Wie stelle ich mich vor?

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Wie stelle ich mich vor?

Das Bewerbungsgespräch ist so etwas wie das Finalspiel auf dem Weg zur Lehrstelle. Vorbereitung ist gut, der Glaube an die eigene Person und Spontaneität sind aber mindestens so wichtig.
Text: Susanna Valentin und Stefan Michel

Bild: Gabi Vogt / 13 Photo

Auf der Suche nach einer Lehrstelle gehen die meisten ­Jugendlichen ihre ersten Schritte in der Erwachsenenwelt. Für viele ist es eine grosse Herausforderung, mit unbekannten Erwachsenen zu reden, sei es am Telefon, am Bildschirm oder – noch anspruchsvoller – im persönlichen Gespräch. Als ob das nicht genug wäre, müssen die jungen Menschen sich auch noch möglichst vorteilhaft präsentieren. Dass dabei nicht die gleichen Qualitäten gefragt sind wie unter Gleichaltrigen, haben sie gehört. Zu sehr verstellen sollten sie sich aber auch nicht.

Es geht um viel: um die Wunsch-Lehrstelle oder überhaupt um einen Lehrvertrag, wenn schon ein paar Absagen eingegangen sind. Das Resultat dieses obligatorischen Realitätschecks kann Ablehnung sein – das harte Verdikt, dass man nicht dem entspricht, was sich das Unternehmen wünscht.

«Mega nervös»

«Ich war wahnsinnig nervös», erinnert sich Jonas Henz. Dabei hatte er bereits im Unternehmen geschnuppert und dabei gute Rückmeldungen erhalten. «Man geht da rein und hat keine Ahnung, was auf einen zukommt.»

Dem jungen Mann kam entgegen, dass er Elektroniker lernen wollte (was er inzwischen auch tut), ein Beruf, in dem Lernende gesucht sind. «Aber ich hatte schon Konkurrenz und musste mich durchsetzen», betont er. Auch Rozafa Alushi, KV-Lernende bei der UBS, war vor ihrem ersten Bewerbungsgespräch «mega nervös», wie sie bekennt, «obwohl ich eine offene Person bin, auch Fremden gegenüber». 

Entspannte Atmosphäre schaffen

Vorbereitung hilft, sich weniger unsicher zu fühlen, schafft die Aufregung aber nicht aus der Welt. Alushi und Henz hatten sich beide im Vorfeld auf das Gespräch vorbereitet, sich erkundigt und überlegt, welche Fragen ihnen gestellt werden könnten und wie sie darauf antworten sollten.

Henz merkte aber, dass es ihn eher nervöser machte, das Gespräch bis ins Detail zu planen. «Ich habe mir dann gesagt, ich gehe einfach rein und schaue, was kommt.» Dieses Selbstbewusstsein ist viel wert, aber nicht allen gegeben.

Bei allem Bemühen um Authentizität bleibt es sinnvoll, sich mit dem Unternehmen zu beschäftigen, für das man sich bewirbt.

Den Rekrutierenden ist bewusst, dass die ideale Besetzung für die Lehrstelle vielleicht beim Bewerbungsgespräch nicht die kommunikativste ist – oder nervöser, als sie es aufgrund ihrer Qualitäten sein müsste. Diese Tatsache zeigt sich im Gespräch mit Personen, die Lehrstellenanwärterinnen und -anwärter zum Gespräch empfangen.

«Mit Fragen zu Familie und Hobbys versuchen wir das Eis zu brechen», sagt Daniel Kessler, der Jonas Henz im Bewerbungsgespräch kennengelernt hat und inzwischen ausbildet. Anja Vollenweider, die Rozafa ­Alushi rekrutiert hat, betont: «Ich versuche immer, eine möglichst entspannte und unterstützende ­Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Bewerbenden wohlfühlen und ihre Stärken zeigen können.» Die KV-Lernende hat positiv in Erinnerung, dass viele Fragen zu ihren inneren Werten gestellt wurden. «Das zeigte mir, dass sie an meiner Persönlichkeit und meiner Einstellung interessiert waren.»

