So motivieren Sie Ihr Kind, ein Instrument zu üben
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So motivieren Sie Ihr Kind, ein Instrument zu üben

Lesedauer: 6 Minuten

Ein Kind möchte ein Instrument lernen. Die Eltern unterstützen diesen Wunsch, mieten ein Instrument und melden das Kind bei der Musikschule an. Bald folgt die Ernüchterung: Das Kind will nicht üben. Damit zu Hause Musik statt Streit erklingt, brauchen kleine Anfänger die richtige Unterstützung: Wir haben 15 Tipps, die wirklich helfen.

Text und Bilder: Sibylle Dubs

Viele Kinder wünschen sich ein Instrument, weil sie eine Vorstellung haben, wie sie diesem Töne und Klänge entlocken. Diese Lust und Neugierde sind die besten Voraussetzungen, ein Instrument zu lernen. Oft haben die Kinder mit der Lehrperson im Unterricht Freude am Spiel, doch zu Hause wird das Instrument zur ungeliebten Pflicht.

Eine Ursache dafür ist, dass wir Erwachsenen zwischen dem Üben und dem Musizieren, zwischen dem fehlerhaften und dem perfekt Vorgetragenen unterscheiden. Es gibt Eltern, die erzählen, wie schrecklich es klinge, wenn ihr Kind übe.

Der Zauber der Musik, dem wir uns bei Konzerten oder Aufnahmen hingeben, wird beim Anfänger-Üben nicht gesucht und daher auch nicht gefunden. Das ist frustrierend für Kinder, die sich eigentlich wünschten, sich auf dem Instrument auszudrücken. Wenn beispielsweise eine kleine Anfängerin ein Lied wie «Der Mond ist aufgegangen» mit viel Mühe auf dem Instrument gelernt hat, wird das Stück selten zelebriert, sondern abgehakt. Dabei wären schon die ersten zwei Takte es wert, sie zu würdigen.

Man kann sie mit viel Hingabe oder auch mal witzig, schnell, laut oder leise spielen. Das ist nicht kindisch, sondern das Wesentliche, was der Musik innewohnt. Wir Erwachsenen sollten Anfänger auf dem Weg zum persönlichen Ausdruck begleiten, denn dieser ist so anspruchsvoll wie lustvoll.

Es heisst ‹ein Instrument spielen› und nicht ‹ein Instrument arbeiten›.

Andreas Zihler, Musikprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste

Leider hat ein Instrument zu spielen in unserer Gesellschaft mehr mit Leistung als mit Genuss zu tun. Das beginnt damit, dass wir das Kind auffordern, «zu üben» – und nicht, «Musik zu machen».

Andreas Zihler, Musikprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste, mahnt seine Studentinnen und Studenten: «Es heisst ‹ein Instrument spielen› und nicht ‹ein Instrument arbeiten›.» Wenn das Üben zur Arbeit wird, beginnen die Kinder zu schummeln und sich zu verweigern, bis schliess­lich der Unterricht gekündigt wird.

Was heisst Musizieren wirklich?

Bei so manchem Kind stellt sich nicht bloss Erleichterung, sondern auch das Gefühl ein, versagt zu haben. Musikalisches Versagen ist in vielen Köpfen schon so eingebrannt und akzeptiert, dass man diese Ab­surdität kaum hinterfragt. 

Wie wäre es, wenn ein fussballbegeistertes Kind täglich Konditionstraining und Balljonglage machen und Spielstra­tegie büffeln müsste und es nur sel­ten einen Match spielen könnte? Es käme dem Zauber des Spiels gar nicht mehr auf die Spur. Es würde wenig Fortschritte machen und die­se selber kaum erkennen. Schliess­lich würde das Kind das Hobby auf­geben, weil es zu anspruchsvoll ist. Ein unvorstellbares Szenario. In der Musik ist es für viele Menschen die eigene Erfahrung.

Du musst noch üben! – Dieser Satz verdirbt Kindern die Freude am Musizieren.
Du musst noch üben! – Dieser Satz verdirbt Kindern die Freude am Musizieren.

