Eine psychische Erkrankung bei Teenagern erkennen
In der Teenagerzeit zeigen Jugendliche oft Anzeichen für eine psychische Erkrankung. Mit einer neuen Herangehensweise will man den persönlichen Erfahrungen der Betroffenen besser gerecht werden.
Teenager sind besonders gefährdet, psychische Probleme zu entwickeln. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der Betroffenen gestiegen. Von sechs Jugendlichen entwickelt ungefähr eine Jugendliche oder ein Jugendlicher ein psychisches Problem, das die Schule, Beziehungen und ihre Lebensqualität beeinträchtigen kann. Unglücklicherweise werden viele Teenager nicht diagnostiziert und erhalten keine Behandlung.
Die Diagnose einer psychischen Störung zu erhalten, kann ein schwieriger und langwieriger Prozess sein. Jugendliche könnten davor zurückschrecken, Hilfe zu suchen, weil psychischen Problemen ein Stigma anhaftet. Vielleicht stehen sie vor finanziellen Hürden wegen der Fahrtkosten zu Unterstützungsangeboten. Und wenn sie sich einmal dafür entschieden haben, professionelle Hilfe anzunehmen, werden sie mit langen Wartelisten konfrontiert.
Symptome von psychischen Problemen, wie zum Beispiel von Depressionen und Angststörungen, überlappen sich häufig.
Was passiert, wenn ein Jugendlicher oder eine Jugendliche all diese Hürden überwindet und eine Fachperson erreicht? Klinische Psychologinnen beziehungsweise Psychologen setzen in der Regel ein Diagnostikhandbuch ein, das psychische Probleme anhand bestimmter Symptome kategorisiert und dabei klare Grenzen zwischen den verschiedenen Diagnosen zieht. Eine Fachperson, die bei einem Jugendlichen von einer allgemeinen Angststörung ausgeht, wird ihn anhand der Kriterien für diese Diagnose beurteilen. Aber sie wird ihn wahrscheinlich nicht nach Symptomen für Depressionen fragen, obwohl der Jugendliche an diesen Symptomen leiden könnte. Dieser «taxonomische» Ansatz ist insofern nützlich, als er Forschenden und klinischen Therapeutinnen eine gemeinsame Sprache gibt, wenn sie über die psychischen Probleme von Teenagern diskutieren.
Eine Diagnose – viele unterschiedliche Verläufe
Dennoch können diagnostische Kategorien die Komplexität der einzigartigen Erfahrungen und der Bedürfnisse einer jungen Person nicht abbilden. Eine Depression kann bei Jugendlichen beispielsweise den Appetit verändern, sodass sie mehr oder weniger essen als sonst. Bei anderen kann eine Depression den Schlafrhythmus stören, sodass sie sich ständig erschöpft fühlen und ihre Konzentrationsfähigkeit leidet. Ausserdem überlappen sich die Symptome von psychischen Problemen häufig – zum Beispiel finden sich bestimmte Symptome von Depressionen oft auch bei Angststörungen. Darüber hinaus sind Veränderungen des Schlafrhythmus in der Pubertät nicht ungewöhnlich, was das Erkennen von Gründen für bestimmte Symptome erschwert. In der Folge können Eltern, Lehrpersonen und Fachleute sich schwertun, die Ursache für die Probleme einer Jugendlichen zu verstehen und die angemessene Unterstützung zu bieten.
Ein neuer Ansatz zum Verständnis von psychischen Problemen
Forschende und klinische Fachpersonen haben begonnen, einen neuen «transdiagnostischen» Ansatz zu verfolgen, anstatt sich auf spezifische Diagnosen zu konzentrieren. Das bedeutet, dass sich der Fokus von den Symptomen bestimmter Diagnosen wegbewegt und man stattdessen versucht, die zugrunde liegenden Faktoren zu identifizieren und zu behandeln, welche die psychischen Schwierigkeiten verschlimmern. Fachleute können beispielsweise abklären, ob psychische Probleme in der Familie liegen. Oder nach weiteren Faktoren wie grossem Stress, Traumata, physischen Krankheiten oder dysfunktionalem Familienleben suchen.
