Bipolare Störung: von der Diagnose bis zur Therapie
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Bipolare Störung: von der Diagnose bis zur Therapie

Lesedauer: 10 Minuten

Eine bipolare Störung wird bei Jugendlichen häufig zunächst nicht erkannt. Oft folgt ein langer Leidensweg voller Ungewissheit und wechselnder Therapien. Steht die Diagnose fest, können die Eltern ihren Kindern eine grosse Stütze sein.

Text: Christine Amrhein
Bild: Deepol / Plainpicture

Schon früh hatte Sophie * aus dem Kanton Aargau das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmt. «Seit ich 14, 15 Jahre alt bin, ist mein Leben ein ständiges Auf und Ab», erinnert sich die heute 27-Jährige. Ein Hin und Her zwischen verschiedenen Therapien, Diagnosen und Medikamenten.Als Kind ist Sophie Fremden gegenüber eher zurückhaltend. In der Schule ist sie eine der Klassenbesten.

Das ändert sich in der Pubertät. Sophie: «Ich habe auf einmal ganz viele Leute gekannt, ständig etwas unternommen, mich in Vereinen engagiert, Partys gefeiert, war fröhlich und optimistisch.» Dann der Wechsel: Wegen zu vieler Absenzen muss sie in der Kantonsschule eine Klasse wiederholen, ist eine Zeit lang häufig krank. «In dieser Zeit ging es mir psychisch nicht gut und ich habe mich immer mehr zurückgezogen.

In manischen Phasen bin ich sehr aktiv, kann bis zwei Uhr nicht schlafen, rede schnell und fange Sachen an, ohne sie zu beenden.

Delia, 20

Mit 17, 18 Jahren war es so schlimm, dass ich nicht mehr in die Schule gegangen bin. Ich war nur noch in meinem Zimmer und habe nichts gemacht.» Erst mit 25 Jahren bekommt sie die Diagnose, die alles erklärte: bipolare Störung.

Bestens gelaunt – aber krank

«Charakteristisch für die bipolare Störung ist, dass sich Phasen ohne besondere Veränderungen der Stimmung oder des Antriebs mit depressiven Phasen und manischen oder hypomanischen Episoden abwechseln», erklärt Miriam Gerstenberg, Oberärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

In manischen Phasen ist die Stimmung euphorisch oder gereizt oder der Antrieb deutlich gesteigert. Die Betroffenen haben viel Energie, schlafen wenig, sprühen vor Ideen und neigen zu riskantem Verhalten.

Bipolare Störung: Mal ist das Leben himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt.

In depressiven Phasen sind sie niedergeschlagen, verlieren ihr Interesse an Dingen, haben wenig Antrieb und fühlen sich unsicher. «Ich merke in manischen Phasen immer relativ schnell, dass etwas anders ist», erzählt die 20-jährige Delia * aus Winterthur.

Bei ihr ­wurde die Diagnose bereits mit 13 Jahren gestellt. «Ich bin dann sehr aktiv, kann bis zwei Uhr nachts nicht schlafen, rede schnell und fange ­viele Sachen an, ohne sie zu beenden. In solchen Zeiten habe sie viele sexuelle Beziehungen gehabt und sich sogar einmal prostituiert. «Zum Glück haben meine Eltern mich da rausgeholt», sagt Delia. 

Hilfreiche Strategien

Sich aktiv mit der Diagnose auseinanderzusetzen, eröffnet viele Chancen. Zu wissen, dass es sich um zeitlich begrenzte Episoden handelt, die beeinflusst werden können, gibt viel Gestaltungsmöglichkeit und Kontrolle zurück.

Es kann am Anfang verunsichern, dass auch in Zeiten ohne Symptome Medikamente genommen werden müssen. Hilfreich ist, wenn Jugendliche und ihre Eltern sich konstruktiv mit dem Thema auseinandersetzen, offen für Fragen sind und mit Fachpersonen im Austausch bleiben.

 

Um erneute Krankheitsphasen zu vermeiden oder ihre Auswirkungen zu verringern, können individuell in der Therapie erarbeitete Strategien hilfreich sein – etwa ein regelmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus, regelmässige Bewegung und Vermeiden von zu viel Stimulation.

