Hilfe, unsere Tochter kann nicht mehr allein einschlafen!
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Hilfe, unsere Tochter kann nicht mehr allein einschlafen!

Lesedauer: 5 Minuten

Eine Mutter ruft beim Elternnotruf an, weil ihre siebenjährige Tochter abends noch lange wach bleibt und dies die Familie belastet. Mit der Beraterin zusammen schafft es die Mutter, die Bedürfnisse zu klären und Druck aus der Situation zu nehmen.

Aufgezeichnet von Joëlle Amstutz
Bild: Pexels

Mutter: Guten Abend, könnte ich etwas mit Ihnen besprechen?

Beraterin: Ja, das können Sie gern. 

Mutter: Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll. Wir haben jeden Abend ein Riesen­theater mit dem Einschlafen. Unsere siebenjährige Tochter will oder kann einfach nicht mehr allein einschlafen. Kaum machen mein Mann und ich es uns gemütlich, steht unsere Tochter wieder auf, will Wasser trinken, sagt, sie könne nicht einschlafen, sie sei nicht müde. Das dauert oft bis um elf Uhr. Wir haben kaum noch Zeit für uns. 

Beraterin: Das tönt anstrengend!

Mutter: Ja, sehr. Am Anfang des Abends sind wir immer geduldig, aber je später es wird, desto genervter werden ich und mein Mann. Ich weiss ja, dass es nicht besser wird, wenn wir ungeduldig und laut werden, im Gegenteil, die Stimmung schaukelt sich noch weiter hoch und unsere Tochter kann noch weniger einschlafen. Oder sie schläft vor lauter Erschöpfung ein und ich habe ein total schlechtes Gewissen. 

Beraterin: Das ist ein typischer Zusammenprall von Bedürfnissen. Sie möchten den Tag abschliessen und sich mit Ihrem Mann einen ruhigen Abend gönnen. Ihre Tochter hingegen braucht Sie im Mo­ment etwas mehr als sonst. Ver­stehe ich Sie richtig, dass Sie sich in diesen Situationen machtlos und ausgeliefert fühlen?

Mutter: Genau. Wir nehmen uns jeden Tag vor, es besser zu machen. Mal sind wir strenger, mal verständnisvoller, aber am Ende landen wir immer wieder im gleichen Muster. Ich merke, dass ich langsam keine Energie mehr habe, ich bin enttäuscht und habe das Gefühl, alles falsch zu machen. 

Beraterin: Ich höre, dass Sie sich als Eltern sehr engagieren. Jeden Abend hoffen Sie, dass es besser geht, nun aber verlieren Sie langsam die Zuversicht, dass es besser kommt. 

Mutter: Ja, ich habe schon richtig Angst vor dem Abend. 

Beraterin: Das kann ich mir vor­stellen. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen? 

Mutter: Ja, gern.

Beraterin: Seit wann kann Ihre Tochter nicht mehr einschlafen? 

Mutter: Seit etwa drei Monaten.

Beraterin: Was denken Sie, hindert Ihre Tochter am Einschlafen?

Mutter: Ich habe das Gefühl, dass sie sich immer mehr reinsteigert. Sie will den Tag nicht loslassen, vielleicht will sie einfach dabei sein. Sie kann es selbst nicht sagen. Aber vielleicht steht dahinter auch die Angst, allein zu sein.

Beraterin: Was wäre in dem Gespräch mit mir hilfreich für Sie? 

Mutter: Wir haben schon so viel ausprobiert. Heute Abend wollten wir das Ganze nochmals mit ihr besprechen. Aber ich habe Angst, dass wir wieder streiten. Ich glaube, eigentlich würde ich gerne darüber reden, wie wir Eltern damit umgehen können.

Beraterin: Ich höre, dass Sie jeden Abend aufs Neue hoffen, dass es endlich klappt und dass das Thema endlich abgeschlossen ist. Mir kommt dazu eine Frage aus der Timeline-Methode in den Sinn, mit der wir manchmal eine neue Per­spektive anregen. Ist es okay für Sie, wenn ich sie stelle?

Mutter: Ja, gerne.

Beraterin: Angenommen, Sie schauen in einem Jahr auf diese Zeit zurück, wie werden Sie darüber denken?

Mutter: Hm, interessant, wahrscheinlich werde ich diese Zeit als schwierige Phase betrachten. 

Manchmal ist es hilfreich, das Ziel als Eltern genau zu definieren.

Joëlle Amstutz, Beraterin

Beraterin: Wie würde es sich anfühlen, wenn Sie sich schon ­heute vom Wunsch «Heute Abend muss es endlich klappen» lösen und das Thema als Phase oder als Prozess sehen würden?