- Anhaltende schlechte Stimmung, Ängste oder Erschöpfung
- Veränderungen des Schlafs, Gewichts, der Essgewohnheiten oder alltäglichen Muster
- Veränderungen in der persönlichen Hygiene
- Kein Interesse mehr an Aktivitäten, die früher gerne gemacht wurden
- Rückzug von sozialen Aktivitäten
- Anzeichen von Selbstverletzung oder Selbstmordgedanken
- Suchtmittelkonsum
Falls Sie eines dieser Merkmale beobachten, drücken Sie Ihre Besorgnis aus und ermutigen Sie Ihr Kind, mit einer Fachperson zu sprechen. Kinder und Jugendliche können sich unter der Notrufnummer 147 der Pro Juventute beraten lassen. Für Eltern steht unter anderem der Elternnotruf unter der Telefonnummer 0848 35 45 55 für eine Erstberatung zur Verfügung.
Diese Perspektive erkennt an, dass sich psychische Probleme bei jeder Jugendlichen anders äussern. Und, dass jede Person auch unter mehr als einem psychischen Problem leiden kann. Damit wird auch eine individuellere Behandlung gefördert, die sich nicht nur auf eine Diagnose stützt, sondern auf eine offene Diskussion der ganz persönlichen Erfahrungen einer einzelnen Person.
Die komplexen Veränderungen, die Teenager durchleben, wirken sich auf Stimmung, Schlaf, Appetit und Leistungen in der Schule aus. Diese Veränderungen müssen nicht unbedingt ein Anzeichen für psychische Probleme sein. Wenn sie aber anhalten oder sich mit der Zeit verschlimmern, benötigt der beziehungsweise die Jugendliche wahrscheinlich die Unterstützung einer Fachperson. Wird psychische Gesundheit als Spektrum betrachtet und weniger in spezifische Kategorien eingeteilt, ist eine Unterscheidung zwischen normalen Stimmungsschwankungen und psychischen Problemen einfacher.
Die Fähigkeit erlernen, Gefühle wahrzunehmen
Angesichts der Vorteile dieses transdiagnostischen Ansatzes haben wir diesen in unserem eigenen Hilfsangebot für Teenager integriert. Wir haben eine neue Art der Intervention für psychologische Gesundheit entwickelt, das Reset-Programm für Jugendliche, die Gefahr laufen könnten, psychische Probleme zu entwickeln. Anstatt auf unterschiedliche Diagnosen zu fokussieren, konzentrieren wir uns auf allgemeine Ursachen für mehrere psychische Probleme. In diesem Programm lernen Teilnehmende Fähigkeiten, um Emotionen wahrzunehmen und zu bewältigen und um gesunde Beziehungen aufzubauen.
Fokussiert man weniger auf starre diagnostische Kategorien, können individuelle Bedürfnisse besser behandelt werden.
Wir haben uns dazu entschlossen, auf die Fähigkeiten zur Verarbeitung von Emotionen und positive soziale Beziehungen zu setzen, weil diese zur Resilienz gegen eine Reihe von psychischen Problemen beitragen. Wir hoffen, dass das Training in diesen Bereichen während dieser wichtigen Entwicklungsphase den Ausbruch oder die Verschlimmerung von psychischen Problemen verhindert.
Der transdiagnostische Ansatz verändert unser Verständnis und die Behandlung von psychischen Problemen. Indem wir auf allgemeine Ursachen anstelle von starren diagnostischen Kategorien fokussieren, können wir individuelle Bedürfnisse behandeln. Wir hoffen, dass Interventionen wie unsere, die eine transdiagnostische Perspektive einnehmen, jungen Menschen die Fähigkeiten und die Resilienz vermitteln, die sie brauchen, um psychisch gesund zu bleiben.
Die Plattform Bold, eine Initiative der Jacobs Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.
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