«Ich habe euch beide gleich lieb», sage ich meinen Kindern, 10 und 13 Jahre alt. Das stimmt aber so nicht ganz. Mein erster Sohn steht mir in vielen Situationen näher als mein zweiter. Gegen dieses Gefühl kann ich leider nichts tun. Muss ich zu meinen Kindern ehrlich sein?
Das sagt unser Expertenteam dazu:
Nicole Althaus
Das Herz ist eben kein Apfel, den man einfach halbieren und ganz gerecht aufteilen kann. Ihre Söhne wissen das aus eigener Erfahrung. Auch ihnen ist in vielen Situationen der Papa oder die Mama näher. Und das ist total okay so. Sagen sie dem Kleinen und dem Grossen: «Ich hab dich lieb.» Das «beide gleich» können sie hervorzaubern, wenn es Smarties zu teilen gibt. Oder einen Apfel.
Tonia von Gunten
Es ist eine Tatsache, dass wir nicht alle Menschen gleich gern haben, selbst wenn es sich um unsere Kinder handelt. Ein Kind steht uns oft näher als das andere. Denn sie verhalten sich unterschiedlich, und nicht alles davon muss uns gefallen. Den Kindern geht es mit uns Eltern ja meist genauso. Nehmen Sie die eigenen Gefühle an, statt dagegen zu kämpfen, und formulieren Sie es das nächste Mal so: «Ich habe euch beide gern. Manchmal mehr, manchmal weniger. In einigen Situationen habe ich das Gefühl, meinen ersten Sohn besser zu verstehen. Vielleicht sind wir uns einfach ähnlicher. Liebe Söhne, wie seht ihr das?»
Peter Schneider
Nein, bloss nicht. Es muss auch unausgesprochene Dinge zwischen Eltern und Kindern geben können. Wahrscheinlich merken die Kinder das auch ohne ein solches Bekenntnis. Vielleicht ist es bei Ihrer Frau umgekehrt; dann haben Sie Glück gehabt. Ausserdem ist Kindern die Situation, dass man auch jeweils seinen Elternteilen nicht gleich nahe ist, durchaus vertraut. Sie sollten wenigstens darauf achten, dass aus den ungleichen Gefühlen keine reale Benachteiligung oder Bevorzugung erwächst. Etwas bewusste Kompensation kann nicht schaden.
Unser Expertenteam:
Nicole Althaus, 51, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und geleitet und war Chefredaktorin von «wir eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 20 und 16 Jahren.
Tonia von Gunten, 42, ist Elterncoach, Pädagogin und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein Programm, das frische Energie in die Familien bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, 9 und 6.
Peter Schneider, 62, ist Kolumnist, Satiriker, Psychoanalytiker, Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und Gastprofessor für Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
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