Binationale Trennung: Papa lebt in Amerika
Merken
Drucken

Binationale Trennung: Papa lebt in Amerika

Lesedauer: 4 Minuten

Leben bei Mama oder bei Papa? Oder bei beiden? Die Entscheidungen nach einer Trennung sind immer schwierig. Wenn ein Elternteil keinen Schweizer Pass hat, kommen weitere Herausforderungen auf die Familie zu.

Text: Bianca Fritz
Bild: Fotolia

Jede dritte Ehe, die heutzutage in der Schweiz neu geschlossen wird, ist eine binationale. Dass sich Kulturen in einer Familie mischen und Partner für ihre neue Familie ihre Heimat verlassen, ist also längst keine Seltenheit mehr. «Ich sehe das als grosse Bereicherung, besonders für das Kind, das mit zwei Kulturen und zwei Sprachen aufwachsen darf», sagt Esther Hubacher von frabina, der Beratungsstelle für Frauen und Männer in binationalen Beziehungen in Bern.

Das landläufige Vorurteil, dass solche Konstellationen fragil sind, kann Hubacher nicht bestätigen: «Die Scheidungsquote ist nicht höher als bei Paaren mit derselben Herkunft.»  Wenn es aber zu einer Trennung kommt, stehen binationale Paare vor zusätzlichen Herausforderungen. Bei dem Thema, wer künftig wie viel Betreuungszeit für die Kinder übernimmt, stellt sich auch die Frage: Bleibt der Partner mit anderem Pass in der Schweiz?

Die Familien haben nicht immer die freie Wahl. Kommen Vater oder Mutter beispielsweise aus einem Drittstatt (Nicht-EU/EFTA-Land) und die Ehe hat keine drei Jahre gehalten, ist es möglich, dass der Vater beziehungsweise die Mutter das Aufenthaltsrecht verliert – auch dann, wenn das Kind einen Schweizer Pass hat.

«Das Migrationsrecht wird immer strenger ausgelegt. So hat das Bundesgericht bereits in mehreren Fällen geurteilt, dass der Kontakt zum Kind via Skype ausreiche und kein Aufenthalt in der Schweiz notwendig sei, um das Kontaktrecht auszuleben», erzählt Hubacher. Für die Entscheidung spielt sowohl die Bindung des Kindes an den ausländischen Elternteil eine Rolle, als auch die Frage, ob sich der Partner in der Schweiz allein finanzieren kann, oder auf Unterstützung angewiesen ist. 

Die Wahl ist keine leichte: Plage ich mich durch eine unglückliche Partnerschaft, oder verliere ich mein Aufenthaltsrecht und damit mein Kind?

So komme es auch vor, dass sich viele Paare durch unglückliche Partnerschaften quälten, um zu verhindern, dass ein Elternteil ausgewiesen wird und räumlich getrennt vom Kind leben müsse. «Je nachdem, wie heftig die Konflikte sind, ist dies nicht unbedingt die beste Lösung fürs Kind», gibt Hubacher zu bedenken. «Die rechtlichen Bedingungen erschweren es, eine Lösung zu finden, die sich für alle gut anfühlt.» Daher versteht die Stellenleiterin der frabina, die auch Paarberatungen mit binationalen Paaren durchführt, das Motiv. «Gerade für Kinder mit binationalen Eltern ist es wichtig, Kontakt zu beiden Elternteilen zu haben, um beide Wurzeln in die eigene Persönlichkeit integrieren zu können», sagt sie.

Warum die Fälle von Kindsentführung zugenommen haben

Sandra Hotz, Juristin der Universität Fribourg, weist zudem darauf hin, dass es mit der Revision des elterlichen Sorgerechts (ZGB), die 2014 in Kraft getreten ist, auch nicht mehr so einfach möglich ist, das Kind mit in ein anderes Land zu nehmen, wenn der ehemalige Partner nicht damit einverstanden ist. Dies, weil die gemeinsame elterliche Sorge für beide Elternteile als gesetzlicher Regelfall gilt.

Teil des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts ist es, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. «Wer das Kind gegen den Willen des Partners mit in sein Heimatland nimmt, begeht eine Kindsentführung, eine Sorgerechts- oder eine Besuchsrechtsverletzung. Die Zahl dieser Fälle hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen», berichtet sie. Sofern das Kind sich in einem Vertragsstaat befindet, ist über ein internationales Haager Übereinkommen und das Bundesgesetz zu den Kindsentführungen geregelt, wie das Kind dann in die Schweiz zurückgeführt werden könne, notfalls sogar mit Hilfe der Polizei.

Wenn die Eltern in der Schweiz nicht glücklich sind, ist es auch für das Kind schwieriger, sich wohlzufühlen.

Esther Hubacher

Wenn keine Ausweisung droht, bleibt dem ausländischen Partner zwar die Wahl, in der Nähe des Kindes zu bleiben, aber fernab vom eigenen Heimatland. «Solche Fälle haben wir sehr oft», berichtet Hubacher. «Elternteile, die betonen, nur wegen dem Kind im Land zu bleiben.»

