Störenfriede im Netz - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Störenfriede im Netz

Lesedauer: 4 Minuten

Trolle im Internet machen Kindern und Jugendlichen das Leben schwer und schaden der Gesellschaft. Was hinter der Hetze steckt. Und wie man mit ihr umgeht.

Das Wichtigste in Kürze:

Internet-Trolle können richtig lästig sein: Sie sind fies, schwer abzuschütteln und freuen sich, wenn man auf ihre Provokationen eingeht. Denn dann drehen sie erst recht auf. Thomas Feibel gehört zu den führenden Medienexperten im deutschsprachigen Raum. Er beschreibt, was hinter der Hetze steckt und wie man mit ihr umgeht.

Regel Nummer 1: Reagiere nie auf einen Troll!

Weitere Tipps zum Umgang mit systematischen Beleidigungen im Internet und wie Eltern ihre Kinder schützen können, lesen Sie im nachfolgenden Beitrag.

Ein Klassiker geht so: In der Primarschule wird eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, damit sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig helfen und informieren. Doch meist dauert es nicht lange, bis ein Kind im Chat beginnt, die anderen zu ärgern, zu drangsalieren und zu beleidigen. Freundliche Ermahnungen der Klassenkameraden nützen nichts – sie stacheln den Quälgeist nur noch mehr an. Und wenn ihm jemand Paroli bieten will, eskaliert die Situation vollends. Am Ende müssen Eltern und Lehrkräfte rigoros eingreifen.

Beleidigungen als Köder

Dennoch zeigt dieses Beispiel eine eher harmlose Variante digitaler Plagegeister. Für gewöhnlich steckt hinter solchen infantilen Attacken keine Bösartigkeit, sondern nur der unbeholfene Versuch, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zudem kann so ein Unruhestifter recht schnell zur Verantwortung gezogen werden, da jeder im Klassenchat die Person kennt. Das unterscheidet einen Störenfried signifikant vom sogenannten Troll, dessen Identität stets im Verborgenen bleibt.

Eine kleine Troll-Historie

Trolle werden Personen im Internet genannt, die im Schutz der Anonymität andere Nutzerinnen und Nutzer beschimpfen, provozieren, demütigen, verspotten, gegeneinander aufhetzen und quälen. Bevorzugt versprühen sie ihr gehässiges Gift in Chats, Foren, Blogs, Games, sozialen Medien oder direkt in den Kommentarspalten von YouTube und anderen Anbietern. Ihr bösartiges Verhalten zählt zum sogenannten «Flaming», der zündelnden Variante von Cybermobbing. Beleidigungen und Beschimpfungen spielen dabei ebenso mit hinein wie das Verbreiten von Falschnachrichten – dazu später mehr.

Bis heute gilt der Rat, Kindern nur Chatgruppen zu gestatten, die moderiert werden. Aufpasser können dort lenkend eingreifen.

Die Bezeichnung Troll geht auf «Trolling The Bait» zurück, einer speziellen Angeltechnik, um besonders viele Fische zu ködern. Sinnbildlich legen Trolle ihre Provokationen und Beleidigungen wie ein Lockmittel im Web aus, damit möglichst viele Menschen auf sie reagieren. Trotzdem verbinden wir mit dem Begriff des Internet-Trolls eher das mystische Fabelwesen aus der nordischen Sagenwelt. Einerseits gilt dieser Gnom als tückisch und schwer einschätzbar, andererseits erhält der an sich unsichtbare Peiniger so ein Gesicht. Bereits in der Anfangszeit des Internets kam es für manche Kinder und Jugendliche zu unangenehmen Erfahrungen mit Trollen.

Im Zeitalter von Whatsapp und sozialen Medien ist das Angebot an speziellen Chat-Seiten für Kinder zwar rapide gesunken, aber lange Zeit dienten diese ihnen als erste Gehversuche in Sachen digitaler Kommunikation. Dort probierten sich Kinder und Jugendliche mit blumigen Pseudonymen aus, wechselten nach Lust und Laune das Geschlecht und gaben sich älter aus, als sie waren, um mit anderen Unbekannten, die es mit der Wahrheit meist auch nicht so genau nahmen, munter draufloszuplappern.

Ernste Auseinandersetzungen mit dem Troll lohnen sich nicht.