Das Üben ist in manchen Fami­lien ein Streitthema wie die Haus­aufgaben. Während letztere von der Schule vorgeschrieben sind, hat das Üben eines Instruments eine Schuld­-Komponente: «Du wolltest doch Harfe spielen!», «Weisst du, was die Miete des Klaviers kostet?», «Wir haben ein halbes Jahr Klarinettenunterricht bezahlt, jetzt halte so lange durch». Von solchen Sätzen ist nicht viel zu halten. Sie zementie­ren die Ansicht, dass ein Instrument zu spielen etwas für besonders pflichtbewusste oder hochbegabte Kinder sei.

Eltern sollten sich fragen: Warum soll unser Kind ein Instrument ler­nen? Um Musik zu leben und zu erleben, wäre die Antwort der ele­mentaren Musikpädagogik. Um dem Kind die Möglichkeit zu geben, aus sich selbst künstlerisch tätig zu werden. Dazu gehört auch, dass das Kind die Technik und das Noten­ lesen lernt. Denn damit kann der Ausdruck differenziert und Musik zum Teil sogar in Worte gefasst wer­den.

Wie wird also aus dem täglichen Üben Musik? Indem die Eltern sel­ber diese Haltung einnehmen und das Kind unterstützen. Eltern sollten ihren musizierenden Kindern aktiv zuhören. Töne, und seien sie noch so wacklig und ungenau, werden zur Musik, wenn ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dadurch lau­schen die Kinder selber von Beginn weg ihrem Spiel, welches einen ganz anderen Wert erhält.

Durch integriertes Hören verbessert sich das Spiel automatisch.

Hören ist auch bei Profimusikern ein zentrales Thema. In der Musik­pädagogik wird zwischen verschie­denen Hörarten unterschieden. Eine davon ist das integrierte Hören. Die­ses bedeutet, die Musik zu geniessen und sich von ihr berühren zu lassen, auch wenn Fehler oder Unsicherhei­ten da sind. Hört ein Kind sich sel­ber auf diese Weise zu, verbessert sich das Spiel automatisch und es bleibt motiviert.

Eine Studienfreundin erzählte mir, ihr sei das Üben als Kind leicht­ gefallen, weil ihre Mutter sich mit der «Lismete» zu ihr hingesetzt und gestrickt habe, während sie Klavier spielte. Bei allen drei Töchtern der Familie war die Mutter täglich die strickende Zuhörerin. Meine Freun­din spielt heute virtuos und hem­mungsfrei Klavier.

Vertrauen in den eigenen Körper

Natürlich kann bei schwierigen Stücken mit neuen Techniken jede Motivation einmal zusammenfallen. Hier ist die Erkenntnis wichtig, dass es sich beim Lernen eines Instru­mentes um Bewegungslernen han­delt und nicht um analytischen Denksport. Der Körper lernt subtil und schnell. Es ist wesentlich, ihm zu vertrauen, dass er sich Griffe, Haltung, Anschläge, Ansätze (bei Blasinstrumenten) automatisch merkt.

Musik bedeutet Kommunikation.
Musik bedeutet Kommunikation.

Es fasziniert Kinder wie auch Erwachsene, festzustellen, wie eine langsam eingeübte Stelle immer bes­ser geht, weil der Körper diese «abgespeichert» hat. Dies ist nicht anders als bei Bewegungsabläufen im Sport. Den Ball richtig zu werfen oder zu kicken, braucht Wiederholung und gelingt unter Druck nicht besser.

Erfreuen Sie sich an den kleinen Fortschritten.

Schliesslich tut es gut, darauf zu achten, dass künstlerisches Üben zielorientiert ist. Das Kind soll das Instrument mit einer Absicht zur Hand nehmen. Zum Beispiel, um den Noten auf dem Papier zum ersten Mal Leben einzuhauchen oder auch mal eine bestimmte Passage fehlerfrei zu spielen. Üben bedeutet nicht Tastendrücken, bis die Zeit um ist. Eine Tonleiter darf nicht erledigt werden wie eine Seite Rechnungen.

«Ich zahle so viel Geld in den Musikunterricht, nun ist es auch noch meine Aufgabe, mit dem Kind zu üben?», höre ich nicht selten. Es braucht diese Investition. Allerdings mehr in die Haltung, dass die geübten Töne Musik sind. Dass die Musik Kommunikation bedeutet zwischen Ihrem Kind und der Umwelt. So können schon die ersten sieben Töne von «Der Mond ist aufgegangen» ein kleines Konzert werden auf dem Klavier, der Flöte oder dem Cello Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes.