Je nachdem, wie gut die Person integriert ist und wie stark sie der Umstand belastet, nicht ins Heimatland zurückkehren zu können, ohne das Kind zu verlieren, ist diese elterliche Aufopferung auch für das Kind nicht einfach. «Wenn die Eltern in der Schweiz nicht glücklich sind, ist es auch für das Kind schwieriger, sich wohlzufühlen», sagt Hubacher.

Betreuungsverhältnis wird nach Trennung beibehalten

Dass die gemeinsame elterliche Sorge der Regelfall ist, bedeutet aber nicht automatisch, dass eine alternierende faktische Obhut in Kraft treten muss, bei der beide Partner auch Betreuungszeiten des Kindes übernehmen. Insbesondere, wenn während der Ehe bereits eine Person die Hauptverantwortung für die Betreuung getragen hat, während der Partner die Familie finanziell unterstützt hat, wird oft davon ausgegangen, dass es im Sinne des Kindeswohles ist, dass dieses Betreuungsverhältnis so beibehalten wird.

Das heisst also auch: der ausländischen Mutter, die in der Schweiz nie gearbeitet hat, weil sie mit der Kinderbetreuung beschäftigt war, wird nicht einfach das Kind weggenommen, bzw. sie wird nicht einfach ohne das Kind ausser Landes geschickt.

Wenn sich aber das Kind oder einer der Partner eine alternierende Obhut wünschen, liegt es an der Kesb oder den Gerichten zu entscheiden, ob diesem Wunsch entsprochen werden kann. «Hier gilt das Kindeswohl als wichtigster Entscheidungsgrundsatz», sagt Sandra Hotz.

Ist es für das Kindeswohl grundsätzlich wichtig, dass beide Elternteile in der Nähe wohnen, damit das Kind sie jederzeit sehen kann? «Das lässt sich nicht einfach so pauschal beantworten», meint Sandra Hotz. «Es kommt auch auf die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit an, nicht nur darauf, wie oft diese stattfinden kann.»

Schliesslich sei heute auch in funktionierenden Ehen ein Partner häufig von der Familie getrennt, zum Beispiel, wenn er beruflich pendeln oder reisen müsse. Und es gebe zum Beispiel mit Videotelefonie die Möglichkeit, die getrennte Zeit zu überbrücken. «Hier soll das Recht auch mit dem Zeitgeist gehen», sagt die Juristin.

Hier gibt es Hilfe

  • Informationen und Beratung für binationale Paare: binational.ch
  • Spezialisierte Beratungsstelle für Bern und Solothurn mit Hotline für die ganze Schweiz: frabina.ch

Bianca Fritz
Bianca Fritz ist freie Autorin und berät Selbständige und kleine Unternehmen in ihrem Social Media Marketing. Ein Gebiet, das besonders viel Selbstdisziplin und Achtsamkeit braucht.