Ein Stimmungstagebuch kann helfen, Schwankungen nach oben oder unten oder persönliche Muster (frühzeitig) zu erkennen.

Wichtig ist, psychische und soziale Belastungen im Blick zu haben und Über- oder Unterforderung zu erkennen. Mit der Zeit können hilfreiche persönliche Bewältigungsstrategien entwickelt werden.

Sinnvoll ist auch ein Netz an Kontaktpersonen, die Betroffene langfristig unterstützen. Das können Angehörige und Freunde, eine Selbsthilfegruppe und regelmässiger Kontakt zu Fachpersonen sein.

Besonders heimtückisch ist die Bipolar-II-Störung, bei der statt manischer weniger ausgeprägte hypomanische Episoden auftreten. «Die Jugendlichen sind dann gut gelaunt, fühlen sich leistungsfähig und verspüren oft keinen Leidensdruck», sagt Gerstenberg.

«Von Gleichaltrigen werden sie möglicherweise als besonders mitreissend erlebt, von den Eltern oft nur als anstrengend. Deshalb wird in solchen Phasen oft keine Hilfe gesucht.»

Symptome werden oft als normale Entwicklungserscheinung verkannt

Um das 14. Lebensjahr treten bipo­lare Störungen zunehmend in Erscheinung. «Davor stellt man die Dia­gnose in der Regel nicht, weil die Symptome zu unklar sind – und weil man mit einer Medikation noch vorsichtig ist», sagt Lars Wöckel, stellvertretender ärztlicher Direktor der Privatklinik Clienia Littenheid und Chefarzt am dortigen Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.

Häufig wird die Diagnose erst fünf bis zehn Jahre nach den ersten Symptomen gestellt, weiss auch Psychiaterin Gerstenberg. Die Gründe dafür ­seien vielfältig: «Da Kinder und Jugendliche sich ständig weiterentwickeln, sind Eltern es gewohnt, dass verschiedene Phasen auftreten.

Bipolar erkrankte Jugendliche haben oft weitere psychische Störungen wie ADHS oder eine Störung des Sozialverhaltens.

Lars Wöckel, Psychiater

Oft seien die Symptome im Jugendalter auch unspezifischer und die Krankheitsphasen nicht so klar abgrenzbar, sagt Wöckel. «Zudem können die Symptome mit anderen psychischen Erkrankungen verwechselt werden. Bipolar erkrankte Jugendliche haben oft noch weitere psychische Störungen, insbesondere ADHS, eine Störung des Sozialverhaltens oder einen problematischen Alkohol- oder Drogenkonsum.» 

Für die Jugendlichen und ihre Eltern bedeutet dies oft einen langen Leidensweg. So auch bei Sophie: Ihre Stimmung wechselt ständig, auf nächtelange Partys folgen Wochen im Bett. Sie beginnt ohne vollständige Matura ein Studium an der Kunsthochschule Basel.

Jahrelang geht sie zu verschiedenen Psychiaterinnen und Psychiatern, ohne dass sich ihre Situation spürbar verbessert. Mit 21 Jahren kommt sie zum ersten Mal stationär in eine Klinik – und erhält die Diagnose Schizophrenie. Die Medikation, das Neuroleptikum Abilify, hilft ihr. Nach einer Weile geht es ihr so gut, dass sie alle Medikamente absetzt. Ein halbes Jahr später stürzt sie wieder in eine Depression.

Eine frühe Diagnose sei sehr wichtig, weil eine rechtzeitige Behandlung die Prognose deutlich verbessern könne, sagt Expertin Gerstenberg: «Sie kann die Dauer der akuten Phase verkürzen und im weiteren Verlauf die Anzahl neuer Episoden reduzieren.

Daher sollte immer eine sorgfältige Diagnostik stattfinden. «Fachpersonen müssen die Vorgeschichte gut kennen und gezielt nach Phasen mit gehobener Stimmung fragen – etwa, wenn zum zweiten Mal eine Depression auftritt», sagt die Psychiaterin.

