Als Eltern eines verträumten Kindes hat man es nicht leicht. Ständig muss man das Kind an alles Mögliche erinnern, mit ihm planen, es strukturieren und anleiten, kurz vor knapp noch seine unauffindbaren Sachen suchen, alles dreimal sagen und mit dem dabei aufkommenden Ärger fertig werden.
Vielleicht macht man sich Sorgen: Was soll nur aus meinem Kind werden? Wie soll es die Schule schaffen, wenn es in Gedanken ständig woanders ist? Wie soll es später nur im Berufsleben Fuss fassen, wenn es selbst einfachsten Anweisungen nicht nachkommt, alles vergisst und verliert und für simple Aufgaben Stunden benötigt?
Verträumte Kinder sind empfindsam. Sie haben das Gefühl, dass alle dauernd irgendetwas von ihnen wollen.
Besonders verunsichernd sind oftmals die Rückmeldungen der Schule. Was soll man als Mutter oder Vater tun, wenn das Kind es in der Schule «schon könnte, aber einfach nicht zuhört und zu langsam ist» und «sich im Unterricht ständig ablenken lässt und vor sich hinträumt»?
Empfindsam, wie viele verträumte Kinder sind, spüren sie die dauernde Sorge um ihre Zukunft. Sie möchten es ihrem Umfeld recht machen, schaffen es aber nicht. Sie haben das Gefühl, dass alle dauernd irgendetwas von ihnen wollen, das sie nicht leisten können. Daraus kann ein immenser Leidensdruck entstehen und das Gefühl, «nicht richtig» zu sein.
Wenn der Alltag müde macht
Für viele verträumte Kinder ist der Alltag ein Kraftakt. Fast alles, was unsere moderne Welt von uns fordert, ist für sie mit einer besonderen Anstrengung verbunden. Diese Kinder sehen sich einer Gesellschaft ausgesetzt, die von ihnen Tempo und rasches Reagieren erwartet und sie mit Plänen, To-do-Listen und Aufgabenbergen überhäuft.
Einer Welt, in der man wach und fokussiert von aussen vorgegebene Aufträge erledigen soll; in der die Uhr den Takt vorgibt; in der die Zeit stets gut genutzt werden soll, um immer höher gesteckte Ziele zu erreichen; in der es laut und geschäftig zu und her geht und man sich durchsetzen und behaupten muss.
Wie Sie Ihr Kind unterstützen können
Wie kann man als Eltern ein verträumtes Kind unterstützen? Sie können ihm zum einen helfen, mit den Anforderungen der Aussenwelt besser zurechtzukommen:
- Visualisieren Sie die einzelnen Teilschritte von Abläufen wie «Schulthek packen» oder «Zimmer aufräumen» zum Beispiel mittels bebilderter Checklisten.
- Bitten Sie Ihr Kind vor dem Einschlafen, sich wichtige Abläufe bildlich vorzustellen, als würde es einen Film ansehen.
- Weisen Sie unliebsamen Aufgaben ein begrenztes Zeitbudget zu und stellen Sie dieses visuell dar, etwa mithilfe einer Eierkocher-Uhr.
- Führen Sie einfache Ordnungssysteme ein, beispielsweise verschiedene Rollkisten für Spielsachen und Schulmaterial oder eine Farbkodierung für die Materialien verschiedener Schulfächer.
- Helfen Sie Ihrem Kind, sein Arbeitsgedächtnis zu entlasten, indem Aufgaben und Termine aufgeschrieben und – je nach Alter des Kindes – abfotografiert bzw. ins Handy einprogrammiert werden.
- Planen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind und zerlegen Sie die Aufgaben in überschaubare Teilschritte.
Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, sich selbst zu sein, sich zu erholen von den Herausforderungen des Alltags.
Noch wichtiger ist jedoch, dass Sie Ihrem Kind die Möglichkeit geben, sich selbst zu sein und sich von den Herausforderungen des Alltags zu erholen. Falls Ihr Kind nach einem anstrengenden Schultag nicht auch noch davon erzählen mag, können Sie sich bewusst zurücknehmen. Vielleicht sagen Sie zu ihm: «Ich glaube, du brauchst ein wenig Ruhe.» Achten Sie auf genügend Erholungsphasen, in denen das Kind nicht auf die Uhr schauen muss und ungestört seinen Neigungen nachgehen kann.
Seien Sie einfach da: Viele Träumer geniessen es, wenn sie im gleichen Raum sein dürfen, ohne interagieren zu müssen. Wenn sie lesen, Lego bauen oder malen dürfen, während die Eltern ebenfalls lesen, in der Küche hantieren oder ihrer Arbeit nachgehen.
Und das Wichtigste: Akzeptieren Sie, dass Sie Ihr Kind nicht ändern können. Verträumte Kinder hören immer wieder die Drohung: «Wenn das so bleibt, sehe ich schwarz.» Dahinter steckt der Glaube, dass das Kind zuerst ein anderer Mensch werden muss, damit es als Erwachsener Erfolg haben und glücklich werden kann. Immer wieder begegnen uns in unserer Arbeit Eltern mit dieser Haltung.
Dieser Veränderungswunsch ist nicht nur unerfüllbar, sondern auch unnötig. Verträumte Kinder bleiben meist etwas chaotisch, langsam und zerstreut. Sie werden auch in Zukunft vieles vergessen, zu wenig planen und vorausdenken.
Und sie können trotzdem zu zufriedenen Erwachsenen werden. Dazu müssen sie sich aber nicht grundlegend verändern, sondern sich selbst kennen und annehmen können. Sie müssen wissen, wo ihre Stärken liegen, und diese kultivieren und ausbauen. Und sie müssen sich mit ihren Schwächen auseinandersetzen und Wege finden, um mit diesen umzugehen.






