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Mental Load: «Mein Tag beginnt oft schon um 4.30 Uhr»

Aus Ausgabe
09 / September 2025
Lesedauer: 3 min
Die Woche von Familie Grabbe ist minutiös durchgeplant – alles läuft, weil Mutter Jennifer den Überblick behält. Das Zepter hält sie gern in der Hand.
Aufgezeichnet von Julia Meyer-Hermann

Bild: Fabian Hugo / 13 Photo

Jennifer Grabbe, 39, lebt mit ihrem Mann Christoph, 47, und den beiden Söhnen Liandro, 8, und Nevin, 6, in Oerlingen ZH. Sie ist kaufmännische Angestellte, er Staplermechaniker.

Manchmal frage ich mich schon, warum wir uns das alles antun. Mein Mann und ich sagen jedes Jahr: Nächstes Jahr machen wir weniger. Aber irgendwie behalten wir doch unser Pensum bei. Der Mental Load in unserem Familienalltag ist hoch. Alles muss stimmen, ich darf nichts vergessen, sonst fällt das System zusammen.

Mein Tag beginnt oft vor Sonnenaufgang. Um 4.30 Uhr stehe ich auf, richte die Znüni für die Kinder, bereite das Mittagessen vor, packe Schultheks, lege Kleidung raus. Dann fahre ich los zu meinem Job im Carrosseriebetrieb, wo ich als kaufmännische Angestellte arbeite – offiziell 60 Prozent, in der Realität sind es oft eher 70. Mein Mann übernimmt in der Zeit die Kinder, bringt sie in den Kindergarten und zur Schule und fährt dann selbst zur Arbeit.

Mein Kopf steht eigentlich nie still. Auch wenn ich gerade etwas anderes mache, läuft die innere Liste mit.

Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, stehen oft Einkäufe an. Danach gehts weiter mit Hausaufgaben, Wäsche, Schulkommunikation oder einem Zahnarzttermin. Eine externe Betreuung haben wir bewusst nicht. Die Kita wäre teuer, und wir wollen möglichst viel für die Kinder da sein. Nur an einem Nachmittag übernehmen meine Eltern die Betreuung.

Abends, wenn die Kinder im Bett sind, geht einer von uns meistens noch mal in die Werkstatt. Wir stellen Metallkreationen her: Feuersäulen, Geschenkartikel. Das war ursprünglich unser Hobby, inzwischen ist es ein kleines Nebengeschäft geworden.

Alltag wie eine Staffelübergabe

Mein Kopf steht eigentlich nie still. Auch wenn ich gerade etwas anderes mache, läuft die innere Liste mit: Was steht morgen an? Wo fehlen noch Unterschriften? Ist alles für den Waldtag gepackt? Ich habe die komplette Familienlogistik im Blick.

Ich weiss, wann der Turntag ist, wann das eine Kind Lesen üben muss und das andere eine neue Jacke braucht. Ich sage meinem Mann, was ansteht, und er hilft mit, wo er nur kann. Mir gibt dieses System Sicherheit – auch wenn es anstrengend ist. Ich bin lieber die, die das Zepter in der Hand hat, als mich darauf zu verlassen, dass jemand anders an alles denkt.

Nur wenn eines der Kinder krank wird, geht nichts mehr. Das stresst mich dann.

Ich wirke wahrscheinlich sehr energetisch. Ich funktioniere gut. Das liegt an unserem System. Unser Alltag funktioniert wie eine Staffelübergabe. Nur wenn eines der Kinder krank wird, geht nichts mehr, dann verschiebt sich der komplette Plan. Das stresst mich dann.

Eine Auszeit gibt es bisher nur in unseren Ferien. Dann ist der PC aus, dann gibt es keine To-do-Liste. Dann sind wir einfach Familie. Theoretisch wissen wir, dass wir auch im Alltag an mehr Ruhe denken sollten. Christoph ist da realistischer als ich. Er sagt öfter: Jetzt reichts. Dann braucht er eine Pause, geht eine Runde joggen oder macht Krafttraining im Keller. Ich merke, wenn bei ihm die Nerven blank liegen – und lasse ihm Zeit, allein zu sein.

Ich selbst tanke anders auf. Eine Stunde mit einer Freundin, ein Kaffee zwischendurch, ein Abendessen mit jemandem, der mir nahesteht. Oder einfach mal reden. Und jammern. Manchmal reicht es schon, wenn jemand sagt: «Du Arme, das klingt anstrengend» und mich in den Arm nimmt. Und ich sage: «Ja, ist es auch.» Dann ist es irgendwie schon besser.