«Wichtig ist auch, dass sich die behandelnden Experten eines Kindes oder Jugendlichen gut vernetzen.» Sinnvoll seien auch breit angelegte Informationskampagnen, um die Bevölkerung über die bipolare Störung und deren Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären.

Deutlich erhöhtes Risiko, wenn die Krankheit schon in der Familie ist

Delia erhält die Diagnose relativ früh: «Mit 13 Jahren habe ich mich ängstlich und niedergeschlagen gefühlt und bin zu einer ambulanten Therapeutin gegangen, weil mir ­meine Lehrpersonen dazu geraten hatten», erzählt sie. «Ein paar Monate später traten dann manische Symp­tome auf. Bald darauf wurde die Diagnose bipolare Störung gestellt.»

Bei Sophie hingegen findet erst mit 25 Jahren eine ausführliche Diagnostik statt. Das Ergebnis: eine Bipolar-II-Störung mit Rapid-Cycling-Verlauf und zusätzlich eine ADHS. Rapid Cy­cling bedeutet, dass vier oder mehr Episoden innerhalb eines Jahres auftreten. «Ich war mega froh, endlich zu wissen, was mit mir los ist», erzählt die junge Frau.

Sie erhält ein Neuroleptikum, ein Antidepressivum und ein Psychostimulans beziehungsweise Concerta für die ADHS. «Diese Kombination hilft meiner Ansicht nach, meine Grundstimmung zu stabilisieren, und erschwert es den Phasen, auszubrechen», berichtet sie.

Ein Stimmungstagebuch kann helfen, Schwankungen frühzeitig zu erkennen.

Wichtig sei, beim Verdacht auf eine bipolare Erkrankung auch nach Risikofaktoren in der Familie zu fragen, sagt Psychiater Wöckel. «Wenn ein Elternteil oder andere Familienangehörige die Erkrankung haben, ist das Risiko des Kindes, ebenfalls zu erkranken, deutlich erhöht. Fachpersonen sollten die Jugendlichen dann engmaschig im Blick haben.»

Ziel der Behandlung ist, die Symp­tome der akuten Phase zu reduzieren und möglichst lange stabile Phasen zu erreichen, in denen die Betroffenen ein relativ normales Leben führen können. Dabei kommt eine Kombination aus Psychoedukation, Medikamenten und Psychotherapie zum Einsatz.

Mithilfe der Psychotherapie können Jugendliche mit der Zeit zu Experten ihrer eigenen Erkrankung werden.

«Bei der Psychoedukation erhalten Jugendliche und ihre Eltern Informationen dazu, welche Symptome bei einer bipolaren Störung auftreten, was sie auslösen kann, wie man sie behandeln kann und welche Strategien beim Umgang mit der Erkrankung hilfreich sind», sagt Wöckel.

In depressiven und stabilen Phasen stünden Psychotherapie und Psychoedukation im Zentrum. Hier sollten immer auch die Eltern einbezogen werden, so Wöckel: «In einer Psychotherapie finden die Jugendlichen zum ­Beispiel heraus, was für sie persönlich belastend ist, und lernen, diese Si­tuationen zu verändern oder das eigene Stress­level zu reduzieren.»

Weitere Ziele sind, einen regelmässigen Lebensrhythmus zu entwickeln sowie Frühwarnzeichen von Krankheitsphasen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Auf diese Weise können Jugendliche mit der Zeit zu Experten ihrer eigenen Erkrankung werden.

Aufmerksame Angehörige sind ein wirksames Frühwarnsystem

«Die Unterstützung durch Angehörige ist eine der wirksamsten Massnahmen, um die psychische Stabilität der Jugendlichen zu fördern und sie in Ausbildung und Berufsleben zu unterstützen», sagt Wöckel. So fielen den Betroffenen erste, unspezifische Symptome von Krankheitsphasen oft gar nicht auf – oder sie erlebten diese als positiv.

«Angehörige bemerken solche Veränderungen jedoch oft schnell», weiss der Experte. «Sie können ihr Kind darauf aufmerksam machen und es motivieren, etwas zu verändern oder sich professionelle ­Hilfe zu suchen.»