15 Tipps gegen Frust beim Üben
  • Lachen Sie niemals jemanden aus, der musiziert, schon gar nicht Ihr Kind.
  • Überprüfen Sie den Ort, an dem Ihr Kind musiziert. Steht das Klavier in einem Abstellraum oder Keller? Ist der Notenständer mitten im Chaos platziert? Nehmen Sie das Instrument in den Wohnraum oder in die Küche, dort, wo sich die Familie am wohlsten fühlt.
  • Setzen Sie sich zum Üben zu Ihrem Kind. Nehmen Sie sich anfangs genauso Zeit, wie es Ihr Kind tut. Sagen Sie zum Beispiel «Machst du etwas Musik?» statt «Du musst noch üben!».
  • Hören Sie aktiv jedem Ton zu und laden Sie das Kind dazu ein, seinem Spiel zuzuhören. Bald können dazu die Augen geschlossen werden.
  • Die Stimme (Ihre oder die des Kindes) kann mitsingen oder als Echo oder Pausenfüller erklingen – und schon haben Sie ein Duett.
  • Viele Kinder beginnen mitten im Üben zu experimentieren. Versuchen Sie in dem Moment nicht, es auf den vermeintlich seriösen Pfad der Noten zurückzubringen. Halten Sie das wilde Spiel aus. Hören Sie auch dort aktiv zu und fragen Sie nachher, was das Kind gesucht und vielleicht gefunden hat. Berichten Sie auch darüber, was Ihnen aufgefallen ist.
  • Seien Sie ehrlich zum Kind. Jedes Training braucht hin und wieder Überwindung.
  • Sorgen Sie dafür, dass Geschwister nicht stören. So wie man dem Redenden nicht ins Wort fällt, unterbricht man nicht, wenn jemand am Instrument spielt. Regelmässiges Musizieren führt zu einem neuen Tagesablauf, an den sich die Familie vielleicht gewöhnen muss.
  • Reduzieren Sie in Krisen Dauer und Inhalt beim Üben. Manchmal genügt ein einziger Takt. Vorzugsweise wählt das Kind die Stelle selber aus. Erklären Sie Ihrem Kind, dass der Körper das Stück abspeichert und dass es wichtig ist, langsam und entspannt zu üben. Der Körper speichert eben auch den Stress ab.
  • Das Üben muss nicht ausschliesslich mit dem Instrument stattfinden. Schauen Sie sich zusammen das Notenheft auf dem Sofa an. Reden Sie über die Namen der Stücke. Falls Sie selber Noten lesen können, reden Sie über die Partitur: Was ist es für eine Tonart, was für eine Taktart, wie viele Stellen mit Sechzehntelnoten hat es, wo muss man die Töne lange halten? Singen Sie die Melodie zusammen, hüpfen und klatschen Sie die Rhythmen. Vergleichen Sie im Internet verschiedene Aufnahmen des Stücks.
  • Falls Sie selber ein Instrument spielen können, begleiten Sie Ihr Kind. Das kann auch ein Geschwister oder Nachbarskind übernehmen. Viele Musikschulen bieten Anfängerensembles an. Gemeinsames Musizieren ist eine tiefgreifende Erfahrung.
  • Wenn Sie keine Zeit haben, Ihr Kind aber gerne beim Üben unterstützen möchten, fragen Sie in der Musikschule, ob ein Jugendlicher gegen Entgelt regelmässig vorbeikommt, um mit Ihrem Kind zu musizieren.
  • Führen Sie Ihrem Kind den Fortschritt vor Augen und freuen Sie sich darüber. Vielleicht machen Sie regelmässig kleine Aufnahmen.
  • Nehmen Sie alte Stücke hervor. Es ist wertvoll, wenn das Kind das eigene Repertoire pflegt.
  • Ein Anfängerkind in den Unterricht zu begleiten, signalisiert Interesse und Wertschätzung. Gerade bei jüngeren Kindern kann es hilfreich sein, wenn die Eltern Tipps der Lehrperson mithören.

Sibylle Dubs
ist freie Autorin. Die Musikpädagogin übt selber viel mehr, seit das Klavier zu Hause in der Küche steht. Der Esstisch wurde ins Wohnzimmer ausquartiert. Doch auch wenn die Musik in den Alltag integriert ist, müssen ihre Kinder Teenager noch regelmässig ans Spielen erinnert werden.

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