Finstagram: Pickel statt Filter - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Finstagram: Pickel statt Filter

Lesedauer: 1 Minuten

Sich in Pose werfen – das beherrschen Teenager auf Instagramperfekt. Nun gibts Finstagram, wo sie sich so zeigen, wie sie manchmal sind: verschlafen, picklig, Grimassen ziehend. 

Für die junge Generation ist Instagram zur Visitenkarte geworden; zu einer Art Lebensresümee à la: «Das bin ich. Das ist mein Leben. Na, eifersüchtig?» Allein, das Leben besteht nicht nur aus tollen Partys, trendigen Klamotten und Sonnenseiten-Selfies. Das dachten sich wohl auch einige Teenager in den Vereinigten Staaten, die es müde waren, ihre langweiligen, perfekten Online-Avatare zu pflegen. Sie begannen, sogenannte «Finstagrams» zu erstellen: gefälschte Instagram- Konten; das Wort leitet sich ab aus «Fake Instagram». Auf diesen gesperrten, pseudonymen Konten zeigten sie einem ausgewählten Freundeskreis ihr echtes Ich – die Realität, welche die «Follower» ihres Instagram-Kontos nie zu Gesicht bekamen. 

Verstecktes Zweitkonto

Auf Finstagram, dem versteckten Zweitkonto bei Instagram also, posten US-Teenager inzwischen die Bilder, die sie auf ihren Handys sonst lieber ganz schnell löschen. Übersetzt man Finstagram ins Deutsche, handelt es sich wie erwähnt um die «gefälschte» Schwester von Instagram. Eigentlich verwirrend. Denn Sinn der Sache ist: Auf «Finsta» werden ungeschönte Bilder gepostet, die Realität also. Filter und Nachbearbeitungen sind tabu – genau das Richtige für alle, die genug von gestellten und bearbeiteten Bildern haben. Hier kann man sich mal so richtig austoben und «echt» sein, ohne die ganze Online-Inszenierung. In den Vereinigten Staaten legen sich immer mehr Teenager ein solches Konto an. Im Gegensatz zum Haupt-Account verfolgt dieser zweite Instagram-Account nicht das Ziel, so viele Anhänger wie möglich zu sammeln. Hier geht es vielmehr ums Echtsein. Auf Finstagram zeigen Jugendliche ihr ungeschminktes Selbstporträt. Zugang zu diesem Konto erhält nur eine ausgewählte Handvoll sehr, sehr enger Freunde. Menschen also, denen die Teenager vertrauen, ohne Angst, sich lächerlich zu machen und in sozialen Netzwerken als Lachnummer verbreitet zu werden. 

Keine Regeln?

Auf «Finsta» gelten andere Regeln als auf Instagram. So sollte man etwa zurückhaltend sein und nie mehr als einmal pro Tag etwas veröffentlichen. Auch wird akzeptiert, dass man eine Serie von banalen Bildern teilt – unspektakuläre Screenshots etwa oder wenig schmeichelhafte Selfies. Das echte Leben eben. Bei Teenagern in der Schweiz ist Finstagram noch kein Thema. Es scheint, dass dieser Trend noch nicht bei uns angekommen ist. Ich habe dazu eine 16-jährige Jugendliche befragt, die aktiv Instagram nutzt. Sie gab zu: «Ja, meine Freundinnen und ich überlegen uns sehr genau, welche Bilder wir veröffentlichen. Und wir bearbeiten sie eigentlich immer. Schliesslich wollen wir uns in einem guten Licht präsentieren.» Nachgefragt, was sie von einem Finsta-Account halten würde, erklärte sie: «Neben meinem eigentlichen Konto noch ein zweites Konto zu pflegen, wäre mir zu aufwendig. Aber wenn das plötzlich alle tun? Vielleicht würde ich es mir dann überlegen.» Auch wenn Finstagram bei uns noch nicht Einzug gehalten hat, kann es eine gute Gelegenheit für Eltern sein, ein neues digitales Phänomen mit den eigenen Teenagern zu diskutieren. Für einmal ganz ohne erhobenen Zeigefinger.
Michael In Albon ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.
Michael In Albon ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.


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