Teilen

1:0 für Papa trotz Mätschli-Massaker

Aus Ausgabe
12/01 Dezember/Januar 2025/2026
Lesedauer: 3 min

1:0 für Papa trotz Mätschli-Massaker

Unser Kolumnist hat nichts für Fussball übrig. Am Vatertag im Kindergarten seines Sohnes gibt er beim Eltern-Match dennoch sein Bestes. Am Ende hilft nur noch Pippi Langstrumpf.
Text: Lukas Linder

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Früher in diesem Jahr war Vatertag. Der Anlass birgt noch Entwicklungspotenzial. Jedenfalls hat es sich noch nicht durchgesetzt, dass die Kinder uns an diesem Tag mit Zigarren, Wein und Autozubehör überraschen. Dafür hatte der Kindergarten meines Sohnes eine originelle Idee: einen Fussballmatch. 

«Ich reise sofort ab», sagte ich zu meiner Frau, sah dann aber doch von einem Flug nach Kathmandu ab, da ich meinem Sohn die traumatische Erfahrung ersparen wollte, dass sein Vater beim Fussballmatch gekniffen hatte. Angesichts meiner spielerischen Fähigkeiten stellt sich jedoch die Frage, ob mein Fernbleiben nicht sogar weniger traumatisch gewesen wäre.

Es war passiert, was ich befürchtet hatte. Ich hatte mich zum Idioten gemacht.

Und da geschah es...

Der Himmel am Vatertag war von jenem trügerischen Blau, mit dem sich unheilvolle Ereignisse zu tarnen pflegen. Als ich die Sportwiese betrat, sah ich überall sich stretchende Väter in Vollmontur. Sie waren zwischen dreissig und vierzig Jahre alt und damit in dem Alter, wo der Körper bereits zu einem Fremden geworden ist und solche unschuldigen «Mätschli» in einem Massaker enden können.

Das Publikum, bestehend aus unseren Kindern und Partnerinnen, setzte sich am Spielfeldrand hin und los ging es. Schon nach wenigen Minuten gelangte ich in die Nähe des Balles. Und da geschah es. Beim Versuch, einen sogenannten Zuckerpass zu spielen, verlor ich das Gleichgewicht und fiel der Länge nach hin.

Gelächter im Publikum. Es war passiert, was ich befürchtet hatte. Ich hatte mich zum Idioten gemacht. Ich wagte nicht zu meinem Sohn zu schauen, der dort inmitten seiner Freunde sass, die alle Zeugen meiner Slapstick-Einlage geworden waren. 

Die Schmach tilgen

In der Folge setzte ich alles daran, meine Schmach zu tilgen. Tatsächlich kam ich immer besser ins Spiel, wobei mir zu Hilfe kam, dass immer mehr Väter mit Bandscheibenvorfällen und Leistenbrüchen ausscheiden mussten. Kurz vor Ende gelang mir gar ein Tor; ein herrlicher Heber über den kreischenden Torwart hinweg. Goal! Ich sah zum Spielfeldrand.

Dort stand mein Sohn und verkündete vollkommen ausser sich: «Mein Vater hat ein Tor geschossen!» Mission accomplished. Das traditionelle Vaterbild war wiederhergestellt. Jetzt konnte ich es getrost mit Pippi-Langstrumpf-Büchern und Playmobil Princess Magic unterlaufen.

Ich kann nicht verhindern, dass jemand mein Kind verletzt, indem er sich über mich lustig macht.

Zielscheibe des Spotts

Da hörte ich einen seiner Freunde zu meinem Sohn sagen: «Ja, aber vorher ist dein Vater auf die Fresse gefallen. Haha.» Ich hätte ihn erwürgen können, tat es jedoch nicht, da zu viele Zeugen anwesend waren. Stattdessen sah ich meinen Sohn. Er war untröstlich. Die ganze Freude über mein Tor war verschwunden; geblieben war nur der Schmerz darüber, dass sein Vater zur Zielscheibe des Spottes geworden war.

In diesem Moment verstand ich, dass es immer so sein wird. Ich konnte noch so viele Tore schiessen (theoretisch gesprochen), jedoch nicht verhindern, dass jemand mein Kind verletzte, indem er sich über mich lustig machte. Dafür brauchte ich nicht einmal auf die Fresse zu fallen.

Es genügte schon, dass mein Sohn mich liebte. Weil Kinder genau in der Liebe zu ihren Eltern am verletzlichsten sind. Vielleicht wird es besser, wenn er in die Pubertät kommt und sein Vater kein Held mehr für ihn ist, sondern einfach so ein nerviger Typ mit Haarausfall. Doch im Moment ist er in seiner Liebe völlig schutzlos. Völlig? Wirklich? Konnte man denn gar nichts tun? 

Das Spiel war zu Ende. Ich bahnte mir meinen Weg durch das Feldlazarett zu meinem Sohn und nahm ihn in die Arme. «Komm», sagte ich, «gehen wir nach Hause. Pippi Langstrumpf wartet auf uns.»