Borderline: Ein Leben voller Extreme

Schon junge Menschen können von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen sein. So aufreibend das Leben mit dieser Erkrankung für die Betroffenen ist, so nachhaltig wirken bei einer frühzeitigen Diagnose therapeutische Massnahmen.
Der Alltag mit Leonie war plötzlich unfassbar anstrengend geworden. Die 14-Jährige hatte Launen, die weit über ein bisschen Pubertät hinauszugehen schienen. Der Papa war ein Superheld oder ein kompletter Versager. Das Abendessen schmeckte überirdisch gut oder unfassbar ekelhaft. Mathe war die absolute Hölle oder das coolste Fach überhaupt. Freundinnen waren am Vormittag die miesesten Bitches, am Nachmittag plötzlich die grossartigsten Girls auf dem Planeten. «Es war, als hätte ich plötzlich zwei völlig verschiedene Töchter», erinnert sich Cathrin, Leonies Mutter.
Die Situation eskalierte völlig, als Leonies geliebte ältere Schwester fürs Studium von zu Hause auszog. Leonie, die sich schon vorher immer mal wieder geritzt hatte, nahm eine halbe Packung Paracetamol und schrieb ihrer Schwester per Whatsapp eine Abschiedsnachricht. Die Dosis war nicht lebensbedrohlich, doch die Eltern nahmen dieses Signal ernst. Sie hatten Glück. Leonie erhielt schnell die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung und entsprechend Hilfe.
Für Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, ist das Leben nur Schwarz oder Weiss und voller Extreme. Sie kennen kein «Ist ganz okay», keine Grautöne, keine Konstanz. Während psychisch gesunde Personen es gut akzeptieren können, dass in einem Menschen oder in Situationen, die der Alltag mit sich bringt, gleichzeitig gute und negative Seiten koexistieren, fehlt Borderline-Patienten diese Einsicht. Sie schwanken permanent zwischen den Extremen, auch beim Blick auf sich selbst – in einem Moment fühlen sie sich als totale Verlierer, im nächsten sind sie die absoluten Checker, denen keiner was vormachen kann.
Menschen mit Borderline können ihre Gefühle schwer regulieren. Sie erleben sowohl positive als auch negative Emotionen besonders stark und es dauert deutlich länger als bei gesunden Menschen, bis die Emotionen wieder abklingen. Für Betroffene fühlt sich das wie ein ständiges Überfluten mit grossen Gefühlen an, was wiederum eine Form hoher innerer Anspannung erzeugt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass man in seinem Leben an der Borderline-Persönlichkeitsstörung erkrankt, liegt je nach Studie zwischen 1,5 und 6 Prozent.
Die ersten Symptome zeigen sich meist im Kindes- und Jugendalter, am ausgeprägtesten ist die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter zwischen 20 und 30 Jahren. Als Ursache gehen Fachleute von zwei Komponenten aus: einer genetischen Veranlagung und Umwelteinflüssen.
Viele Borderline-Betroffene haben in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch, emotionale Vernachlässigung oder andere traumatische Ereignisse erlebt. Fehlende emotionale Bindung, erlebte Unsicherheit und Vertrauensverlust können dazu beitragen, dass Borderline entsteht.
Extreme innere Anspannung lindern
Betroffene leiden aufgrund der heftigen Gefühlsschwankungen unter einer extremen inneren Anspannung. Um diese zu lindern, greifen sie häufig auf selbstschädigende Verhaltensweisen zurück. Hochriskante Aktivitäten, Drogenkonsum und Selbstverletzungen senken die Anspannungen sofort, werden dadurch jedoch schnell zu einer Form von Sucht. Die Betroffenen haben kein klares Bild davon, wer sie sind, was sie ausmacht. Sie fühlen sich zerrissen und leiden unter massiven Ängsten vorm Verlassenwerden. Oft wird mit dem Ausdruck «Ich hasse dich – verlass mich nicht» die emotionale Instabilität von Borderline-Betroffenen beschrieben.
Unsere Tochter schrie uns ihren Hass ins Gesicht, nur um kurz darauf weinend in grosse Verzweiflung auszubrechen.
Cathrin, Mutter von Leonie
Eine äusserst treffende Bezeichnung, findet Cathrin, die sich an ein zerrüttetes Familienleben erinnert: «Leonie torpedierte alles, was wir vorhatten, schrie uns ihren Hass ins Gesicht, nur um kurze Zeit später weinend in eine grosse Verzweiflung auszubrechen. Wir waren ratlos und völlig überfordert.»
Leonie ist inzwischen erwachsen, sie studiert und ist «ein lieber, reflektierter Mensch». Ihre Mutter führt das auf die Psychotherapie zurück. Beide Frauen heissen im wirklichen Leben anders. Die Borderline-Zeit ist für sie nur noch eine Erinnerung, keine gute. Leonie sagt: «Es war so viel Druck in mir, der hörte nie auf. Das Gefühl der inneren Ruhe kenne ich erst aus der Zeit nach der Therapie.»
