Entscheidungen treffen: «Aus Fehlern lernen wir am meisten»
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«Aus Fehlern lernen wir am meisten»

Lesedauer: 1 Minuten

Laut Entwicklungspsychologin Claudia Roebers beansprucht es all unsere kognitiven Reserven, damit wir gute ­Entscheidungen treffen.

Interview: Sandra Markert
Bild: Unsplash

Frau Roebers, Forschungen zeigen, dass auch Erwachsene oft keine guten Entscheider sind. Warum?

Für eine gute Entscheidung braucht es viele verschiedene kognitive Funktionen: Man muss das angestrebte Ziel im Auge behalten und unterdrücken, auf die erste Lösungsmöglichkeit zu springen. Es gilt sämtliche Für- und Gegen-­Argumente für einen Lösungsweg gleichzeitig im Kopf zu behalten und sich Zwischenschritte zum Ziel hin zu überlegen.

Dabei gilt es auch immer wieder innezuhalten und zu überlegen, ob man der Entscheidung auf diesem Weg wirklich näher kommt. Jeder einzelne dieser Informationsprozesse ist komplex, und dann muss man alles noch miteinander koordinieren. Das beansprucht all unsere kognitiven Reserven, oft über die Kapazitätsgrenzen hinaus.

Entscheidungen treffen: Expertin Claudia Roebers
Claudia M. Roebers leitet die Abteilung für Entwicklungspsychologie an der Uni­versität Bern. Die Professorin unterrichtet und forscht seit über 20 Jahren in den Bereichen motorische und kognitive ­Entwicklung von Kindern, Selbstregulation und metakognitive Entwicklung – die Fähigkeit von Kindern, ihre Leistungen richtig einzuschätzen. Sie ist verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder. (Bild: Ruben Wyttenbach / 13 Photo)

Und dann behelfen wir uns mit schlechten Entscheidungen?

Auf jeden Fall mit solchen, bei denen wir allzu oft unser Ziel aus den Augen verlieren oder unser ursprüngliches Ziel modifizieren, sobald wir auf Hindernisse stossen. Wenn wir viele Informationen berücksichtigen müssen, wählen wir gerne willkürlich Detailinformationen aus, die wir für die Entscheidung dann als am wesentlichsten ansehen, weil wir effektiv mit der Flut von Information überfordert sind.

Es hilft, sich klarzumachen, dass man viele Entscheidungen auch wieder rückgängig machen oder zumindest modifizieren kann.

Besonders schwierig sind Entscheidungen dann, wenn die Konsequenzen in der fernen oder sogar ungewissen Zukunft liegen. So ist ­beispielsweise allgemein bekannt, dass Rauchen oder zu viel Alkohol trinken nicht gut sind, und trotzdem ist es für uns alle so schwierig, heute den Lebensstil gesünder zu gestalten, um in zehn Jahren besser dazustehen.

Kann man lernen, bessere ­Entscheidungen zu treffen?

Ja, dazu kann man sich verschiedene Strategien aneignen. Beispielsweise die einzelnen Aspekte in Schritte unterteilen und das Problem dann Schritt für Schritt lösen. Oder man sammelt Pro- und ­Kontra-Argumente ganz ergebnisoffen, schreibt sie in einer Tabelle auf und beurteilt dann jedes Argument dahingehend, wie wichtig es für einen ist. So kann man Gewichtungen vornehmen und die Fülle an Informationen auf ein Mass reduzieren, das sich handhaben lässt. Was auch hilft: sich klarzumachen, dass man viele Entscheidungen auch wieder rückgängig machen oder zumindest modifizieren kann. Aus Fehlern lernen wir nämlich tatsächlich oft am meisten.

Sandra Markert
ist freie Journalistin und Mutter von drei Kindern im Kindergarten- und Primarschulalter. Sie lebt mit ihrer Familie am Bodensee.

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