Ein Epischer!» – «Edgar ist so no skill.» Ein typisches Gespräch unter 12-Jährigen, auf Schulhöfen, im Bus, vor dem Fussballtraining, im Kinderzimmer. Die Rede ist von Brawl Stars. Wenn man sich so umschaut, dann scheinen Kinder zwischen 11 und 13 ständig Brawl Stars zu spielen. Das heisst, sie bewegen kleine comicartige Figuren, die Brawler, schiessenderweise durch eine Art Labyrinth und das in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit.
Laut der finnischen Firma Supercell, aus deren Hause Brawl Stars stammt, wurde die App seit ihrer Einführung im Jahr 2018 mehr als 1,3 Milliarden Mal heruntergeladen. Allein im ersten Halbjahr 2025 waren es 26,85 Millionen Downloads weltweit. 2024 war Brawl Starts 149 Tage auf Platz 1 der Mobile Game App Store Charts, berichtet Frank Keienburg, General Manager von Supercell, nicht ohne Stolz.
Brawl Stars ist ein sehr niedrigschwelliges, unkompliziertes Spiel, das man kostenlos herunterladen kann.
Michael Gurt, Medienpädagoge
Kurzweilig, lustig, einfach
Was steckt hinter der Faszination? «Es ist einfach ein sehr gut gemachtes Spiel», sagt Marek Brunner, Leiter Prüfverfahren von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, der USK, die Spiele auf ihre Altersempfehlungen hin prüft. Kurzweilig, lustige Spielfiguren, einfach zu bedienen und Multiplayer-Runden, die zwischen den Kindern verbindend wirken, fasst er die Vorteile des Handy-Games zusammen.
Vor allem die schnellen, kurzen Runden von drei bis fünf Minuten eigneten sich dazu, das Spiel zwischendurch zu spielen, im Bus etwa oder auf der Schulhaus-Toilette. Und eben noch mal eine Runde dranzuhängen und noch eine und noch eine.
Knuddel-Faktor einiger Brawler
«Es ist ein sehr niedrigschwelliges, unkompliziertes Spiel, das man kostenlos herunterladen kann», sagt auch der Medienpädagoge Michael Gurt vom JFF Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis über Brawl Stars. Das sei gerade für Kinder, die wenig oder kein Taschengeld haben, ein Argument. Hinzu komme der «Knuddel-Faktor», wie er es nennt, die Niedlichkeit zumindest einiger Brawler.
Die Spielfiguren sammelt man mit jeder erfolgreichen Spielrunde und regelmässig gibt es Verlosungsaktionen, bei denen man mit etwas Glück seltene – im Spieljargon «legendäre», «mythische» oder «epische» – Brawler erhält.
Brawl Stars bietet die richtige Balance zwischen Frust und Lust – das, worauf es bei jedem Game ankommt.
Marek Brunner, Leiter Prüfverfahren der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
Für Eltern mag das verwirrend wirken, kann man doch in jeder Runde immer nur eine Figur einsetzen. Aber es geht vielmehr um den Sammeleffekt. Vielleicht kein Zufall, dass frühere Pokémon-Fans nun begeistert nach Brawlern jagen. Dass die Entwickler von Supercell immer wieder neue Charaktere und Updates auf den Markt bringen, sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor, so Michael Gurt.
Ein gigantisches Universum
Das ist auch für Supercell-Chef Keienburg der Hauptgrund für den Erfolg des letzten Jahres: «Wir sind 2018 mit 20 Entwicklern gestartet und haben jetzt 60 allein für Brawl Stars. Da hat man viel mehr Möglichkeiten, auf Wünsche der Spieler einzugehen und immer neue Brawler, Skins und Spielmodi auf den Markt zu bringen.»