Eine sehr sensible Lebensphase
Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist anstrengend – sowohl für die Betroffenen als auch für ihr Umfeld. Die Erkrankung erschwert den Umgang mit Familie, Freundinnen, Bekannten. Betroffene sind mal euphorisch, mal hochsensibel und legen jedes Wort auf die Goldwaage. Sie fühlen sich angegriffen, werden aus heiterem Himmel wütend und entschuldigen sich dann wieder überbordend.
«Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann eine Borderline-Störung die Entwicklung ungünstig beeinflussen», sagt Michael Kaess, Direktor und Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern.
«Das soziale Netzwerk und die Identität entwickeln sich, Autonomie und Autoritätserleben ebenso – und all diese Weichen, die ins Erwachsenenleben führen, sogar die Karriere bestimmen können, geraten unter Einfluss der Persönlichkeitsstörung.» Das sogenannte psychosoziale Funktionsniveau gerät in Gefahr.
Mit diesem Terminus bezeichnen Fachleute, wie gut – oder eben nicht – jemand im beruflichen und sozialen Kontext funktioniert, ob er selbständig leben und sich um seine Beziehungen ebenso wie seine Gesundheit kümmern kann. «Wenn wir früh anfangen, eine Borderline-Störung zu behandeln und damit die Symptome zu reduzieren, kann sich der junge Mensch normal entwickeln», sagt Kaess.
Auch Erwachsene können von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung geheilt werden, doch bei ihnen ist der Schaden hinsichtlich des psychosozialen Funktionsniveaus bei Therapiebeginn meist schon deutlich grösser und daher schwerer zu beheben: Sie haben oftmals keinen Partner und kein soziales Netzwerk, wechseln häufig die Arbeitsstelle. «Das ist dann meist nicht so leicht zu reparieren», sagt Michael Kaess.
Diagnose schon vor 18 Jahren
Schon lange haben sich Expertinnen und Experten daher dafür eingesetzt, für Borderline eine eiserne Regel in der Psychiatrie zu brechen, die da lautet: Persönlichkeitsstörungen werden erst ab dem 18. Lebensjahr diagnostiziert. Damit will man unter anderem dem Umstand Rechnung tragen, dass sich gerade in den Teenagerjahren noch eine Menge zurechtruckelt im Kopf eines jungen Menschen; die Gefahr also auch gross ist, dass in dieser turbulenten und emotional instabilen Phase fälschlicherweise etwas pathologisiert wird, das einfach nur den Stempel «Pubertät» trägt. Zudem sollen Kinder und Jugendliche so vor Stigmatisierungen geschützt werden. Schliesslich können schon Erwachsene und ihr Umfeld mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung oft nur schwer umgehen, Jugendliche trifft das in vielen Fällen noch härter.
So schlimm wie mir kann es keinem gehen, dachte ich. Dabei gab es viele andere, denen es genauso ging.
Leonie, Borderline-Betroffene
Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung aber hat sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, wie sinnvoll eine frühzeitige Therapie ist. «Die Vorteile einer solchen Behandlung überwiegen deutlich», sagt Kaess. «Wir sehen, dass sich beispielsweise die Erkrankungsdauer verkürzt. Es hat entscheidenden Einfluss auf ein Leben, ob man ein Jahr oder zehn Jahre psychisch krank ist.»
Seit gut zwei Jahren empfiehlt daher die sogenannte S3-Leitlinie zur Borderline-Persönlichkeitsstörung, die von diversen Fachgesellschaften ausgearbeitet worden ist, eine Diagnose ab dem 12. Lebensjahr. Auch, weil die Wirksamkeit von spezifischen Therapien gut belegt ist.
Spezifische Therapien wirken besser
Lange hat man den Patientinnen und Patienten vor allem mit unspezifischen und sehr langen Therapien zu helfen versucht, seit wenigen Jahrzehnten zeigt sich jedoch, dass störungsspezifische und auch zeitlich limitierte Verfahren, wie zum Beispiel die dialektisch-behaviorale Therapie, kurz DBT, weitaus besser wirken als unspezifische Standardverfahren.
«Grundsätzlich ist es bei 50 bis 70 Prozent der jungen Betroffenen möglich, sie mithilfe der DBT innerhalb eines Jahres so von ihren Symptomen zu befreien, dass sie die Schule oder ihre Ausbildung fortsetzen können und eine normale gesellschaftliche Teilhabe wieder möglich ist», sagt Michael Kaess.