Mutter: Das fühlt sich gleich leichter an! Das nimmt den Druck ein wenig raus. Wenn wir das Thema als Prozess betrachten und nicht mehr nur den einzelnen Abend, entlastet das schon.

Beraterin: Ja, es scheint, dass alle recht unter Druck sind. Gäbe es Möglichkeiten, sich als Paar zu entlasten und zu stärken, damit Sie diese Phase überstehen? 

Mutter: Wahrscheinlich würde es Sinn machen, uns beim Ins-Bett-Bringen abzuwechseln, damit nicht beide belastet sind. Das haben wir früher auch gemacht, als unsere Tochter kleiner war; das hat gut funktioniert. Und wir könnten jemanden organisieren, damit wir auch zusammen mal wieder aus­gehen können. Wir vergessen das immer wieder. 

Beraterin: Super, das tönt gut! In so belasteten Zeiten ist es wichtig, zu sich selbst zu schauen, sich selbst Gutes zu tun. Vielleicht bietet das Gespräch heute Abend die Gelegenheit, noch mehr Druck rauszunehmen. Manchmal ist es hilfreich, das Ziel als Eltern genau zu definieren und dann in der nächsten Zeit den Fokus auf die gelungenen Momente zu richten. Das könnte sich zum Beispiel so anhören: «Hey, wir finden, wir haben so ungemütliche Abende im Moment, wir werden nervös, du wirst nervös und am Schluss sind wir alle ganz unglücklich. Lass uns mal schauen, wie wir das besser machen können. Das Ziel ist klar: Dass wir alle wieder gemütliche Abende haben und du wieder entspannter einschlafen kannst. Komm, lass uns in der nächsten Zeit schauen, wann es besser geklappt hat.» Wie klingt das für Sie?

Mutter: Was mir gefällt, ist, dass sich meine Tochter bei so einer Ansage gar nicht zurückziehen muss. 

Beraterin: Genau, in so einer Ansage wird niemand beschämt und niemand muss sich zurückziehen. Dennoch stehen Sie für Ihre Bedürfnisse ein, vertreten Ihre eigene Haltung und nehmen gleichzeitig Ihre Tochter wahr. Beim nächsten Gespräch kann von den Abenden ausgegangen werden, an denen ein kleiner Schritt in Richtung Ziel erreicht wurde. Es können kleine Fähigkeiten, die schon ein bisschen erkennbar waren, hervorgehoben werden, im Sinne von: «Da hast du das geschafft, da warst du mutig und da so selbständig. Ah, da gab es eine kleine Ehrenrunde, aber die Richtung stimmt, du schaffst das.» So übergeben Sie Ihrer Tochter Verantwortung und trauen ihr auch etwas zu. Welche Fähigkeit müsste Ihre Tochter lernen, damit sie allein einschlafen kann? 

Mutter: Ich würde sagen, die Fähigkeit, allein oder mutig zu sein.

Beraterin: Wo hat sie diese Fähigkeit schon?

Mutter: Sie geht zum Beispiel allein einkaufen. 

Beraterin: Denken Sie, Sie könnten da anknüpfen? Und sie bestärken, indem Sie ihr zeigen, dass Sie an sie glauben und dass sie dies schaffen wird? 

Mutter: Ja, das klingt gut.

Elternnotruf

Bei Themen rund um den Familien- und Erziehungsalltag ist der Verein Elternnotruf seit 40 Jahren für Eltern, Angehörige und Fachpersonen eine wichtige Anlaufstelle – sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Die Beratungen finden telefonisch, per Mail oder vor Ort statt. www.elternnotruf.ch 

An dieser Stelle berichten die Berater aus ihrem Arbeitsalltag.

Beraterin: Vielleicht könnte es auch hilfreich sein, die Rollen zu tauschen: Dass Sie fünf Minuten nach dem Gute-Nacht-Sagen zu ihr gehen und sagen, dass alles gut ist und dass Sie in zehn Minuten nochmals vorbeikommen. Und dann nochmals nach zwanzig Minuten. So sind Sie selbst aktiv und fühlen sich weniger ausgeliefert. Denken Sie, das wäre eine Möglichkeit für Ihre Tochter, den Schlaf besser zuzulassen?

Mutter: Das werde ich gerne versuchen. Wenn ich noch etwas besprechen möchte, darf ich wieder anrufen?

Beraterin: Auf jeden Fall. Dafür sind wir da.

Joëlle Amstutz
arbeitet seit 30 Jahren als Lehrerin in unterschiedlichen Schulstufen. Parallel dazu absolvierte sie einen Bachelor in Psychologie und einen CAS in systemisch-lösungsorientierter Beratung. Die Mutter eines 16-jährigen Sohnes arbeitet seit vier Jahren beim Elternnotruf.

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