Oft einheitliche Bewerbungsschreiben

Online und in der Ratgeberliteratur finden Lehrstellensuchende bandweise Informationen, was sie über sich sagen und schreiben sollen und was nicht. Und während sie das Bewerbungsgespräch alleine meistern müssen, können sie sich beim Dossier Hilfe holen. Deshalb gleichen sich viele stark.

«Bewerbungsschreiben sagen oft nicht viel aus», sagt Claudia Emmen­egger. Als Leiterin der Kinderkrippe Kibe Wädenswil stellt sie seit Jahren Lernende für den Beruf Fachperson Betreuung ein. Schreibe sie eine Lehrstelle aus, würde in der Regel ein Stapel einheitlicher Bewerbungsschreiben in ihrem Briefkasten landen. Einige schafften es, ihrer Bewerbungsmappe eine persönliche Note zu geben. Ob die Idee und die Ausführung tatsächlich von ihnen stammen, bleibe dabei aber offen, so Emmenegger. 

Entscheidend ist, ob wir sicher sind, dass der Kandidat zu uns passt und motiviert ist für den Beruf.

Daniel Kessler, Berufsbildner

Sich selbst bleiben

Das erhöht die Bedeutung des Gesprächs. Hier sichern sich viele ab, indem sie sich Antworten auf die üblichen Fragen überlegen oder sie gleich auswendig lernen. «Vergesst alles, was ihr vorbereitet habt, seid einfach euch selbst!», eröffnet Ralf Martin gern ein Bewerbungs­gespräch. Er ist der Verantwortliche für die Berufsbildung bei Endress + Hauser, wo Jonas Henz zusammen mit rund 80 weiteren seine Lehre absolviert.

UBS-Berufsbildnerin und Rekrutierungsperson Anja Vollenweider legt den Fokus beim Gespräch stärker auf Anschlussfragen, anstatt nur Fragen zu stellen, auf die sich Kandidatinnen und Kandidaten vorbereiten konnten. Zwar kämen auch auf Fragen wie «Kannst du mir eine Situation aufzeigen, wo und wie du ein Problem kreativ gelöst hast?» vorbereitete Antworten, aber immerhin müssten sie so von eigenen Erfahrungen berichten, sagt sie.

Auf diese Fragen sollten Sie eine ­Antwort parat haben

  • Gehen Sie gerne zur Schule?
  • Wie viel Zeit investieren Sie in die Hausaufgaben und das Lernen?
  • In Ihrer Bewerbung ist uns aufgefallen, dass (...). Dazu würden wir gerne mehr wissen, nämlich (...). Bereiten Sie sich auf Fragen zu Ihrer Bewerbung und Ihren Zeugnissen vor.
  • Warum wollen Sie diesen Beruf lernen?
  • Über welche anderen Berufsfelder haben Sie sich informiert?
  • Was wissen Sie über unser Unternehmen?
  • Was sind Ihre Stärken, was Ihre Schwächen? Überlegen Sie sich Schwächen, die für die Lehrstelle nicht schlimm sind, oder erklären Sie auch gleich, was Sie tun, damit diese Schwächen keine negativen Konsequenzen haben.
  • Warum sind Sie die/der Richtige für diesen Beruf und für unseren Betrieb?
  • Sind Sie ausdauernd? Packen Sie gerne mit an? Wie zeigt sich Ihre Teamfähigkeit? Belegen Sie Ihre ­Antworten mit Beispielen.
  • Was haben Sie in Ihren bisherigen Schnupperlehren erlebt?

Bei allem Bemühen um Authentizität bleibt es sinnvoll, sich mit dem Unternehmen zu beschäftigen, für das man sich bewirbt. Sich zu überlegen, weshalb man hier seine Lehre machen will, hilft auch, sich selber darüber klar zu werden, wohin die Berufswahlreise gehen soll. 