Dies geschah mühelos und deutlich anonymer als heute, weil in diesem verrückten Rollenspiel nur Namen und Dialoge ausreichten. Genau das lockte aber auch Trolle an, die sich einen Jux draus machten, die Anwesenden im Chat aufzumischen. Je mehr sich die Beteiligten aufregten, desto polternder teilte der Troll weiter aus. Am Ende blieb allen Nutzerinnen und Nutzern nichts anderes übrig, als frustriert und entnervt den Chat zu verlassen. Darum gilt bis heute der Rat, Kindern nur Chatgruppen zu gestatten, die moderiert werden. Aufpasser können dann lenkend eingreifen, den Troll erst verwarnen und dann schliesslich aus dem Chat verbannen. In der Regel nützt das wenig, weil der Troll schon nach wenigen Minuten unter einem neuen Kunstnamen zurückkehrt und mit seinen Boshaftigkeiten weiterfahren kann.

Aber: Was hat er eigentlich davon?
Was treibt den Troll an?

Da niemand den Troll kennt, fällt es schwer, ihn zu charakterisieren. Experten gehen davon aus, dass sein Treiben auf einer Mischung aus Langweile, Frustration und Gel-tungsbedürfnis beruht. Darum suchen Trolle die Konfrontation und wollen in erster Linie provozieren. Ganz bewusst verstossen sie gegen die guten Sitten und äussern sich deshalb bevorzugt rassistisch, homophob oder frauenfeindlich.

Nutzer jeglichen Alters fallen auf diese Brüskierungen herein und hal-ten sie für eine Diskussionseröff-nung. Wer darauf reagiert, wird sofort persönlich verunglimpft und beleidigt. Eine ernste Auseinander-setzung mit dem Troll lohnt sich zudem nicht. Sie ist ohnehin nicht möglich, weil er überhaupt kein Interesse an Argumenten hat und noch nicht einmal selbst von seinen infamen Behauptungen überzeugt sein muss. Deshalb raten Fachleute, Trolle einfach nicht zu beachten. Das ist schwer, besonders, wenn eine politische Dimension hinzukommt.

Ignorieren statt zurückschiessen

Der politische Troll handelt nicht aus persönlicher Frustration, sondern ist fest davon überzeugt, eine bedeutende Mission zu haben. Er misstraut dem politischen System ebenso wie den angeblich gleichgeschalteten Medien, die das Volk seiner Meinung nach permanent belügen. Zur vermeintlichen Aufklärung zieht er Verschwörungstheorien und Fake News heran.

Seine Informationen dazu findet dieser Troll auf dubiosen Seiten und Foren. Seine Quellen stammen unter anderem aus russischen Troll-Fabriken, die einen strategisch wichtigen Teil der digitalen Kriegsführung aus machen. Darin sind ganze Social-Media-Heere aktiv tätig, um unermüdlich die Zersetzung der öffentlichen Meinung in anderen Ländern voranzutreiben.

Regeln für Kinder und Erwachsene

  • Eine Grundregel lautet: «Don’t Feed The Troll», sprich: nicht auf den Troll reagieren. Das ist schwer, weil der Troll schnell
    ­persönlich­ und­ fies­ wird.
  • Es ist sinnlos, mit Trollen zu diskutieren. Bei Konfrontationen nicht persönlich getroffen sein.
  • In sozialen Netzwerken können unliebsame Personen blockiert oder gelöscht werden.
  • In extremen Fällen den Betreiber des Netzwerks informieren. Bei Androhung von Gewalt oder Todesdrohungen Screen-shots machen und die Polizei informieren.
  • Immer respektvoll mit anderen Personen im Netz umgehen.

Sie säen Zweifel, hetzen und wollen demokratische Gesellschaften spalten. Ohne es zu merken, wird der Troll zum instrumentalisierten Tropf. Das macht ihn noch gefährlicher. Gegen Trolle ist kein Kraut gewachsen. Wir müssen hinnehmen, dass wir es mit einem weiteren Internetproblem zu tun haben, auf das es keine konkrete Lösung gibt.

Trolle sind nicht an Argumenten interessiert. Sie verstossen bewusst gegen die guten Sitten.

Sobald Trolle das Netz mit ihrer Bösartigkeit kontaminieren, träufelt ihr Gift allmählich in die ganze Gesellschaft. Also auch zu uns und unseren Familien. Selbst wenn wir uns gegen solche Aktivitäten nicht erfolgreich zur Wehr setzen können, hilft es doch, diese Mechanismen zu durchschauen und Trollen ohne schlechtes Gewissen keinerlei Beachtung zu schenken. «Ignorieren ist nicht das gleiche wie Ignoranz», schreibt die Schriftstellerin Margret Atwood, «man muss etwas dazu tun.»

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Alle Artikel von Thomas Feibel