«Online wird mein Kind gemobbt» – und 8 weitere Elternsorgen - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Online wird mein Kind gemobbt» – und 8 weitere Elternsorgen

Lesedauer: 5 Minuten

Hand aufs Herz: Wer von Ihnen weiss wirklich, was sein Kind da die ganze Zeit am Smartphone macht? Und wie oft haben Sie sich schon gesorgt, ob das Ihrem Kind schaden könnten? Wir nehmen die heute erschienene JAMES-Studie zur Mediennutzung von Jugendlichen zum Anlass, um auf die häufigsten Elternsorgen einmal statistisch zu antworten. Manches wird sie beruhigen.

SORGE 1: Mein Kind hängt nur noch am Handy und vernachlässigt alles andere.

Tatsächlich zeigt die gerade neu erschienene JAMES-Studie, dass die Schweizer Jugendlichen heute 25 Prozent mehr Zeit online verbringen als vor zwei Jahren. Die befragten 12- bis 19-Jährigen sind nach eigenen Angaben unter der Woche im Schnitt 2,5 Stunden und am Wochenende 3 Stunden und 40 Minuten pro Tag online.

Eine Erklärung für den Anstieg ist, dass das Internet fast überall mit dabei ist: 99 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Handy und geben an, es täglich oder mehrmals in der Woche zu benutzen. Schon ein Drittel der Jugendlichen hat monatlich mehr als 5 Gigabyte mobiles Internet zur Verfügung, kann also überall und immer online sein. Da Jugendliche aber nicht immer online sind, wenn sie am Handy sitzen, liegt die selbst eingeschätzte Nutzungszeit der Jugendlichen sogar noch höher: nämlich bei 3,5 Stunden pro Tag unter der Woche und 4,5 Stunden am Wochenende.

Spannend ist aber: Die Häufigkeit der Freizeitaktivitäten ohne Medien nimmt trotzdem nicht ab. Jugendliche treffen genauso oft Freunde wie früher, gehen zum Sport, ruhen aus, kümmern sich um Haustiere und machen Musik. Sie tun also das eine immer mehr, lassen aber gleichzeitig das andere nicht bleiben.

Zudem vermischen sich Online und Offline immer mehr, und so wird auch die Selbsteinschätzung der Onlinezeit immer schwieriger. Gilt Freunde treffen als nichtmedia­le Tätigkeit, wenn man sich zwischendurch über ein Youtube-Video austauscht und dort reinschaut?

SORGE 2: Mein Kind gibt zu viel von sich preis!

Vermutlich nicht. Jugendliche sind zunehmend zögerlich, was das Veröffentlichen persönlicher Inhalte be­­trifft. Erinnern Sie sich an YouNow? Die Plattform, die Livestreams mit Chat aus dem Kinderzimmer heraus ermöglicht und Eltern damit in Angst und Schrecken versetzt hat? Die JAMES-Studie hat dieses Jahr erstmals gefragt, wer diese Möglichkeit nutzt. Gerade zwei Prozent der Jugendlichen tun dies regelmässig, sieben Prozent mindestens einmal im Monat. Auch Blogs, Podcasts und Wikipedia-Beiträge werden von Jugendlichen nur sehr selten erstellt. Etwas häufiger laden Sie Musik oder Sound-Dateien ins Internet (etwa 15 Prozent tun dies monatlich) oder beteiligen sich an Foren. Lediglich Fotos und Videos werden von Jugendlichen wirklich regelmässig ins Internet geladen. Aber auch hier sind die Zahlen kleiner, als viele vermuten:  11 Prozent der Jugendlichen machen dies mehrmals die Woche, 39 Prozent mindestens einmal im Monat.

Es fällt auf, dass die häufigsten Tätigkeiten von Jugendlichen in den sozialen Netzwerken passive Tätigkeiten sind: Fotos und Profile ansehen und «liken». Oder dass sie in einem eher privaten Rahmen stattfinden (chatten und Nachrichten versenden). 61 Prozent geben an, dass sie in sozialen Netzwerken vor allem Fotos posten, bei den Videos sind es nur 23 Prozent. Ein beruhigender Fakt: Dass plötzlich Fremde vor Ihrer Türe stehen, ist sehr un­­wahrscheinlich. Nur 15 Prozent der befragten Jugendlichen geben ihren echten Wohnort in einem sozialen Netzwerk preis. Noch weniger, nämlich 8 Prozent, ihre Telefonnummer. 

