Nasenbluten stoppen, aber richtig
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Nasenbluten stoppen, aber richtig

Lesedauer: 6 Minuten

Wenn Blut aus der Nase fliesst, ist das für Kinder erst einmal erschreckend. Dabei ist Nasenbluten in den meisten Fällen harmlos. Wie Eltern richtig handeln und wann der Gang zum Kinderarzt doch nötig ist.

Text: Julia Deshkin
Bild: iStock

Gerade noch bohrt Jannis gedankenverloren in der Nase, schon ist es passiert: Plötzlich rinnt Blut aus dem rechten Nasenloch und tropft unkontrolliert auf die Kleidung – Panik kommt auf. Was auf den ersten Blick dramatisch aussieht, ist in den meisten Fällen jedoch völlig harmlos. Lorraine de Trey, Fachärztin an der HNO-Praxis Milchbuck in Zürich, weiss, worauf das Nasenbluten zurückzuführen und was zu tun ist.

Nasenbluten betrifft vor allem Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren, aber auch ältere leiden noch darunter.

Lorraine de Trey, Ärztin

«Rund 60 Prozent aller Kinder über zwei Jahre erleben einmal Nasenbluten. Am häufigsten betrifft es Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren, aber auch ältere Kinder leiden teilweise noch darunter», sagt de Trey. Deutlich seltener sei dies bei unter Zweijährigen und älteren Teenagern zu beobachten.

Die Ursache für Epistaxis, so der medizinische Begriff für Nasenbluten, liegt häufig in den empfindlichen Gefässen im vorderen Teil der Nasenscheidewand. Diese können durch ihre oberflächliche Lage rasch zu bluten beginnen. Oft reichen schon starkes Schnäuzen, intensives Nasenbohren oder eine Prellung durch einen Ball aus, um die Blutung auszulösen.

Kinder geraten in dem Moment naturgemäss in Panik – besonders, wenn sie zum ersten Mal ihr eigenes Blut sehen. Auch wenn es für die Eltern im ersten Moment ebenfalls ein Schreck ist, wenn das Kind blutverschmiert und weinend angelaufen kommt, sollten sie einen kühlen Kopf bewahren und für Ablenkung sorgen. Dem Kind gut zureden und erklären, dass mit ihm gerade nichts Schlimmes passiert. Oder versuchen, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, kann helfen, denn heftiges Weinen erschwert alle weiteren Massnahmen.

Den Kopf in den Nacken legen? Besser nicht!

Die erste Reaktion bei Nasenbluten ist übrigens eine falsche: Den Kopf in den Nacken zu legen, damit es nicht mehr tropft. Das ist keine gute Idee. Das Blut sucht sich einen anderen Weg und läuft statt aus der Nase in den Rachen. Das kann ab einer gewissen Menge Übelkeit und Erbrechen auslösen. Beides kann man in der ohnehin schon stressigen Situation nicht gebrauchen.

«Am besten aufrecht sitzen, den Kopf vornübergebeugt und das Blut in eine Schüssel oder ins Lavabo fliessen lassen», sagt die HNO-Spezialistin. Blut, das in den Mund geraten ist, sollte ausgespuckt werden, um Übelkeit zu vermeiden. Ein kaltes Tuch im Nacken oder ein in ein Handtuch eingewickeltes Kühlpad verengen die Gefässe. Es hilft, die Blutung zu stoppen.

Lässt sich die Blutung trotz aller Massnahmen nicht stoppen, sollte man eine Notfallstation aufsuchen.

Lorraine de Trey, Ärztin

Nun passieren solche Zwischenfälle gerne auch draussen, wo man nicht unbedingt kaltes Wasser oder ein Kühlpad zur Hand hat. In dem Fall rät de Trey: «Die Nase mit Daumen und Zeigefinger über dem Nasenflügel für etwa 10 bis 15 Minuten zusammendrücken und ruhig durch den Mund atmen. Nicht ständig kontrollieren, ob es noch blutet, sondern durchgehend komprimieren.» Auf diese Weise könne fast jedes vordere Nasenbluten gestoppt werden. Danach gilt erst mal Schonzeit. Schnäuzen und Nasenbohren sind für die nächsten 48 Stunden tabu, sonst kann das Ganze wieder von vorne losgehen.