Auch Leonie hat eine DBT bekommen. Es habe einige Diskussionen gebraucht, erzählt Cathrin, bevor sie sich darauf eingelassen habe. Schliesslich war es Leonies Schwester, die sie überzeugte. «Am krassesten war, zu erfahren, dass es auch viele andere Leute gab, denen es so ging wie mir. Anfangs hatte ich immer gedacht: So schlimm wie mir kann es echt keinem gehen», erzählt Leonie.
Extreme Stimmungsschwankungen und schwierige, stark belastete zwischenmenschliche Beziehungen sind die Hauptkennzeichen einer Border-line-Persönlichkeitsstörung. Impulsivität, Überempfindlichkeit und ein instabiles Selbstbild gehören ebenfalls zum Muster. Diagnostiziert wird die Störung anhand klinischer Kriterien.
Wenn sich fünf der folgenden Symptome über einen Zeitraum von einem Jahr stabil halten, kann es sich um eine Borderline-Störung handeln:
- Verzweifelte Versuche, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. Zum Beispiel durch suizidale Gesten, die einen Beziehungsabbruch verhindern und andere dazu bringen sollen, einen «zu retten».
- Instabile und intensive zwischenmenschliche Beziehungen; das Gegenüber wird idealisiert oder abgewertet.
- Selbstbild und Meinungen wechseln häufig.
- Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (zum Beispiel Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, «Essanfälle»).
- Suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
- Chronisches Gefühl von Leere.
- Unangemessene heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren (zum Beispiel häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen).
- Paranoide Gedanken oder das Gefühl von Unwirklichkeit.
(Quelle: MSD Manual)
Medikamente, mit denen die Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt werden kann, gibt es bislang nicht. Das sei kein Problem, sagt Christian Fleischhaker, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter am Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau: «Wir erzielen sehr gute Erfolge mit der Psychotherapie, da braucht es keine Medikamente.»
Als etwa um das Jahr 2000 herum die Zahl der jungen Betroffenen rasant anstieg, beschloss man an der Uni Freiburg, die DBT auch bei Jugendlichen ab 16 Jahren auszuprobieren – obwohl die Leitlinie das damals noch nicht vorsah. «Wir haben überrascht festgestellt, dass die DBT bei ihnen noch effektiver wirkt als bei Erwachsenen», sagt Fleischhaker. «Es handelt sich dabei um ein hochkomplexes Therapieprogramm, das wir vor allem ambulant durchführen.» Die DBT beinhaltet eine Einzeltherapie und ein Gruppentraining, zudem steht die Therapeutin dem Patienten im Notfall telefonisch zur Verfügung.
Verhaltensänderung als Ziel
In der Einzeltherapie wird in hierarchischer Abfolge an den verschiedenen Problemen des Betroffenen gearbeitet. Ganz oben steht dabei suizidales und therapiegefährdendes Verhalten. Die Therapeutin versucht, dem Patienten einerseits Verständnis und damit eine Form der Wertschätzung seiner Probleme entgegenzubringen, ihn andererseits aber auch zu nötigen Veränderungen zu bringen. Wie solche Fertigkeiten aussehen können, die ein Verhalten ändern, wird in der Gruppentherapie trainiert.
Eine Borderline-Störung im Jugendalter gefährdet die Entwicklung der Identität und des sozialen Netzwerkes.
Michael Kaess, Kinder- und Jugendpsychiater
Eine geheilte psychische Erkrankung erhöht für die Betroffenen dennoch das Risiko, später im Leben erneut psychisch zu erkranken. Das ist auch bei der Borderline-Störung so. Warum jemand diese Persönlichkeitsstörung entwickelt, können Expertinnen und Experten noch nicht genau sagen.
«Es gibt sicher eine genetische Komponente, aber auch sogenannte psychosoziale Faktoren spielen wohl eine Rolle», sagt Michael Kaess. «Wir wissen, dass die frühe Kindheit eine beträchtliche Rolle spielen kann – wenn Kinder zum Beispiel vernachlässigt, missbraucht oder traumatisiert werden.»
Andererseits gebe es auch Borderline-Betroffene, die ohne solche Faktoren erkranken. Im vulnerablen Jugendalter, sagt Kaess, erhöhten beispielsweise Mobbing oder schwere Eltern-Kind-Konflikte das Risiko, dass sich eine Borderline-Störung entwickelt.
Vielschichtige Symptome
Ob das bei einem Kind der Fall ist, können sogar Ärzte mitunter nur schwer erkennen. «Es braucht Übung, um bestimmte Aspekte von der normalen Adoleszenz abzugrenzen», sagt Kaess. Dass ein Mädchen im Alter von 12, 13 Jahren vielleicht einen wilden Musikgeschmack hat, ganz neue Freunde findet oder Popstars übertrieben anhimmelt, ist nicht gleich pathologisch. Auch wenn der Berufswunsch sich ständig ändert, muss kein Elternteil alarmiert sein.