Viele Jugendliche erzählen, dass sie ihre Nervosität im Gespräch schnell abgelegt hätten. Selbstreflexion ist nie falsch, kann einen aber auch verunsichern. «Vielleicht habe ich etwas zu sehr betont, dass ich nicht gut im Französisch bin», ging es ­Jonas Henz durch den Kopf.

Sein Ausbildner Daniel Kessler winkt ab: «Das ist Standard. Französisch ist das Krisenfach praktisch aller Lernender in technischen Berufen.» In Berufen der Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie hätten ohnehin nur Lernende mit Berufsmatur Französisch in der Berufsschule, fügt er an.

Was wirklich zählt

Die Gespräche dauern in der Regel eine bis eineinhalb Stunden. Da kann die Konzentration auch einmal verloren gehen. Den Erwachsenen im Raum ist bewusst, wie anstrengend das für Jugendliche ist. «Wenn jemand eine Frage nicht beantworten kann, ist das kein Problem. Wir bieten auch an, eine kurze Pause zu machen», beschreibt Anja Vollenweider. Jonas Henz erzählt, er sei nach dem Gespräch fix und fertig gewesen, habe auch niemandem erzählen wollen, wie es gelaufen sei. 

Danach beginnt das Warten auf den Entscheid. Das kann gerade bei besonders begehrten Lehrstellen dauern. «Entscheidend ist unser Bauchgefühl – ob wir sicher sind, dass der Kandidat zu uns passt und wirklich motiviert ist für den Beruf», erklärt Daniel Kessler.

Eine überzeugende Bewerbungsmappe

10 Tipps

Warum Sie eine Onlinebewerbung zuerst an sich selbst schicken sollten – und wie Sie am besten den Überblick über Ihre Unterlagen behalten.
  1. Anschreiben, Lebenslauf und Motivationsschreiben sollten sich ergänzen und möglichst wenig überschneiden.
  2. Informieren Sie sich frühzeitig über das Bewerbungs­verfahren. Obligatorische Infoveranstaltung? Einsendeschluss für Bewerbungen? Gehört eine Schnupperlehre zum Bewerbungsverfahren? Werden Tests verlangt? Bevorzugt der Betrieb eine Bewerbung auf Papier, per E-Mail oder online?
  3. Geben Sie im Anschreiben präzis an, für welche Lehrstelle Sie sich bewerben.
  4. Informieren Sie sich über den Lehrbetrieb. Nehmen Sie in der Bewerbung Bezug auf Dinge, die Sie über den Betrieb wissen. Erklären Sie, was Ihnen daran gefällt.
  5. Die Schulnoten sind, wie sie sind. Es gibt nichts zu ­verbergen, aber vielleicht etwas zu erklären. Ausreden werden die Verantwortlichen des Lehrbetriebes aber nicht überzeugen.
  6. Schreiben Sie Ihre Bewerbung selber! Schreiben Sie in der Ich-Form und über sich. Warum wollen Sie diesen Beruf in diesem Betrieb lernen und warum sind Sie die richtige Person dafür?
  7. Führen Sie alle Dokumente zu einem einzigen PDF zusammen.
  8. Onlinebewerbung: Schicken Sie eine Testbewerbung an Ihre eigene Adresse. Lässt sich etwas optimieren? 
  9. Schlusskontrolle: Sind Firmenname, Adresse und Name der zuständigen Person korrekt geschrieben?
  10. Führen Sie für sich eine Liste der Bewerbungen: an wen geschickt, Name der zuständigen Person, was ist der Stand? Das ist wertvoll, wenn viele Bewerbungen parallel laufen und die Lehrbetriebe zurückrufen.

Für Rozafa Alushi sprachen laut Anja Vollenweider ihr starker Auftritt und ihre reflektierten Antworten. Beides Dinge, die sich Jugendliche nicht mal eben vor dem Bewerbungsgespräch aneignen können. Die Arbeit daran muss früher beginnen. Wenn es dann so weit ist, gilt es, an sich zu glauben. Und dies weiter zu tun, wenn am Ende doch eine Absage kommt. Sie bedeutet nur, dass es für diese Stelle nicht gereicht hat.