Ein weit verbreitetes Hilfsmittel ist, sich ein Stück Taschentuch oder Watte in die Nase zu stecken, um die Blutung zu stoppen. Das erfüllt im ersten Moment zwar seinen Zweck. Es kann die frische Wunde aber allenfalls gleich wieder aufreissen, sobald das Tuch oder die Watte entfernt wird. Darum lieber auf die Kompressionstechnik setzen. Nach etwa 10 bis 15 Minuten sollte die Blutung gestillt und der Schreck schon bald vergessen sein.

Wann das Ganze trotzdem genauer angeschaut werden muss

«Hält die Blutung trotz aller Massnahmen weiter an, sollte man eine Notfallstation aufsuchen», rät de Trey. Zwar sei gelegentliches Nasenbluten kein Grund zur Besorgnis. In manchen Fällen sei eine Abklärung beim Oto-Rhino-Laryngologen (ORL), dem Spezialisten für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, jedoch ratsam. Etwa, wenn Nasenbluten über mehrere Wochen immer wieder auftritt und den Alltag des Kindes in der Schule, in der Freizeit oder beim Sport stark beeinträchtigt.

«Auch Fälle, in denen das Blut nicht vorne aus der Nase fliesst, sondern hauptsächlich nach hinten in den Rachen läuft, obwohl das Kind aufrecht sitzt, sollten abgeklärt werden», sagt die Ärztin. Wenn Blutungen immer von der gleichen Seite kommen und diese Seite zusätzlich verstopft ist, sodass das Kind nicht mehr gut atmen kann, ist ebenfalls ein Besuch beim Spezialisten angezeigt.

Nasenbluten: Eine Ärztin mit einem Jungen
Wenn Nasenbluten über mehrere Wochen immer wieder auftritt, ist eine Abklärung bei einem Spezialisten oder einer Spezialistin ratsam. (Bild: iStock)

«Alleiniges Nasenbluten ohne sonstige Symptome ist aber kein Grund zur Sorge», gibt de Trey Entwarnung. Die Häufigkeit oder Stärke des Nasenblutens sagen erst mal nichts über die Ursache aus. Auch Blutklumpen, sogenannte Koagel, seien nicht alarmierend, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers.

Wie Nasenbluten vorgebeugt werden kann

Besonders während der Winterzeit, wenn die Nase durch Erkältungen stärker strapaziert wird und die empfindlichen Schleimhäute durch Heizungsluft zusätzlich austrocknen, passieren solche Zwischenfälle immer mal wieder. Darum wird empfohlen, auch im Winter die Räume regelmässig zu lüften und gegebenenfalls Luftbefeuchter aufzustellen.

Kostengünstige Alternativen: feuchte Handtücher in der Wohnung aufhängen oder eine Schale mit Wasser auf die Heizung stellen und sie nachfüllen, sobald das Wasser verdunstet ist. Präventiv hilft auch die Verwendung einer Nasensalbe, damit die Nasenschleimhäute feucht bleiben und sich keine Risse bilden. Um das Verletzungsrisiko beim Nasenbohren zu minimieren, sollten ausserdem die Kindernägel stets kurz geschnitten sein.

5 Tipps, was bei Nasenbluten zu tun ist

  1. Ruhig bleiben und versuchen, das Kind abzulenken (Buch, Spiel, Fernsehen)
  2. Den Kopf vornüberbeugen, damit das Blut nicht in den Rachen rinnt und Übelkeit auslöst.
  3. Einen kalten Waschlappen oder ein in ein Handtuch eingewickeltes Kühlpad in den Nacken legen. Dadurch verengen sich die Gefässe und die Blutung lässt schneller nach.
  4. 10 bis 15 Minuten lang die Nasenflügel fest zusammendrücken, um die blutenden Gefässe zu komprimieren.
  5. Nach der Blutung die Nase schonen und für zwei bis drei Wochen eine Nasensalbe verwenden.

