scheint, das ist der heutige Ersatz für die Abgrenzung via Punkfrisur. Ich habe ihr gesagt, dass ich durchaus bereit bin, vegane Lebensmittel zu kaufen, aber dass ich keine Zeit habe, daraus köstliche Menüs zu zaubern – das müsse sie schon selber tun. Das hat sie auch getan. Aber nicht sehr lange. Heute ist sie Vegetarierin. Das ist weniger zeitraubend und gesellschaftskompatibler.
Peter Schneider
Entweder ist eine Mahlzeit vegan (oder halal oder koscher), oder sie ist es eben nicht. Insofern eignet sich vegane Ernährung schlecht für Kompromisse. Der Wunsch Ihres Sohnes ist legitim; aber ebenso legitim ist Ihre Abneigung, sich entweder seinen Ernährungsvorstelungen ganz anzuschliessen oder für ihn separat zu kochen. Ein Minimalkompromiss könnte so aussehen: Sie kaufen ein veganes Kochbuch, Ihr Sohn muss sich ein paar Sachen selber zubereiten und sich mehr am Einkauf beteiligen (ich meine nicht finanziell), und sie selber versuchen, vegane Teilmahlzeiten in Ihre Menüs einzubauen. Vielleicht funktioniert dieses Patchwork-Prinzip.
Nicole Althaus, 49, ist Chefredaktorin Magazine, Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert und geleitet und war Chefredaktorin von «wir eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 18 und 14 Jahren.
Stefanie Rietzler ist Psychologin, Autorin («Erfolgreich lernen mit ADHS») und leitet die Akademie für Lerncoaching in Zürich. www.mit-kindern-lernen.ch
Peter Schneider, 59, arbeitet als Psychoanalytiker und Kolumnist in Zürich. Bis 2017 war er Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie in Bremen; zurzeit lehrt er Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
Haben Sie auch eine Frage?
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten IHRE Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern. Schreiben Sie eine E-Mail an: redaktion(at)fritzundfraenzi.ch
Dieser Artikel gehört unserem Online-Dossier zum Thema Ernährung. Was ist dran an Ernährungstrends? Wie können Eltern Ihre Kinder heute gesund und ohne Hysterie ernähren?