Die drei Formen von Autismus
Ab den 1990er-Jahren differenzierte die Wissenschaft drei unterschiedliche Formen von Autismus. Diese Kategorisierung erwies sich in der Praxis als schwierig, da nicht trennscharf abgrenzbar. Heute unterscheidet die Medizin nicht mehr zwischen verschiedenen Subtypen, sondern fasst diese unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammen. Weil die damit verbundenen Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation von 2022 noch nicht überall umgesetzt wurden, sind die «alten» Autismus-Kategorien noch durchaus geläufig.
Frühkindlicher Autismus
Sie gilt als schwerste Form autistischer Störungen. Betroffene Kinder zeigen ab dem ersten Lebensjahr Einschränkungen in sozialer Kommunikation: Ihre Sprachentwicklung bleibt aus, ist verzögert oder nur bruchstückhaft vorhanden. Auch in der sozialen Interaktion machen sich früh Auffälligkeiten bemerkbar: Blickkontakt, Mimik und Gestik sind reduziert oder werden nicht dazu genutzt, um mit Personen in Beziehung zu treten. Einige Betroffene holen Sprachrückstände auf, andere sprechen noch im Erwachsenenalter nicht.
Zum Störungsbild gehören ausserdem repetitive und stereotype Verhaltensmuster – viele Kinder fallen beispielsweise durch ständiges Wippen mit dem Oberkörper oder Flattern der Hände auf. Typisch ist zudem ein fast zwanghaftes Festhalten an Gewohnheiten. Frühkindlicher Autismus geht häufig mit einer kognitiven Beeinträchtigung einher und wird vor dem dritten Lebensjahr diagnostiziert.
Kinder mit Asperger-Syndrom haben Mühe, von Gewohnheiten abzuweichen, und manche von ihnen verfügen über ausgeprägte Sonderinteressen.
Asperger-Syndrom
Auch hier liegen Einschränkungen in sozialer Kommunikation und sozialer Interaktion sowie repetitive, stereotype Verhaltensmuster vor. Jedoch verläuft die sprachliche und kognitive Entwicklung der Betroffenen in den ersten drei Lebensjahren meist unauffällig. Schwierigkeiten äussern sich, wenn sie mehr Zeit mit Gleichaltrigen verbringen, etwa in Kitas oder im Kindergarten. Dort zeigen Kinder mit Asperger-Syndrom oft wenig Interesse an anderen Kindern und haben Mühe, mit diesen in Kontakt zu kommen. Bei gemeinsamen Aktivitäten wirken sie unbeteiligt, in sich gekehrt oder sie ecken an, weil sie nicht auf andere eingehen und auf ihren eigenen Regeln beharren – oder impulsiv reagieren, wenn diese jemand infrage stellt.
In der Kommunikation mit ihnen kommt es oft zu Missverständnissen: Nebst dem wörtlichen Sprachverständnis, das für viele typisch ist, haben manche eine monotone oder pedantische Sprechart. Auch Kinder mit Asperger-Syndrom haben Mühe, von Gewohnheiten abzuweichen, und manche von ihnen verfügen über ausgeprägte Sonderinteressen, die für ihr Alter und ihren sozialen Kontext untypisch sind.
Atypischer Autismus
Dieser wird in der Praxis unterschiedlich gedeutet: Während manche Fachpersonen den Begriff so auslegen, dass nicht in allen drei Referenzbereichen – soziale Kommunikation, soziale Interaktion sowie repetitive, stereotype Verhaltensmuster – Auffälligkeiten vorliegen oder diese erst später auftreten, assoziieren andere ihn mit besonders schweren Intelligenzbeeinträchtigungen.