Alle Artikel von Bianca Fritz

Mehr zum Thema Trennungen

Familienleben
«Familie ist eben nicht Privatsache»
Die Kinderombudsstelle setzt sich für die Rechte der Kinder ein. Diese würden oft missachtet, sagt Leiterin Irène Inderbitzin.
Familienleben
«Stiefeltern sind für Eltern keine Konkurrenz»
Sabine Walper erforscht die Beziehungen in Stieffamilien. Sie erklärt, wie eine Patchworkfamilie Kinder prägt und warum sie eine Chance ist.
Nintendo Prinzessin Peach Nintendo Switch Verlosung HG
Advertorial
Vorhang auf für «Princess Peach: Showtime!»
«Princess Peach:Showtime!»: Für Nintendo Switch rettet Prinzessin Peach das Funkeltheater. Gewinne ein Nintendo-Spielpaket!
Foto
Elternblog
Wetteifern um das perfekte Foto aus den Ferien
Unsere Kolumnistin und ihr Ex verschicken sich jeweils gegenseitig Fotos des Nachwuchses aus den Ferien. Das nimmt zuweilen groteske Züge an.
Patchwork
Erziehung
Wie gelingt Patchwork? 10 Fragen und Antworten
Das Leben mit neuem Partner und dessen Kindern ist anspruchsvoll. Expertinnen und Experten antworten auf Fragen, die Patchworkfamilien umtreiben.
Patchworkfamilie Schmutz
Familienleben
Patchwork: «Der Weg hierhin war oft holprig»
Christoph und Regine Schmutz brauchten eine Weile, bis sich ihre Söhne in der neuen Patchworkfamilie gefunden hatten.
Patchworkfamilie Neue Liebe neues Glück?
Erziehung
Neue Liebe – neues Glück?
Gründen Eltern mit ihrer neuen Liebe eine Patchworkfamilie, warten viele Stolpersteine auf sie. Das Familienmodell bietet aber auch Chancen – dazu braucht es Ausdauer und Empathie.
Familienleben
«Die Trennung der Eltern kann für Kinder auch eine Chance sein»
Wie man ein Kind in die Neugestaltung der Familie einbindet, ohne es zu überfordern, erklärt Familientherapeutin Sabine Brunner.
Elternbildung
Vortragszyklus Kosmos Kind: Alle Daten und Infos
Kosmos Kind: Expertinnen und Experten erklären wichtige Entwicklungsaspekte von Kindern und Jugendlichen – alltagsnah und verständlich.
Trennung Patchwork
Elternbildung
Neue Liebe, neues Glück – und wie geht es den Kindern?
Alle haben das Recht, sich nach einer Trennung wieder zu verlieben. Doch wie geht es den Kindern damit? Worauf Patchworkfamilien achten müssen.
Getrennte Eltern Trennungsserie Scheidungskinder
Elternbildung
5 Ideen, wie das nächste Betreuungswochenende gelingt
Noch immer sind viele Kinder, deren Eltern getrennt leben, nur am Wochenende bei Papi oder Mami. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen.
Elternblog
Nicht jede Scheidung ist eine Katastrophe
Eine Trennung ist für jede Familie eine schmerzhafte Erfahrung, doch es eröffnet auch ungeahnte Freiheiten, schreibt Michèle Binswanger.
Elternbildung
Wenn das Kind in einen Loyalitätskonflikt gerät
Wer sich von seinem Partner trennt, tut dies selten in bestem Einvernehmen. Sind die Gräben aber zu tief, kann das für die Entwicklung eines Kindes negative Folgen haben.
Elternblog
Wie lebt es sich mit einer Nachzüglerin? 
Unsere Bloggerin Valerie Wendenburg hat durch ihre Nachzüglerin oft das Gefühl, zwei Leben als Mutter zu führen. Über die Vor- und Nachteile.
Weniger Streit mit dem Ex-Partner
Elternbildung
Weniger Streit mit dem Ex-Partner
Meist erhoffen sich Paare nach einer Trennung mehr Ruhe im Familienleben, was nicht einfach ist. Fünf Tipps für eine friedvolle Kommunikation.
Erziehung
«Kinderrechte werden oft nicht umgesetzt»
Irène Inderbitzin erklärt, warum es die Kinderombudsstelle braucht und wie sie hilfesuchende Kinder konkret unterstützen.
Elternbildung
Getrennt: So bleiben dem Kind beide Eltern erhalten
Kinder können eine Trennung gut meistern, wenn Mütter und Väter zusammen- statt gegeneinander arbeiten. Dies kann im kooperativen oder im parallelen Modell funktionieren.
Wie spricht man mit Kindern über eine Scheidung?
Erziehung
Wie spricht man mit Kindern über eine Scheidung?
Eine Scheidung der Eltern ist für die meisten Kinder ein Schock. Sie können oft nicht verstehen, weshalb sich die Eltern nicht mehr lieben. Manche Kinder reagieren sehr verunsichert, andere aggressiv. 
Elternblog
Eine Patchworkfamilie im Strudel der Adventszeit
Unsere Bloggerin Valerie Wendenburg hadert mit dem Klischee der heilen Familie und wirft einen ehrlichen Blick auf die Herausforderungen und Chancen einer Patchworkfamilie vor und an Weihnachten.
Fabian Grolimund Kolumnist
Elternbildung
Was Kindern nach einer Trennung hilft
Fast jede zweite Ehe wird heute geschieden. Das stecken die Kinder nicht so leicht weg. Ihre Wut und Trauer gilt es auszuhalten.
Valerie Wendenburg: Ich heirate eine Familie
Familienleben
Ich heirate eine Familie
Sechs Prozent aller Schweizer Kinder wachsen in Patchworkfamilien auf. Wie gelingt es, das Familienkonstrukt wie ein Puzzle immer wieder neu zusammenzusetzen?
Wir leben Respekt und Toleranz vor
Entwicklung
«Wir leben Respekt und Toleranz vor»
Marcelle Graf ist Assistentin der Geschäftsleitung in einem Büro. Der Vater von Ariseo und Nelio wohnt auch in St. Gallen und ist trotz ­Trennung präsent.
«Ich möchte zu Papi ziehen!»
Blog
«Ich möchte zu Papi ziehen!»
Wenn der Sohn unerwartet zum Ex-Mann zieht, ist das für eine Mutter schmerzlich. Dass es sich lohnt, Realitäten zu akzeptieren, hat unsere Bloggerin erlebt.
Heute wohne ich bei Papa
Familienleben
Heute wohne ich bei Papa
Heute haben immer mehr Männer das Ziel, auch nach einer Trennung im Leben ihrer Kinder präsent zu bleiben.
Ich erzähle: «Mit der Trennung wuchsen bei mir die Schuldgefühle»
Elternbildung
«Mit der Trennung wuchsen bei mir die Schuldgefühle»
Benno Roth*, Vater von zwei Töchtern, lebt nicht mehr mit der Mutter seiner ­Kinder zusammen. Um diese schwierige Zeit zu bewältigen, brauchte er Hilfe.