«Hilfe, die Freundin meiner Tochter ist ein Drückeberger!»
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«Hilfe, die Freundin meiner Tochter ist ein Drückeberger!»
Wenn die beste Freundin meiner Tochter, 7, zu Besuch ist, möchte ich, dass die beiden Mädchen abends beim Aufräumen mithelfen. Die Freundin meiner Tochter versucht sich jedoch jedes Mal davor zu drücken, simuliert Bauchschmerzen oder verabschiedet sich gleich nach Hause. Meine Tochter findet das ungerecht. Kann ich darauf bestehen, dass die Freundin aufräumt, obwohl sie nicht meine Tochter ist?
Anne, 39, Bern
Das sagt unser Expertenteam dazu:
Nicole Althaus
Es ist die Frage aller Elternfragen: Darf ich Kinder erziehen, die ich nicht selber auf die Welt gestellt habe? Selbstverständlich! So hätte vor ein paar Jahrzehnten die Antwort noch gelautet. Selbstverständlich hat uns die Nachbarin zurechtgewiesen, wenn wir draussen zu laut waren und sie gestört haben. Heute machen die Leute die Faust im Sack, wenn im Zug Kinder in nassen Winterschuhen auf den Sitzen herumturnen, und schweigen genervt. Ich finde: Bei Ihnen zu Hause gelten Ihre Regeln. Eine halbe Stunde bevor die Freundin heim muss, wird aufgeräumt. Und wer Bauchschmerzen hat, muss leider auch auf das Bonbon zur Belohnung verzichten.
Stefanie Rietzler
Wahrscheinlich fühlt sich das Mädchen ähnlich überfordert wie wir Erwachsene, wenn wir in einer fremden Küche beim Abwasch helfen möchten. Sie dürfen erwarten, dass der Besuch mit aufräumt, sollten aber genau formulieren, wie. Geben Sie dem Mädchen jeweils eine klare Teilaufgabe: «Bitte lege ... hier in ... Danke. Jetzt ...» Mit guter Musik lässt sich mehr Schwung in die Sache bringen. Wie wäre es, den Spielnachmittag mit einer kurzen Geschichte, einem einfachen Brettspiel oder einer heissen Schokolade gemütlich ausklingen zu lassen? Darauf können sich die beiden schon während des Aufräumens freuen.
Peter Schneider
Ja, Sie können. Beim nächsten Mal sagen Sie der kleinen Simulantin gleich bei der Begrüssung, dass dieser Besuch bei Ihrer Tochter – an dieser Stelle machen sie einen bedauernden Gesichtsausdruck – leider ihr letzter gewesen sein wird, wenn sie nicht am Abend mithilft aufzuräumen. Am Abend sagen Sie den beiden Mädchen dann etwa eine halbe Stunde vor Schluss, dass es nun Zeit fürs Aufräumen ist, und achten mindestens beim ersten Mal auch darauf, dass der befreundete Faulpelz auch mit anpackt.
Unser Expertenteam:
Nicole Althaus, 49, ist Chefredaktorin Magazine, Kolumnistin, Autorin und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern, 18 und 14.
Stefanie Rietzler ist Psychologin, Autorin («Erfolgreich lernen mit ADHS») und leitet die Akademie für Lerncoaching in Zürich. www.mit-kindern-lernen.ch
Peter Schneider, 59, arbeitet als Psychoanalytiker und Kolumnist in Zürich. Bis 2017 war er Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie in Bremen; zurzeit lehrt er Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
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