Um bei ersten Symptomen einer Krankheitsphase schnell reagieren zu können und die regelmässige Einnahme der Medikamente sicherzustellen, kann eine langfristige professionelle Begleitung sinnvoll sein. «Das können eine regelmässige Psychotherapie oder Besuche einer Fachkraft der spitalexternen Hilfe und Pflege sein», sagt Wöckel.

Die Belastung für Eltern kann so stark sein, dass sie selbst eine psychische Erkrankung entwickeln. Es ist daher ratsam, sich früh selbst Hilfe zu suchen.

Lars Wöckel, Psychiater

Um bei ersten Symptomen einer Krankheitsphase schnell reagieren zu können und die regelmässige Einnahme der Medikamente sicherzustellen, kann eine langfristige professionelle Begleitung sinnvoll sein. «Das können eine regelmässige Psychotherapie oder Besuche einer Fachkraft der spitalexternen Hilfe und Pflege sein», sagt Wöckel.

Wer nicht zuverlässig Medikamente nimmt, muss mit Rückfällen rechnen

Den Jugendlichen wird im Zuge der Therapie auch vermittelt, dass die bipolare Störung eine lebens­lange Erkrankung ist – und dass meist längerfristig Medikamente genommen werden müssen, um erneute Krankheitsphasen zu verhindern. «Die medikamentöse Behandlung gestaltet sich bei Jugendlichen ähnlich wie bei Erwachsenen. Allerdings sind in der Schweiz nur einige Medika­mente auch für Jugendliche zugelassen», sagt Wöckel.

«Ich war am Anfang dagegen, Medikamente zu nehmen», berichtet Delia. «Aber dann habe ich gemerkt, dass es ohne sie nicht geht.» Doch trotz Medikamenten erlitt sie etwa einmal im Jahr einen Rückfall, sodass sie ihre Dosis erhöhen musste.

Viele Jugendliche nehmen ihre Medikamente unregelmässig, vergessen sie oder setzen sie wegen Nebenwirkungen wieder ab.

Lars Wöckel, Psychiater

«Zum Teil lag es aber auch daran, dass ich die Tabletten nicht regelmässig genommen hatte», räumt Delia ein. Das ist ein häufiges Problem, sagt Wöckel: Viele Jugendliche nehmen ihre Medikamente unregelmässig, vergessen sie oder setzen sie wegen Nebenwirkungen wieder ab.«Deshalb sollten Ärzte gut darüber aufklären, dass es beim Absetzen und bei unregelmässiger Einnahme schnell zu Rückfällen kommt», so der Facharzt.

Für elterliche Schuldgefühle gibt es bei dieser Diagnose keinen Grund

Für Angehörige, insbesondere die Eltern, ist die bipolare Erkrankung ihres Kindes oft eine grosse Belastung. «In manischen beziehungsweise hypomanischen oder depressiven Phasen müssen sie sich viel um ihr Kind kümmern. Dabei kommt es oft zu Konflikten, weil die Eltern eingreifen wollen, das Kind sich in der Pubertät aber ablösen und selbständig sein will», sagt Wöckel.

Oft hätten Eltern auch Schuldgefühle und würden sich fragen, was sie falsch gemacht hätten – dafür gebe es aber bei einer bipolaren Erkrankung keinen Grund. «Die Belastungen können so stark sein, dass Eltern selbst eine psychische Erkrankung entwickeln», sagt der Psychiater.

Die Erfahrung zeigt: Wie es mit der Erkrankung weitergeht, ist individuell sehr unterschiedlich.

«Häufig kann es für sie hilfreich sein, sich selbst Unterstützung zu suchen – etwa bei einem Psychotherapeuten oder in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige.» In den ersten Jahren ihrer Erkrankung sei das Verhältnis zu ihren Eltern schwierig gewesen, berichten Sophie und Delia. «Ich habe ihnen nicht viel von mir erzählt und sie haben sich viele Sorgen gemacht», sagt Sophie.

«Aber sie haben mir auch viel emotionalen Druck gemacht, ich fühlte mich nicht gesehen. Es gab ständig Auseinandersetzungen, so dass ich mich noch mehr vor ihnen zurückgezogen habe.» Auch aus Delias Sicht haben ihre Eltern sich zu oft eingemischt.

