Schluss mit nur Bespassung! - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Schluss mit nur Bespassung!

Lesedauer: 4 Minuten

Gestalten statt konsumieren: Mit diesen kreativen Apps lernen Kinder und Jugendliche, das Smartphone als Werkzeug zu nutzen.

Vor dem Internetzeitalter galt das Fernsehen als Leitmedium Nummer eins. Vielen Eltern bereitete der Medienkonsum ihrer Kinder schon damals Unbehagen, weil der Nachwuchs den Ausschaltknopf nicht finden und sich am liebsten stundenlang berieseln lassen wollte. Heute bereitet uns das Smartphone ähnliche Sorgen, wenn Kinder und Jugendliche zu viel Zeit mit passiver Bespassung durch Tiktok, Instagram oder Youtube verbringen.

Mit den richtigen Apps fürs Smartphone oder Tablet können Kinder und Jugendliche aktiv, produktiv und kreativ der Konsumhaltung entkommen.

Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied: Das Fernsehen ist und bleibt eine mediale Einbahnstrasse – es kann nur senden. Die richtigen Apps hingegen erlauben Kindern, selbst gestalterisch tätig zu werden. Kein Gerät ist dafür so wunderbar geeignet wie das Smartphone oder das Tablet. Beide sind multifunktionale Werkzeuge zum Aufnehmen, Schreiben, Malen, Bearbeiten, Präsentieren und Teilen. Kinder und Jugendliche können damit aktiv, produktiv und kreativ der Konsumhaltung entkommen – es muss ihnen nur jemand zeigen. Bedauerlicherweise werden besonders gute Kreativ-Apps nach wie vor überwiegend für das iPad entwickelt. Darum finden Sie im Folgenden auch Hinweise zu Alternativen, die aber nicht zwingend dieselben Funktionen haben.

Filme: iMovie

Kaum ein Videoprogramm ist so einfach und selbsterklärend wie iMovie. Damit schneiden und trimmen Kinder und Jugendliche mühelos eigene Clips, bauen Überblendungen ein, legen Musik unter die Bewegtbilder und vieles mehr. Zum ersten spielerischen Üben ist die Trailer-Sektion besonders zu empfehlen. Darin liefern fertige Baukästen mit passender Musik und genretypischem Design – Action, Krimi usw. – den perfekten dramaturgischen Überbau. Jetzt müssen nur noch die eigenen Aufnahmen hinzugefügt werden, und selbst da ­liefert iMovie hilfreiche Schritt-­für-Schritt-Anleitungen. So lässt sich etwa die Familienfeier festhalten oder eine Schulpräsentation professionell aufpeppen. Zudem motivieren die Trailer, eigene Meisterwerke zu drehen und zu schneiden.

Mac, iPhone, iPad, kostenlos. Android-­Alternative: Kinemaster (Kinemaster Corporation, gratis mit In-App-Käufen).

Bücher: Book Creator

Der Book Creator ist heute schon ein Klassiker. Damit erstellen Kinder, sobald sie lesen und schreiben können, eigene E-Books. Kurz zusammengefasst, funktioniert die App wie eine stark vereinfachte Version aus Word und Powerpoint von Microsoft. Weil es im Prinzip nur zwei Knöpfe gibt, ist die Bedienung intuitiv. Bei einem Text wählen ­Kinder Grösse und Farbe der Schrift nach eigenen Vorlieben oder fügen Fotos ein. Texte können sie eintippen oder handschriftlich verfassen. Dabei lässt sich jedes Element mithilfe der Anfasser-Punkte an die gewünschte Stelle drehen und verschieben. Der Book Creator eignet sich für eigene Geschichten, Schulpräsentationen, Fotoromane, Anleitungen und vieles mehr.

iPad, Tools For School, 3 Fr. Alternative: Eine Weile gab es Book Creator auch für Android, inzwischen nicht mehr. Dafür kann die App für die Schule online (www.bookcreator.com) genutzt werden, bislang allerdings nur in englischer Sprache.