SORGE 3: Mein Kind blickt bei den komplizierten Privatsphäreeinstellungen von Facebook nicht durch.

Stimmt. Und das ist mit ein Grund, warum viele Jugendliche ihre Bilder und Nachrichten lieber auf Plattformen teilen, bei denen sie besser kontrollieren können, wer diese sehen kann. Auf Instagram zum Beispiel ist der Account schnell auf privat gestellt, und auf WhatsApp und Snapchat bestimmen die Jugendlichen selbst, wer der Empfänger ihres Bildes ist.
 
Mit diesem Wechsel zu privateren Netzwerken findet aber auch eine leichte Abnahme der Sorge um die eigene Privatsphäre statt. Heute geben 74 Prozent der Jugendlichen an, dass sie ihre Privatsphäre schützen. 2012 waren es noch 84 Prozent. Umso wichtiger ist also, dass Sie mit Ihrem Kind darüber sprechen, dass jedes digitale Foto im Internet geteilt werden kann. Auch jenes, das vertrauensvoll über WhatsApp einem Freund geschickt wurde.

SORGE 4: Mein Kind lernt im Internet Pädophile kennen.

Dass einer Online-Bekanntschaft ein reales Treffen folgt, ist längst keine Seltenheit mehr: 41 Prozent der Jugendlichen haben das schon erlebt. Das Treffen an sich muss keine Gefahr darstellen, wenn man sich an bestimmte Regeln hält, zum Beispiel an einen öffentlichen Platz geht und einen Elternteil mitnimmt. So können aus Bekanntschaften im Internet echte Freundschaften werden – oder gar Liebe.

Die Kehrseite der leichten Kontaktaufnahme im Netz: Ein Viertel der Jugendlichen hat bereits erlebt, dass sie im Internet unerwünscht und mit sexuellen Absichten angesprochen wurden – man nennt das im Fachjargon Cybergrooming. Mädchen sind mit 34 Prozent deutlich häufiger betroffen als Jungen (17 Prozent). 

SORGE 5: Mein Kind wird online gemobbt.

Da das Internet ein wichtiger Ort für Jugendliche ist, um zu kommunizieren, findet hier – ähnlich wie im Klassenzimmer – auch Mobbing statt. Das Problem mit Studien über Cybermobbing ist, dass es keine allgemeingültige Definition von Cybermobbing gibt. Gehört ein «Boah, bist du hässlich» unter einem Facebook-Foto schon in die Kategorie Mobbing, oder ist das einfach der Umgangston unter Jugendlichen übertragen ins Netz?
 
Die JAMES-Studie behilft sich, indem sie zwei Fragen stellt: Etwa ein Fünftel der Jugendlichen sagt, es sei schon einmal vorgekommen, dass jemand sie im Internet fertigmachen wollte. Auf die etwas spezifischere Frage, ob schon einmal Falsches oder Beleidigendes über sie im Internet verbreitet wurde, antworten nur noch 12 Prozent mit Ja.
 
Das Fiese am Mobbing im Internet im Vergleich zum «normalen» Mobbing ist, dass es keine Rückzugsorte gibt. Es hört nicht auf, wenn der Jugendliche nach Hause kommt. Und dass der Jugendliche nicht wissen kann, wie viele zu­­schauen und mitlesen, ist eine besonders grosse Belastung für ihn.

SORGE 6: Mein Kind kommt im Netz automatisch mit Gewalt- und Pornografie in Berührung.

Sollten Sie einen Sohn im Teenageralter haben, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auf dem Handy oder Computer Pornofilme ansieht, tatsächlich sehr hoch. Rund drei Viertel geben an, dass dies schon vorgekommen sei. Bei den Mädchen ist es gerade einmal ein Fünftel der Befragten, die dies zugeben.

Auch das Verschicken und Empfangen von Pornografie aufs Handy ist eher Jungensache. Einzig bei der Frage nach dem Sexting, also dem Verschicken von aufreizenden Fotos und Videos von sich selbst, sind Jungen und Mädchen etwa gleichauf: 10 Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Jungen sagen, dass sie das schon gemacht haben. 