«Dass das Spiel gerade den dritten, vierten oder fünften Frühling erlebt, ist kein Zufall», weiss Marek Brunner. Brawl Stars biete die richtige Balance zwischen Frust und Lust – das, worauf es bei jedem Game ankomme: Wie lange ist es motivierend genug und nicht zu frustrierend? Doch der Erfolg von Brawl Stars liegt nicht nur in den Downloadzahlen der App.
Das Spiel ist mittlerweile zu so einer starken Marke geworden, dass es eine Art Brawl-Stars-Universum gibt, mit Streamern, denen man beim Spielen zuschauen kann und mit denen man sich über Social Media austauschen kann. Eine Szene, zu der man sich zugehörig fühlt, so Michael Gurt.
Niedliche Spielfiguren zum Sammeln, man kann gratis am Spielspass teilhaben und spielt nicht alleine vor sich hin, sondern kann sich mit seinen Freunden online treffen: So weit, so harmlos?
In-App-Käufe als Einnahmequelle
Natürlich hat die finnische Firma Supercell die 60 Spieleentwickler nicht auf ehrenamtlicher Basis eingestellt, sondern möchte mit dem Game Geld verdienen. Da die App kostenlos ist und auch werbefrei, bleiben die In-App-Käufe als Einnahmequelle. Wie wichtig sind diese für den Spielspass, und besteht die Gefahr, dass die Kids in eine Kostenfalle tappen und ihr ganzes Sackgeld auf den Kopf hauen?
Das sei etwas, das Eltern auf jeden Fall mit ihren Kindern besprechen sollten, so Gurt: «Am besten geht das, wenn man mit den Kindern gemeinsam überlegt, wie die Unternehmen ihr Geld verdienen und dass Spieleentwickler wollen, dass man so viel Zeit wie möglich online verbringt.»
Wenn Kinder vom Digitalen komplett ferngehalten werden, haben sie keine Chance, die Regeln des Digitalen zu erlernen.
Michael Gurt, Medienpädagoge
Die Spielenden sollen den Überblick gezielt verlieren
Die Schwelle zu den In-App-Käufen ist bei Brawl Stars bewusst niedrig gehalten, es sind keine grossen Beträge, die fällig sind. Man kann all das kaufen, was man sich mit Geduld auch erspielen kann, also: Skins, Brawler und ausserdem «Ruhm».
Wie viel Geld man wofür ausgibt, ist indes nicht ohne Grund kompliziert gemacht durch spieleigene Währungen, so Gurt: «Die Spielenden sollen den Überblick verlieren und so mehr ausgeben, als sie eigentlich wollten.» Darüber sollten Eltern auf jeden Fall mit ihren Kindern sprechen.
Auch wenn der erste Impuls bei Eltern sein mag «so einen Quatsch machst du nicht», sollten Eltern die Investitionen nicht radikal verbieten, sondern die Kinder dafür ihr Taschengeld einsetzen lassen, so Gurt: «Kinder müssen lernen, mit ihrem Geld umzugehen.» Das habe schliesslich einen Lerneffekt.
Macht das Spiel süchtig?
Eine andere Sorge, die viele Eltern haben: Macht das Spiel süchtig? Der Verdacht liegt nahe, wenn die Kinder in jeder freien Minute ihr Handy zücken oder sich nahezu alle Gespräche mit Freunden darum drehen. Die Altersfreigabe für Brawl Stars wurde nicht ohne Grund von der USK von sechs auf zwölf Jahre hochgestuft, erklärt Marek Brunner.
Hierfür habe sich die USK das Belohnungssystem und vorhandene Spielmechaniken auf ihre Wirkung auf die Spielenden angeschaut, besonders die In-App-Käufe seien ein Grund für die Alterseinstufung gewesen. Es gehe auch immer um die Frage: «Ab welchem Alter sind Kinder in der Lage, die eingesetzten Mechanismen zu durchschauen und die Inhalte zu verkraften, ohne dass ihre Entwicklung dadurch negativ beeinflusst wird?»
