«In der Pubertät braucht es viel Fingerspitzengefühl»

Seit ihrer Trennung vor fünf Jahren pflegen Conny und Volker ein freundschaftliches Verhältnis und legen weiterhin Wert auf die Bedürfnisse aller Familienmitglieder und gemeinsame Zeit mit den Kindern.
Conny, 44, ist Organisationsentwicklerin und Coach und Volker, 44, ist Leiter Sustainable Finance in einer Bank. Ihre Söhne Titus, 12, und Basil, 10, werden zunehmend autonom.
Conny: «In meiner frühen Kindheit fühlte ich mich geborgen. Aber als ich acht war und meine Eltern sich trennten, brach die Sicherheit weg. Daher war es mir bei unserer Trennung wichtig, dass Titus und Basil die Orientierung bekommen, die mir als Kind gefehlt hat.
Volker und ich haben darauf geachtet, dass die Familie im Vordergrund steht. Als die Kinder klein waren, haben wir unsere eigenen Bedürfnisse oft zurückgestellt – und das war in dieser Phase auch richtig so. Nun haben sich die Bedürfnisse der Kinder verändert und es wird wieder wichtiger, den Raum für die Bedürfnisse aller Familienmitglieder zu finden.
Wenn ich heute mal Zeit für mich brauche, haben die Kinder grosses Verständnis dafür. Jetzt, da ich mir mehr Freiraum erlaube, freue ich mich umso mehr, wenn ich Zeit mit ihnen verbringen kann. Aber natürlich merke ich, dass sich unsere Bedürfnisse nicht immer decken. Heute möchten die Kinder auch mal etwas ohne mich machen. Und das ist auch gut so. Sie werden selbständiger und brauchen uns Eltern nun anders, als «sicheren Hafen» eher im Hintergrund.
Welche Rolle übernehmen wir als Eltern, wenn sich alles neu formen muss?
Conny, Mutter
Titus ist zwölf und möchte nun mehr Privatsphäre. Wenn er nicht mehr mit einer Umarmung geweckt werden will, schmerzt mich das zwar, aber ich merke: Das ist jetzt mein Bedürfnis, nicht seins. Das muss ich für mich verarbeiten. Er kommt dann von selbst, braucht aber erst mal diesen Raum. In der Pubertät braucht es auf jeden Fall viel Fingerspitzengefühl. Titus findet nun auch Halt bei seinen Freunden. Da kommen neue Fragen auf: Welche Rolle übernehmen wir als Eltern, wenn sich alles neu formen muss?»
Dialog bleibt wichtig
Volker: «Da ich sehr liebevoll erzogen wurde, glaube ich nicht, bei meinen Kindern etwas anders machen zu müssen. Mir ist einfach wichtig, als Vater authentisch zu sein. Wir achten als Eltern sehr darauf, die Kinder in ihren Bedürfnissen wahrzunehmen und sie in Entscheidungen einzubinden, damit sie sich gehört fühlen. Ich denke, das gelingt uns meist ganz gut.
Der Dialog mit Conny ist mir wichtig, um mein eigenes Verständnis von Erziehung mit ihr abzugleichen und den Kindern gegenüber konsistente Regeln und Erwartungen zu vertreten. Auch der Austausch mit meiner neuen Partnerin sowie engen Freunden und Bezugspersonen hilft mir, andere Perspektiven im Hinblick auf die Erziehung zu gewinnen und auch meine eigene zu hinterfragen.
Was meine eigenen Bedürfnisse angeht, versuche ich, diesen gerecht zu werden, stelle sie aber auch mal hinten an. Familie hat für mich hohe Priorität und es ist mir wichtig, die Kinder auf ihrem Weg zu unterstützen – ich merke aber auch, dass ich mich inzwischen hie und da etwas mehr zurückhalten könnte.
Dass die Jungs langsam ihren Radius vergrössern und eigene Meinungen vertreten, finde ich positiv – ich muss mich in mancher Hinsicht vielleicht einfach noch etwas daran gewöhnen. Mir wird auch zunehmend bewusst, wie unterschiedlich die beiden in ihren Persönlichkeiten sind. Ich hoffe, dass sie lernen, auf ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Mitmenschen zu achten.»