Bei Videos mit Gewaltdarstellungen ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern weniger gross als bei der Pornografie. Rund zwei Drittel der Schweizer Jugendlichen sa­­gen, dass sie so etwas schon gesehen haben. 76 Prozent sind es bei den Jungen und 53 bei den Mädchen. 

SORGE 7: Mein Kind verlernt in sozialen Netzwerken, was wahre Freundschaft bedeutet. Es sammelt nur noch Follower.

Im Vergleich zu 2014 hat die Zahl der Kontakte von Jugendlichen im Netz leicht zugenommen: Auf Facebook haben Jugendliche im Schnitt 427 Freunde, auf Instagram 531 – dort heissen sie Follower, und eine Kontaktannahme bedeutet nicht, dass man sich gegenseitig folgt.
 
Ob Jugendliche diese Kontakte mit echten Freunden verwechseln, kann aus einer statistischen Studie wie der JAMES-Studie nicht direkt herausgelesen werden. Es fällt je­­doch auf, dass im Netzwerk Snapchat, wo tendenziell Persönlicheres geteilt wird, die Freundesanzahl viel niedriger ist: Sie liegt bei 154 Kontakten. Da die Teilfreudigkeit in offeneren sozialen Netzwerken einem Abwärtstrend unterliegt (siehe Sorge 2), kann man also davon ausgehen, dass die Jugendlichen ein Bewusstsein dafür haben, wer zum engeren Freundeskreis gehört und wem man demzufolge auch mehr von sich preisgeben möchte.

SORGE 8:  Mein Kind nutzt die Kommunikationsmöglichkeiten im Netz gar nicht. Es spielt ja nur Computerspiele. Und vereinsamt dabei!

Während viele Eltern selbst Facebook, WhatsApp und Co. nutzen, sind Games für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Daher wissen sie auch nicht, dass viele Online-Games eine Chatfunktion mitbringen. Die Kommunikation dort birgt dieselben Chancen und Risiken wie Chats in sozialen Netzwerken oder öffentlichen Chatrooms.

Rein statistisch ist Gamen gemäss JAMES-Studie, eher ein Jungen-Ding: 91 Prozent der Jungen spielen Videogames, 42 Prozent der Mädchen. Im Schnitt verbringen die Kids damit ein bis zwei Stunden pro Tag. Einen möglicherweise beruhigenden Fakt hält die JAMES-Studie auch noch parat: Die Intensität des Gamens lässt mit zunehmendem Alter der Befragten nach.

SORGE 9:  Mein Kind tappt mit dem Handy in die Schuldenfalle.

Zumindest statistisch kann das nicht bestätigt werden. Bei der Hälfte der Befragten liegt die Handyrechnung zwischen 20 und 55 Franken im Monat. Zusammen mit den Ausreissern nach oben oder unten kommt man auf durchschnittliche Handykosten von 39 Franken pro Monat. Das sind nur zwei Franken mehr als 2014, und das obwohl Jugendliche länger online sind als damals.

Mit zunehmendem Alter haben immer mehr Jugendliche ein Abonnement mit unlimitiertem Datenvolumen, so dass Ende Monat keine bösen Überraschungen auf sie zu­­kommen. Zudem  telefonieren sie immer weniger und schreiben weniger SMS. Ein hohes Datenvolumen allein deckt also meist schon all ihre Bedürfnisse ab.

Bild: Bill Cheyrou / Alamy Stock Photo


Bianca Fritz, Fritz+Fränzi-Redaktorin, ist im Schnitt pro Tag 2 Stunden und 15 Minuten am Smartphone – und erstaunt, dass sie damit trotz beruflicher Nutzung und subjektiv empfundener Abhängigkeit noch unter dem Durchschnitt der Jugendlichen liegt.
Bianca Fritz, Fritz+Fränzi-Redaktorin, ist im Schnitt pro Tag 2 Stunden und 15 Minuten am Smartphone – und erstaunt, dass sie damit trotz beruflicher Nutzung und subjektiv empfundener Abhängigkeit noch unter dem Durchschnitt der Jugendlichen liegt.