PING! Der Wahnsinn im Eltern-Chat auf WhatsApp - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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PING! Der Wahnsinn im Eltern-Chat auf WhatsApp

Lesedauer: 2 Minuten

Unsere Autorin Ulrike Légé hat ihr Handy verloren. Ein guter Zeitpunkt über die nervigen Gruppendiskussionen auf WhatsApp nachzudenken. Gibt es einen Weg aus der Elternchat-Falle?

Neulich habe ich mein Handy verloren. Seitdem vermisse ich es, kurz in den Kalender zu schauen, oder spontan etwas auf die Einkaufsliste zu tippen. Was ich nicht vermisse, ist das penetrante Ping, wenn eine neue WhatsApp-Nachricht kommt.

Zum entspannten Mittags-Nickerchen eingeschlafen? Ping! Kind erzählt Wichtiges aus der Schule? Ping! Endlich die Zeit gefunden, den Mann zu küssen? Ping! Gerade unter die Dusche gegangen? Ping! Und fast immer springe ich hoch. Könnte ja etwas Wichtiges sein.

Phänomenal viele Pings liefern die Gruppen-Chats für Eltern. Und jeden Monat macht eine neue Gruppe auf: Klassenchat mit dem Lehrer, Elternchat ohne Lehrer, Chat Geräteturnen, «Mamis gehen in Ausgang»-Chat … Überall wird diskutiert. 

Von der Wanderung schickt uns der Lehrer Fotos. Ping! Lachende Kinder, matschige Hosen – wunderbar! Solche Pings bekomme ich gerne. Aber dann geht‘s los. «Geniesst es…», findet Mami Superschnell.  Zwölf weitere Eltern schicken «WOW!!!«, Herzchen, Smileys. PingPingPING! «Nee, echt jetzt? Und wir müssen im Büro sitzen??«, schreibt Papi Superwitzig. Sofort folgen die Lach-Mich-Tot-Smileys, LOLs  und Grinseteufelchen vom Rest der Elternschaft. Pingeldipingping, 37 neue Nachrichten.

Muss ich antworten? Ich will ja nicht «ghosten» wie mein Teenie es nennt.

Muss ich jetzt auch antworten? Wurde nicht schon alles gesagt? Aber ich will ja nicht asozial im Chat «ghosten», wie mein Teenie das nennt – also nur stille Mitleserin sein. Schicke also kurz einen Thumbs Up – Daumen hoch! 

Sofort pingt es: «VERTIPPT???». «Nee, finde ich echt gut so. Natur pur!», pinge ich zurück. Und schick zur Sicherheit noch den Zwinker-Smiley mit. Der passt ja immer.

Fünf Minuten herrscht Ruhe und ich widme mich endlich der Offline-Welt, da pingt eine persönliche WhatsApp-Nachricht von Mami Nachbarin: «Hallo Ulrike, unser Hamster ist gerade gestorben. Alle Kinder weinen und Du findet das gut? Selbst wenn Fluffys Tod natürlich war, da könnte man schon einfühlsamer sein. Grüsse.» 

Oh nein. Telefon suchen, WhatsApps zur Abwechslung einmal gründlich lesen … Mist, Mist, MIST – ich habe im falschen Elternchat gepostet. 

Die verhängnisvolle Szene auf Ulrikes Handy - digital nachgespielt.  Bilder: Montage und Pexels.com
Die verhängnisvolle Szene auf Ulrikes Handy – digital nachgespielt.
Bilder: Montage und Pexels.com
Und jetzt? Mich per WhatsApp entschuldigen: «Sorry – zu viele Kinder, zu viele Pings – zu alt für diesen Wahnsinn»? Oder lieber einen neuen Hamster kaufen?

Egal, was ich mache – im Chat bleibe ich nun für immer die Hamster-Hasserin. Dabei mag ich Hamster. Ich habe Mitgefühl mit ihnen. Ich denke, die nachtaktiven Tiere fühlen sich bei tagaktiven Kindern wahrscheinlich genauso wohl, wie ich in Chatgruppen. Ruh in Frieden, Fluffy. Ich möchte auch sterben.

Ich frage den Experten um Rat: unseren Teenie

Ich frage den WhatsApp-Experten, den ich am besten kenne: unseren Teenie. Bei dem pingt es ja rund um die Uhr. «Mama, ist nicht so schlimm. Jetzt wirst Du eine Runde gedisst, alle finden Dich scheisse und wahrscheinlich schmeisst dich wer aus dem Chat. Morgen bist Du wieder drin und sie diskutieren was ganz anderes. Passiert jedem.» Das ist tröstlich. Trotzdem würde ich diesem Wahnsinn gerne entkommen.

«In Gruppenchats gehe ich genauso wenig wie zum Gruppensex.»

Eine mutige Nachbarin

Meiner guten Freundin sage ich am Spielplatz, wie toll ich finde, dass sie konsequent nicht mit-pingt. Wahre Werte leben! Sie zieht mich hinter den Baum und zischt mir zu: «Sag das niemandem. Natürlich whatsAppe ich mit einzelnen Freunden – aber in Gruppenchats gehe ich genauso wenig wie zum Gruppensex». Ich verstehe sie so gut. 

Ich schmiede also Pläne: Von meinem neuen Smartphone, das mir mein Teenie gerade konfiguriert – braucht ja eigentlich niemand etwas zu wissen. Also zumindest keine Chat-Gruppe. Ob ich das wohl durchhalte?


Zu Ulrike Légé

Ulrike Légé, ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit als freie Journalistin, Bloggerin und Kommunikations-Beraterin. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die wirbelige Familie; drei Kinder von 8, 11 und 14 Jahren, ein französischer Mann, und
Ulrike Légé, ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit als freie Journalistin, Bloggerin und Kommunikations-Beraterin. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die wirbelige Familie; drei Kinder von 8, 11 und 14 Jahren, ein französischer Mann, und Labradoodle Sunny.


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