«Beim Streit mit meiner kleinen Schwester werde nur ich bestraft»
«Frag doch mal Sarah»
Ich mag meine kleine Schwester Mia nicht. Sie ärgert mich jeden Tag. Aber meine Mutter glaubt mir nicht. Sie nimmt immer meine Schwester in Schutz. Dabei habe ich nichts gemacht. Aber wenn Mia mich so stark nervt, muss ich mich einfach wehren. Und dann schreit sie so laut, dass meine Mutter kommt und mit mir schimpft. Was soll ich bloss tun?
Gian-Luca, 8
Lieber Gian-Luca
Du bist wütend über deine kleine Schwester. Und offenbar hast du auch Gründe dafür: Sie ärgert dich ständig. Und wenn du dich dann irgendwann gegen sie wehrst, fängt sie laut zu schreien oder weinen an. Kein Wunder, dass ein Elternteil schauen kommt. Leider sieht es dann wohl jedes Mal so aus, als ob du die Schuld am Streit hättest. Und prompt bekommst du die Schimpfe oder Strafe ab.
Ich kann dir versichern: Ganz vielen grösseren Brüdern und Schwestern geht es so wie dir! Es handelt sich um ein typisches Phänomen, das in vielen Familien vorkommt. Und häufig merken die Eltern nicht, was da genau passiert.
Ein ewiger Teufelskreis
Meist spielt sich das Ganze so ab, dass das jüngere Kind den Streit beginnt, indem es einfach das macht, was ihm passt. Oft geschieht dies nicht aus böser Absicht, sondern weil das Geschwister noch nicht gelernt hat, zuerst zu fragen oder zu warten. Es will zum Beispiel mit genau diesem Spielzeug spielen, das das ältere Kind gerade hat.
Wehr dich nicht mehr direkt, sondern bitte deine Eltern um Unterstützung.
Oder es zerstört die Auslegeordnung der Legos oder anderer Spielsachen – sodass man von vorne anfangen muss. Das alles nervt ganz gewaltig! Und wenn man jeden Tag geärgert wird, hat man schnell keine Nerven mehr. Kein Wunder, dass man da rasch ausflippt.
Die Mamas und Papas haben leider kaum eine Chance, den wirklichen Übeltäter herauszufinden. Da aber das jüngere Kind oft lauter schreit und das ältere tatsächlich aus Wut auch mal zu schlagen beginnt, sind die Eltern natürlich sauer auf das ältere, stärkere Kind und bestrafen es dafür, dass es das Kleinere attackiert hat. Das ganze Spiel geht dann Tag für Tag von Neuem los …
Den Streit wie ein Detektiv beobachten
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sehe ich nur eine Möglichkeit: Du musst Detektiv spielen – und brauchst dazu die Hilfe deiner Eltern.
Erkläre deiner Mutter in einem ruhigen Moment, dass du die ewige Streiterei mit Mia satthast und eine Lösung brauchst. Sie soll bitte am nächsten Tag besonders wachsam sein und möglichst unauffällig den Streit beobachten kommen. Gleichzeitig musst du selber beim nächsten Ärger, den Mia anzettelt, diese folgenden Punkte beobachten:
- Wer fängt an, ein Spielzeug wegzunehmen, etwas Doofes oder Beleidigendes zu sagen oder etwas Störendes zu machen? Ich gehe davon aus, dass es bei euch deine Schwester ist, die damit beginnt.
- Und dann schau gut zu, was passiert. Wie reagierst du: Nimmst du ihr das Spielzeug wieder weg? Sagst du auch etwas Gemeines? Oder tust du sonst irgendetwas, wie anschreien, schubsen oder schlagen? Oder wartest du einfach nur ab, bis sie erneut etwas Falsches tut?
- Wie lange dauert euer Streit, bis deine Mutter nachschauen kommt?
- Welche Gründe gibt deine Schwester an? Und was ist deine Erklärung für das Geschrei?
Das Beste wäre, wenn deine Mutter ebenfalls diese Punkte beobachten könnte. Du kannst deine Detektivarbeit mit ihr besprechen und schauen, welche Ergebnisse ihr sammeln könnt.
Die Eltern miteinbeziehen
Und als nächsten Lösungsschritt wäre es wichtig, dass du, Gian-Luca, ab jetzt immer direkt zu deiner Mutter gehst, sobald Mia dich ärgert. Das heisst, dass du dich ab jetzt nicht mehr direkt selber wehrst, sondern deine Mutter um Unterstützung bittest. Sag ihr: «Mama, Mia ärgert mich und lässt mich nicht spielen. Das macht mich wütend. Ich brauche deine Hilfe, um das Problem zu lösen.»
Tipp: Beliebte Spielsachen abwechselnd benutzen und einen Timer stellen. Das verstehen auch kleine Kinder rasch.
So kann es erstens nicht mehr zu Handgreiflichkeiten kommen und zweitens sollte es auch keine unfairen Strafen und Schimpfe geben, wenn du am Streit nicht mitschuldig bist.
Noch ein Tipp:
Beliebte Spielsachen kann man abwechslungsweise benutzen – und für die erlaubte Zeit einen Timer stellen. Das verstehen auch kleine Kinder ziemlich rasch.
Das Kinderzimmer des älteren Kindes lässt sich durch ein Türgitter abgrenzen. Das jüngere Kind kann zwar hineinschauen, aber nicht über die ganzen Lego- oder Puzzle-Teile laufen. So kann das ältere Kind ungestört mit seinen eigenen Dingen spielen.
Ich wünsche dir viel Erfolg und in Zukunft ein friedliches Spielen.
Frag doch mal Sarah
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