Ein Warnhinweis kann jedoch sein, wenn sich Kleidungsstil, Musikgeschmack und Peer-Gruppe als starker Ausdruck der eigenen Identität alle paar Monate komplett ändern. «Wir waren vorbereitet auf die Pubertät», erzählt Leonies Mutter. «Wir hatten ja schon eine Tochter hindurchbegleitet und ich hatte genügend Freundinnen mit Kindern im gleichen Alter. Doch Leonies Verhalten schien einfach permanent viel zu extrem, zu hohe Ausschläge in beide Richtungen der Gefühlsskala, es gab kein Dazwischen.» Ein Leben im ständigen emotionalen Chaos.
Statt bei jungen Betroffenen mit der Diagnose zuzuwarten, sollte man sie im Gegenteil sehr gut und eng begleiten.
Michael Kaess, Kinder- und Jugendpsychiater
Eines der wichtigsten Merkmale, auf die Eltern achten sollten, ist die Selbstverletzung. Wobei gilt: Nicht jeder Jugendliche, der sich beispielsweise in die Arme ritzt, leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Umgekehrt verletzen sich fast alle Borderliner selbst. Bei männlichen Betroffenen richtet sich die Aggression häufig auch stärker auf andere. «Sie fallen dann durch Delinquenz und ein hohes Risikoverhalten auf», sagt Kaess, «und landen so eher in der Jugendhilfe und im Strafvollzug statt in der Psychiatrie.»
Informieren, vernetzen, aufklären
Psychische Erkrankungen generell und die Borderline-Störung im Besonderen sind nach wie vor stark mit einem Stigma behaftet. So sehr, dass auch Fachleute bisweilen davor zurückschrecken, die Diagnose zu stellen, um die jungen Betroffenen nicht zu vielen Vorurteilen auszusetzen.
«Das führt dazu, dass man ihnen erst später helfen kann und die Therapie länger dauert», sagt Michael Kaess. «Wir raten daher, nicht aus einer solchen Sorge heraus die Diagnose nicht zu stellen, sondern die Erkrankten im Gegenteil sehr gut und eng zu begleiten mit viel Informationen und Aufklärung.»
Enge Bezugspersonen von Borderline-Patienten können helfen, wenn sie sich gut über die Persönlichkeitsstörung informieren. Dadurch können sie beispielsweise bestimmte Verhaltensmuster besser einordnen. Ganz wichtig: das schwierige Verhalten des oder der Erkrankten nicht persönlich nehmen. Neben dem verständnisvollen Begleiten der Erkrankten ist es wichtig, dass Angehörige auch auf die eigenen Ressourcen schauen und sich wenn nötig Hilfe suchen.
- Die Selbsthilfe Schweiz listet einige Selbsthilfegruppen zur Borderline-Persönlichkeitsstörung auf:
www.selbsthilfeschweiz.ch - Auf der Website des Vereins Borderline ps finden Sie umfangreiche Informationen: www.borderlineplattform.de
- Ein Portal von Betroffenen für Betroffene: www.borderline-netzwerk.info
- Der Dachverband der Vereinigungen von Angehörigen psychisch Erkrankter stellt umfangreiche Informationen zur Verfügung und bietet eine telefonische Beratung für Angehörige: www.stand-by-you.ch
Leonies Eltern haben sich direkt nach Leonies Diagnose einer Selbsthilfegruppe angeschlossen. Sie wollten so gut wie möglich da sein für ihre Tochter. «Der Austausch mit anderen hat uns enorm geholfen», sagt Cathrin. «Wir haben viel genauer verstanden, wie es in ihr aussah, und konnten damit besser umgehen. Es hat auch dazu geführt, dass wir sehr hinterfragt haben, wie wir mit unseren Töchtern umgegangen sind.»
Die Eltern hatten eine Beziehungskrise, als Leonie und ihre Schwester noch klein waren, lebten zeitweise getrennt. «Ich habe immer gedacht, dass wir unsere Kinder gut durch diese Zeit begleitet haben, doch Leonies Erkrankung hat uns das noch einmal mit neuen Augen sehen lassen», erzählt Cathrin.
Dass ihre Eltern ihr durch die dunkle Phase geholfen haben, weiss Leonie vor allem jetzt im Rückblick sehr zu schätzen. Die Familie hat ein gutes Verhältnis, achtet aufeinander. Vor allem aber achtet auch Leonie auf sich selbst, horcht hinein, wenn sie merkt, dass gerade irgendwas nicht okay ist. Ein für sie essenzieller Teil der Therapie war ein Atemtraining. «Das mache ich bis heute regelmässig», sagt Leonie. «Und wann immer es etwas viel wird, lautet meine goldene Regel: lange durch den Mund ausatmen. Das beruhigt und erdet mich.»