Wenn gar nichts hilft: Verätzen mit Silbernitrat

Wenn als Ursache für das häufige Nasenbluten ein verletztes Gefäss im vorderen Nasenbereich ausgemacht wird, greifen die Spezialisten oft zur Verätzung mit Silbernitrat. «Bei der Methode wird zunächst die genaue Stelle der Blutung lokalisiert und anschliessend örtlich betäubt. Danach wird das betroffene Gefäss mit einem Silbernitratstäbchen verätzt», erklärt Séverine Niederer-Wüst. Sie ist Konsiliarärztin am Ostschweizer Kinderspital und Inhaberin einer HNO-Praxis in Gossau SG.

Die Behandlung mit Silbernitrat ist ein Routineeingriff und gilt als wirksame Methode bei Nasenbluten. Insgesamt dauert die Prozedur nur wenige Minuten – der Teil mit dem Silbernitrat sogar nur wenige Sekunden. Danach sollte Nasenbluten in der Regel keine Probleme mehr bereiten.

«Der Eingriff kann meist in der HNO-Praxis vorgenommen werden. Nur wenn das Kind noch zu klein ist oder gar nicht mitmachen will, erfolgt der Eingriff unter Vollnarkose im Spital», so die Spezialistin. In dem Fall kann das Gefäss auch mit der bipolaren Pinzette behandelt werden. Die funktioniert mit Strom und verödet die betroffene Stelle präzise. Zwar könnte die Behandlung mit der bipolaren Pinzette auch unter örtlicher Betäubung stattfinden, sie wird jedoch besonders von kleinen Kindern als unangenehm empfunden.

In seltenen Fällen liegt eine andere Ursache vor

«In seltenen Fällen, wenn etwa die grösseren Gefässe im hinteren oder oberen Nasenbereich betroffen sind und der Blutverlust relevant ist, muss das Gefäss in einer Operation verschlossen werden», berichtet Niederer-Wüst von sehr speziellen Ausnahmen. Dies komme jedoch eher bei Erwachsenen als bei kleinen Kindern vor.

Häufiges Nasenbluten kann im Übrigen auch ein Hinweis auf eine Blutgerinnungsstörung sein. «Diese geht dann aber oft mit anderen Symptomen einher. Die Kinder bekommen zum Beispiel sehr leicht blaue Flecken oder haben häufig Zahnfleischbluten», erklärt die Ärztin die Anzeichen. In dem Fall wird nicht operativ, sondern medikamentös behandelt und die Zuständigkeit fällt in den Fachbereich von Hämatologen.

Nasenbluten und Blutgerinnungsstörungen

Immer dann, wenn einer der Gerinnungsfaktoren fehlt, zu wenig vorhanden ist oder nicht richtig funktioniert, kommt es zu Gerinnungsstörungen. Die bekannteste und gefährlichste Gerinnungsstörung ist die Hämophilie, oft «Bluterkrankheit» genannt.

Je nach Schweregrad können die Betroffenen lebensgefährliche Blutungen erleiden. Die Erkrankung ist jedoch gut behandelbar, wenn auch nicht heilbar.

Eine nicht so gefährliche, dafür aber weit häufigere Gerinnungsstörung ist das sogenannte Von-Willebrand-Syndrom. Die Betroffenen haben Probleme mit dem Von-Willebrand-Faktor, einem Eiweiss, das für die Blutstillung wichtig ist.

(Quelle: Deutsche Hämophiliegesellschaft, MSD Manual)

«Dies sind, wie gesagt, sehr seltene Fälle. In der Regel ist Nasenbluten kein Notfall», betont die Ärztin. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten hört das häufige Nasenbluten von allein wieder auf. Meistens reiche es schon aus, wenn die Kinder danach zwei bis drei Wochen eine Nasensalbe benutzen, um erneutes Bluten zu vermeiden.

Julia Deshkin

Julia Deshkin
ist freiberufliche Journalistin und schreibt für Magazine mit den Schwerpunkten Gesundheit und Umwelt. Sie ist Mutter von zwei Kindern im Alter von fünf und zwei Jahren und lebt mit ihrer Familie in der Region Zürich.

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