Tipps für einen entspannten Umgang mit Brawl Stars
Michael Gurt zählt einige Dinge auf, die bei Brawl Stars zum immer weiter Spielen anregen: So gebe es Belohnungen für das tägliche Einloggen oder für eine bestimmte Anzahl an Spielrunden am Tag. Wie solche Mechaniken funktionieren, sei ein Thema, das Eltern mit ihren Kindern besprechen sollten, rät Gurt. Auf jeden Fall sollten Eltern dafür sorgen, dass Push-Nachrichten bei Brawl Stars abgeschaltet sind, denn sonst gibt es ständig Aufforderungen zum Spielen: «Zwei deiner Freunde sind grad online.»
Ab wann sollten Eltern sich Sorgen machen? Wenn Spiele den ersten Platz im Tag einnehmen und andere Hobbys nicht mehr interessant sind, antwortet Marek Brunner. Brawl Stars sollte nur ein Hobby sein – und nicht das einzige. Gerade in der Anfangszeit, wenn Kinder das Spiel neu entdecken, sei es aber bis zu einem gewissen Grad normal, dass die Kinder nichts anderes im Kopf haben.
Worauf Eltern achten sollten
- In-App-Käufe: nur nach Rückfrage, klare Regeln fürs Sackgeld aufstellen
- Push-Nachrichten ausschalten
- Fremd-Chats in den Einstellungen deaktivieren
- Mit den Kindern über die Belohnungsanreize und Marketingmechaniken sprechen
- Kindersicherungen nutzen, um die Medienzeit zu steuern
- Keine Spielrunden direkt vor dem Schlafengehen
- Mit den Kindern austauschen und selbst spielen, um ihre Interessen zu verstehen
- Genau hinschauen, wenn andere Hobbys uninteressant werden und sich alles nur noch um Brawl Stars dreht
Ausserdem, so stellt er klar, sollten Kinder nicht mehrere Stunden am Stück zocken und nicht spätabends vor dem Schlafengehen. Von pauschalen Verboten hält er nichts. «Dann spielen die Kinder ohne Sicherheitsnetzwerk bei anderen Kindern zuhause.» Wenn Kinder vom Digitalen komplett ferngehalten werden, haben sie keine Chance die Regeln des Digitalen zu erlernen.
Mit dem Kind ins Gespräch kommen
Michael Gurt rät Eltern dazu, sich für das Hobby ihrer Kinder zu interessieren, auch wenn sie die Begeisterung für Brawl Stars nicht teilen. Nur wenn man sich interessiere, könne man auch ins Gespräch kommen – und die Kinder auf Risiken hinweisen, wie zum Beispiel, dass im Multiplayermodus und Chat bei Brawl Stars auch unerwünschte Kommentare oder Kontaktanbahnungen kommen könnten.
Dieses Risiko können Eltern übrigens ausschalten, indem sie den Chat mit Fremden deaktivieren. Auf der Website von Supercell können sich Eltern einen Überblick verschaffen, welche Kindersicherungen es gibt. Sich die Elternseite einmal anzuschauen, dazu rät auch Supercell-Chef Keienburg, der selbst dafür plädiert, die Spielzeit einzugrenzen, denn das Spiel sei nicht dazu gemacht, stundenlang am Stück gespielt zu werden.
Die 5 beliebtesten Brawler (Spielfiguren)
- Mortis: bewegt sich sehr schnell und hat einen risikoreichen Spielstil (Assassinen-Typ)
- Crow: greift mit Giftmessern an, schnell und schwer zu fassen
- Piper: grosser Schaden bei guter Zielgenauigkeit; Sniper mit Stil
- Shelly: Starterfigur, schnell, stark und leicht zu steuern, perfekt für den Einstieg
- Edgar: springt Gegnern direkt an den Kragen (dynamischer Kampfstil), heilt sich selbst, braucht keine Übung
Jedes Kind hat seine Lieblingsbrawler: Einfach nachfragen und das Kind erzählen lassen. Viel Spass!








