Essen wie unsere Vorfahren – wie gesund ist die Steinzeitdiät?

Lesedauer: 4 min

Essen wie unsere Vorfahren – wie gesund ist die Steinzeitdiät?

Die Paleo-Ernährung orientiert sich an dem, was Menschen vor Jahrmillionen vermeintlich gegessen haben. Doch ist dieser Trend für Familien überhaupt alltagstauglich – und ist er für Kinder geeignet?
Text: Wina Fontana

Bild: Getty Images


In Zusammenarbeit mit Betty Bossi

Ernährungstrends kommen und gehen. Manche sind moderne Erfindungen, andere führen uns in längst vergangene Zeiten, wie die Paleo-Diät. «Essen wie in der Steinzeit» klingt vielleicht etwas kurios – weckt aber zugleich Neugier: Ist das etwas für den Familientisch? Tut sie den Kindern gut? Und vor allem: Wie konkret soll das im Alltag funktionieren?

Was heisst eigentlich Paleo?

Die Paleo-Ernährung – abgeleitet vom Paläolithikum, also der Altsteinzeit – basiert auf der Idee, dass unser Körper am besten mit dem zurechtkommt, was schon unsere Vorfahren vor rund 10 000 Jahren gegessen haben: Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, Samen, Wurzelgemüse und Früchte. Nicht auf dem Speiseplan stehen Zucker und stark verarbeitete Produkte. Sie gelten als Auslöser sogenannter Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes.

Auch Getreide, Hülsenfrüchte und Milchprodukte landen bei Paleo nicht auf dem Teller. Nicht weil sie per se ungesund sind, sondern weil sie erst mit oder nach Einführung des Ackerbaus und der Viehzucht auf unserem Speiseplan landeten. Die Grundidee dahinter: zurück zu natürlicher, unverarbeiteter Kost, um dem Körper Gutes zu tun.

Zwischen idealistisch und realistisch – der Ernährungstrend im Alltag

Die Paleo-Ernährung hat definitiv ihre guten Seiten. Viel frisches Gemüse, Nüsse, Eier und hie und da ein Stück Fleisch – das klingt erst mal top. Doch hier beginnt das Dilemma: In vielen modernen Paleo-Varianten nimmt Fleisch eine Hauptrolle ein. Dabei waren unsere Vorfahren historisch gesehen eher Sammler als Jäger.

Ursprünglich richtete sich der Fokus denn auch viel mehr auf natürliche, unverarbeitete Lebensmittel. Doch im Familienalltag zeigt sich schnell: Brot, Käse, Joghurt oder Teigwaren gehören für viele einfach dazu. Eine strikt umgesetzte Paleo-Diät ist also nur schwer durchzuhalten. Dazu kommt, dass sie für Kinder auch nicht uneingeschränkt empfehlenswert ist.

Wenn ganze Lebensmittelgruppen wegfallen, kann das schnell zu einem Nährstoffmangel führen. Kalzium beispielsweise, das in Milchprodukten steckt, ist wichtig für stabile Knochen und gesunde Zähne, was besonders im Wachstum eine zentrale Rolle spielt.

Kohlenhydrate aus Brot, Teigwaren oder Müesli sind für Kinder die zentrale Energiequelle. Sie liefern dem Gehirn die nötige Energie, um konzentriert und lernfähig zu sein. Vollkornprodukte enthalten zusätzlich wertvolle Nahrungsfasern, die die Verdauung unterstützen.

Bei Kindern bedeutet Essen oft auch Teilhabe am sozialen Miteinander.

Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen oder Kichererbsen sind laut Paleo ebenfalls tabu – weil sie erst mit dem Ackerbau aufkamen. Doch das macht sie nicht weniger wertvoll. Im Gegenteil: Hülsenfrüchte liefern pflanzliches Eiweiss, Eisen, B-Vitamine und viele Nahrungs­fasern. Und sie passen bestens in eine kindgerechte, ausgewogene Ernährung.

Ernährung nimmt einen wichtigen Teil in unserem sozialen Leben ein. Besonders bei Kindern bedeutet Essen oft auch Teilhabe am sozialen Miteinander. Stellen Sie sich ein Znüni ohne Brot oder Cracker vor. Unmöglich, oder? Auch eine Geburtstagseinladung gestaltet sich anders, wenn das Kind beim Geburtstagskuchen nicht mitessen darf.

Solche Situationen können für Kinder schwierig sein, vor allem, wenn es zu Hause sehr strenge Regeln gibt. Wenn aus gesundheitlicher Sicht also nichts dagegenspricht, wäre es wichtig, dem Kind in solchen Momenten Ausnahmen zu gewähren, um es nicht vom gemeinsamen Essen auszuschliessen.

7 Tipps

«Paleo light» im Alltag

1. Mehr natürlich, weniger verarbeitet: Obst, Gemüse, Nüsse, Eier und mageres Fleisch sind willkommene Begleiter auf dem Familientisch. Je weniger verarbeitet, desto besser.
2. Zucker bewusst geniessen: Süssigkeiten im Alltag zu reduzieren, ist durchaus ein sinnvoller Schritt. Der strikte Verzicht birgt dagegen auf lange Sicht mehr Nach- als Vorteile.
3. Pragmatisch bei Brot und Milchprodukten: Statt sie zu verteufeln, lieber auf ihre Qualität achten: Vollkorn statt Weissmehl, Naturjoghurts anstelle eines gezuckerten Fruchtjoghurts und Käse ohne Zusätze von Gewürzmischungen.
4. Kinder einbeziehen: Lassen Sie die Kinder beim Einkaufen oder Kochen mitwirken. Wer selbst mitgemacht hat, probiert eher Neues.
5. Znüni einmal anders: Wie wäre es mal mit einem bunten Znüni aus Gemüse, Nüssen und Früchten anstelle des altbekannten Pausenbrots?
6. Alltag durch Planung vereinfachen: Ein Wochenmenüplan hilft, frische Gerichte und wenig Aufwand zu kombinieren. Eine Einkaufsliste spart Zeit und reduziert gleichzeitig Spontankäufe.
7. Kleine Umstellungen statt grosser Verzicht: Rohkost zum Znüni, ein Müesli mit Nüssen und Früchten getoppt oder doch das Ofengemüse mit Poulet: Solche kleinen Veränderungen sind nicht nur gut für Kinder, sondern helfen auch Eltern dabei, sich ausgewogener zu ernähren – ganz ohne Zwang oder Perfektion.

Was Eltern sich vom Paleo-Ansatz abschauen können

Paleo bedeutet nicht, dass Sie alles auf den Kopf stellen müssen. Der Ansatz lädt vielmehr dazu ein, Essgewohnheiten zu hinterfragen. Mehr Natürlichkeit auf dem Familientisch – ohne strikten Verzicht.

Wer sich inspirieren lässt, aber pragmatisch bleibt, kann viele positive Aspekte in den Alltag integrieren. Kinder profitieren so von abwechslungsreichen, natürlichen Mahlzeiten und lernen neue Geschmacksrichtungen kennen.