Muss eine Fertigteig-Mama gerne backen?
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Wie ich als Fertigteig-Mutter in den Backwahn geriet

Lesedauer: 2 Minuten

Unsere Kolumnistin hegt – getrieben vom Idyll der Mutter mit ihren Kindern rund um die Teigschüssel – grosse Backpläne. Ein gewagtes Unterfangen.

Text: Mirjam Oertli
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Bis die Küche nicht mehr klebte, verging mehr als eine Stunde. Das war letztes Jahr um diese Zeit. Genauso gut hätte es unser backtechnischer Tiefpunkt werden können … aber von vorn.

Man stellt sich das ja immer so schön vor: kleine Hände in Schüsseln voller Mehl. Bis das Mehl überall ist, nur nicht in der Schüssel. Und sich die Kinder, die Hände mit Butter und Zucker paniert, in die Haare geraten. Wortwörtlich. Und darum streiten, wer den Eischnee unter die Masse ziehen darf. Und schon werde ich zu einer Dompteuse mit Schwingbesen – und erlebe Gefühle, als würde ich selbst gerade schaumig gerührt.

Natürlich lernt man mit der Zeit dazu. Wissend überblätterte ich nach Anfängerfehlern die Backbuchseite mit den aufwendigen Spitzbuben. Entfernte Ausstechförmchen, die mit ihren dünnen Dinosaurierhälsen schon passiv-aggressiv aus der Schublade lugten. Und pries irgendwann gar den Geschmack von Mailänderli, diesem Klassiker des Guetslens, obwohl sie in meinen Augen backwerkgewordene Langweile sind.

Heute kann ich es gestehen: Backen mit den Kindern bedeutet für mich Stress.

Doch weiterhin taten sich hinter der vermeintlichen Familienromantik, die dem Backen innewohnt, manchmal Abgründe auf, mindestens so dunkel wie ein Gugelhopfloch. So führte bei uns eins zum anderen, und dieses zum Brunsli-Fertigteig. Und dazu, dass ich heute gestehen kann: Backen mit den Kindern bedeutet für mich Stress.

Warum also lasse ich es nicht einfach sein? Es ist nicht so, dass es mein liebstes Hobby wäre. Auch bemesse ich meine Qualität als Mutter nicht wirklich am gemeinsam gefertigten Output aus dem Ofen. Doch so ein Idyll rund um die Teigschüssel: Die Idee, dass dieses irgendwie hinzukriegen sein müsste, erscheint mir wie eine Achillesferse beim Tilgen innerer Erwartungen an mein Muttersein.

Ein wildes Lebkuchenhaus

Und letztes Jahr, da muss die Ferse besonders geschmerzt haben. Ich wüsste nicht, was mich sonst vor den abgepackten Teigen so plötzlich hätte aufbäumen und zum Backzutatenregal schreiten lassen. Dort packte ich Ingredienzen wie Kardamom und Muskatnuss in mein Körbchen. Um mich dann, derart ausgerüstet, daheim aufzutürmen und zu verfügen: Jetzt machen wir Lebkuchenhäuschen, und nicht etwa mit Bausatz, sondern selbst, von A bis Z.

Es wurde wild. Zumal keines der Kinder verpassen wollte, wie ihre Fertigteig-Mutter «Das grosse Backen» nachspielt. Zu viert besetzten wir die Küche. Rührten, kneteten und wallten Böden aus. Formten Wände und Dächer und wechselten Bleche. Als ich sah, wie zäh der Teig auf der Küchenablage klebte, hielt ich inne, haderte, zweifelte. Schliesslich gab ich auf – und mich hinein in diese kollektive Motiviertheit bei fast überrumpelnd unerwarteter Einigkeit.

Als alle am Bauen, Hantieren mit Marzipan und Verzieren waren, gab es keinen teigfreien Zentimeter mehr in der Küche. Doch fühlte es sich gut an. So gut, dass sich das Putzen danach hinnehmen liess. So harmonisch, dass ein «Revival» nun verlockend scheint. So versöhnlich aber auch, dass ich den Gedanken ans Backen vielleicht genau jetzt schön zugedeckt gehen lassen könnte.

Nur weiss ich noch nicht, ob ich mich dazu durchringen soll.

Mirjam Oertli
ist freie Journalistin und Buchautorin («Wer auf dem Handy kein gratis Internet hat, ist tot!», «Jetzt stellen Sie doch das Kind mal ruhig!»). Sie ist Mutter von zwei Teenagern und einem Primarschulkind und lebt mit ihrer Familie in Luzern.

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