Zeichenkunst: Paper

Zeichnen am Computer war für Kinder nie einfach. Mit der Maus ist gutes Skizzieren schlichtweg nicht möglich, und ein professionelles Grafiktablet gibt es im Kinderzimmer eher selten. Erst das iPad hat gezeigt, was mit dem Finger und jetzt mit dem sogenannten Pencil möglich ist. Dieser Stift hat eine ­feine Spitze und ermöglicht genaueres Zeichnen. Die App Paper ist genau richtig, um einfach mal loszulegen. Dazu stehen Nachwuchskünstlern Pinsel, Füllfeder, Blei- und Filzstifte zur Verfügung, die sie in verschiedenen Grössen und Breiten auswählen. Selbst das Anfertigen einfacher geometrischer Formen ist möglich. Fehler können mit der Zurückfunktion korrigiert werden, ein Radierer setzt dagegen punktuell an. Die Bilder lassen sich im Bilderordner des Geräts speichern oder exportieren. Da die Nutzung sich recht simpel gestaltet, ist für Jugendliche die ambitioniertere App Procreate (Savage Interactive, ca. 10 Fr.) empfehlenswert, die zusätzlich mit Ebenen arbeitet.

iOS, Wetransfer BV, gratis (Pro-Version ab 10.50 Fr.). Android-Alternative: Bamboo Paper (Wacom, gratis mit In-App-Käufen).

Zeichentrickfilm: Flip Clip

Viele Kinder sind von Zeichentrickfilmen fasziniert. Mit Flip Clip erstellen sie ihre eigenen animierten Bewegtbilder. Die App ist kinderleicht zu bedienen. Erst zeichnen Kinder eine Figur oder einen Gegenstand, dann öffnen sie die nächste Seite und übermalen die erste Version, verändern sie aber im Detail. So geht es Schritt für Schritt weiter. Durch das andauernde Überzeichnen ist der Prozess aber anstrengend. Nur Geduldige bekommen gute Ergebnisse, sonst ist der Clip zu kurz. Anschliessend läuft das Er­geb­nis in einem Video ab. Ist etwas schiefgegangen, kann der Fehler gezielt auf der entsprechenden Seite korrigiert werden. Die App ist ­kostenlos, aber nicht werbefrei. Alternativ ist auch Folioscope (iOS, ­1 Button, gratis) sehr zu empfehlen.

iOS, Jochen Falck, gratis. Android-­Alternative: Flip a Clip (Visual Blasters, gratis mit In-App-Käufen).

Zeichnen am Computer war für Kinder nie einfach. Erst das iPad hat gezeigt, was mit dem Finger möglich ist.

Sprechende Bilder: ChatterPix

Diese App ist witzig, denn mit ihr bringen Kinder Gegenstände zum Sprechen. Dazu machen sie ein Foto von einem Gegenstand, zum Beispiel einer Pflaume. Dann wird mit dem Finger ein Strichmund gezogen und anschliessend eine Sprach­aufnahme aufgenommen. Beim Abspielen beginnt sich der Mund auf der Pflaume synchron zur Aufnahme zu bewegen. Damit lässt sich wunderbar Unsinn machen. Denkbar wäre aber auch der Einsatz bei Referaten mit Präsentationen – auf diese Weise könnte der zu behandelnde Gegenstand mündlich Auskunft über sich selbst geben.

iOS, Android, Duck Duck Moose LLC, gratis.

Animation: iStopMotion

iStopMotion gehört ebenfalls zu den Klassikern im App-Bereich. Bei einem Stop-Motion-Film werden Gegenstände, Spielsachen, Helden- oder Knetfiguren lebendig. Es muss allerdings mühselig jeder Schritt und jede Veränderung einzeln aufgenommen werden. Im Gegensatz zur animierten Zeichnung ist dies mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Denn die Kamera des Tablets oder Handys sollte mithilfe eines Stativs befestigt werden, damit sich der Blickwinkel nicht verändert. Das Szenario sollte am besten auf einem Tisch stattfinden, der gut ausgeleuchtet ist. Mit Stop-Motion-­Filmen sind unterhaltsame Clips ebenso möglich wie animierte Ergänzungen bei einer Präsentation.

iOS, iStopMotion, Boinx Software, ca. 10 Fr. Android-Alternative: Stop Motion Studio (Cateater, kostenlos mit In-App-Käufen). 

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Alle Artikel von Thomas Feibel