«Ich wollte viele Dinge selbst machen und es kam häufig zu Streit», erzählt sie. «Ausserdem haben sie schnell gemerkt, wenn ich in eine Manie oder Depression gerutscht bin, und wollten mir dann sagen, was ich tun soll. Das mochte ich gar nicht. Auf der anderen ­Seite, räumen die zwei jungen Frauen ein, hätten ihre Eltern sie immer unterstützt – und inzwischen sei das Verhältnis zu ihnen auch deutlich besser geworden, sagen beide. 

Das Leben wieder in den Griff bekommen

Die Erfahrung zeigt: Wie es mit der Erkrankung weitergeht, ist individuell sehr unterschiedlich. Allerdings gibt es kaum verlässliche Daten, wie viele Patienten ein weitgehend unbeeinträchtigtes Leben führen können.

«Die meisten bipolar Erkrankten haben einige wenige Krankheitsphasen in ihrem Leben», sagt Gerstenberg. «Etwa zehn Prozent erleben insgesamt mehr als zehn Episoden, und manche haben mehrere Episoden im Jahr.»

Hier finden Sie Infos und Hilfe:

Schweizerische Gesellschaft für Bipolare Störungen (SGBS) – ihr Ziel ist eine bessere Betreuung und medizinische Versorgung von Menschen mit bipolaren Störungen: www.swiss-bipolar.ch

Selbsthilfe Schweiz, Suche nach Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige: www.selbsthilfeschweiz.ch

Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS): www.dgbs.de

Institut Kinderseele Schweiz, Infos über psychische Erkrankungen für Kinder und Jugendliche: www.kinderseele.ch

Sophie hat inzwischen das Gefühl, einen guten Umgang mit der Erkrankung gefunden zu haben. «Ich habe jetzt verstanden, dass ich damit leben muss», sagt sie. «Dazu gehört, dass ich die Medikamente regelmässig nehme und ich gut auf mich achten muss.

Inzwischen kenne sie die Frühwarnzeichen von Phasen sehr gut und könne selbständig gegensteuern. «Dann kann ich zum Beispiel eine zusätzliche Therapiestunde einschieben, die Medikation etwas erhöhen und darauf achten, dass ich alles gemässigter angehe.» Hilfreich sei auch der Austausch in einer Selbsthilfegruppe, in die sie seit Herbst 2020 geht.

Auch Delia denkt, dass sie inzwischen auf einem guten Weg ist. «Mit der aktuellen Medikation fühle ich mich ziemlich stabil – und fit genug, alles zu machen, was ich machen möchte», erzählt sie. Seit Mai 2022 wohnt sie in einem betreuten Wohnheim und sucht gerade einen Halbtagsjob. «In absehbarer Zeit möchte ich dann auch eine Lehrstelle im Verkauf beginnen.»

* Namen der Betroffenen geändert

Das Wichtigste in Kürze

Was ist eine bipolare Störung?

Bei der bipolaren Störung handelt sich um eine psychische Erkrankung, bei der genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Es treten (hypo-)manische Phasen mit gehobener Stimmung und Antrieb und depressive Phasen auf. Auslöser der Phasen können ein unregelmässiger Lebensrhythmus, Stress und psychische Belastungen sein.

Wie häufig tritt sie auf?

Etwa 3 bis 5 Prozent aller Erwachsenen sind von einer bipolaren Erkrankung betroffen. Studien legen nahe, dass vor dem 18. Lebensjahr 0,6 bis 2 Prozent erkranken – Jungen genauso häufig wie Mädchen. Da die Diagnose oft im Rückblick gestellt wird, sind die Zahlen vermutlich höher.

Wie sieht die Behandlung aus?

Sie sollte sich aus Psychoedukation, medikamentöser Behandlung und Psychotherapie zusammensetzen. Ein gutes Management der Erkrankung ist wichtig, damit Betroffene ­langfristig stabil bleiben – etwa das Erkennen von Frühsymp­tomen und eine regelmässige Einnahme der Medikamente. Angehörige können dabei eine grosse Unterstützung sein.

Christine Amrhein
ist Psychologin. Sie lebt und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in München.

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