Baustelle Gebiss – alles über Zahnspangen - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Baustelle Gebiss – alles über Zahnspangen

Lesedauer: 6 Minuten

Gekippt, gedreht, mit Lücke, Unter- oder Überbiss – wenn Zähne schief stehen oder die Kiefer nicht optimal aufeinanderpassen, kann die Behandlung mit einer Zahnspange helfen. Zwar ist die Therapie grundsätzlich in jedem Alter möglich, doch wird sie während der Zeit des späten Zahnwechsels – etwa um das zehnte Lebensjahr – besonders empfohlen.

Elenas Milchzähne sehen eigentlich perfekt aus – strahlend weiss, ebenmässig gewachsen und nicht die kleinste Lücke zwischen den Zähnen. Der Hinweis des Zahnarztes, dass Elena einmal eine Zahnspange brauchen wird, kommt für die Eltern der Sechsjährigen völlig unerwartet. «Gerade wenn das Milchzahngebiss vermeintlich makellos erscheint, fallen die Eltern meist aus allen Wolken, wenn sie hören, dass ihr Kind eine Zahnspange benötigen wird», sagt Dr. Claudius Wiedmer, Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kieferorthopädie (SGK). «Doch was aktuell schön aussieht, kann später massive Probleme bereiten. Denn ein Milchzahngebiss ohne Lücken bietet schlicht zu wenig Platz für die nachfolgenden viel grösseren Zähne, die dann meist verstellt und schief herauskommen.»

Viele Krankenkassen schreiben einen Behandlungsstart vor dem 16. Lebensjahr vor – und verweigern sonst die Leistung.

Der Kieferengstand ist nur einer von vielen Gründen, warum eine Zahnspangenbehandlung nötig werden kann. So können Zähne auch zu weit auseinanderstehen, verdreht oder gekippt sein oder auch ganz fehlen. Die Zähne können im Biss nicht optimal zueinander stehen, sich nicht treffen, überlappen oder nur  streifen.

Auch kann die Kieferform oder die Lage von Ober- und Unterkiefer nicht zueinander passen. «Je nachdem, welche Fehlstellung vorliegt, spricht man dann vom Über-, Unter-, Tief-, Vor-, Kreuz- oder auch offenen Biss», erklärt Wiedmer. Diese Fehlstellungen sind häufig genetisch bedingt. «Von Natur aus haben nur die wenigsten ein perfektes Gebiss», weiss Wiedmer. Manche Fehlstellungen sind aber auch hausgemacht. «So kann ständiges Nuckeln an Nuschi, Nuggi oder Daumen bei Kleinkindern den Kiefer verformen und sollte spätestens mit drei bis vier Jahren beendet werden », mahnt Wiedmer.

Jedes zweite Kind hat eine Spange

«Wichtig ist auch, auf die Pflege der Milchzähne zu achten, denn sie sind wichtige Platzhalter für die nachkommenden bleibenden Zähne.» Fallen Milchzähne frühzeitig aus oder verschieben sich, können die nachkommenden Zähne schief oder an den falschen Stellen durchbrechen. «Darüber hinaus können auch schlechte Angewohnheiten wie Wangen- und Nägelbeissen sowie Lippen- und Zungenpressen zu Veränderungen an Kiefer und Zahnstellung führen», gibt der Kieferorthopäde zu bedenken.

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Medizinisch notwendig ist eine kieferorthopädische Behandlung vor allem dann, wenn die Kiefer asymmetrisch zueinander stehen. «Hier kann es zu Kiefergelenksbeschwerden sowie einer unterschiedlich starken Abnutzung der Zähne kommen», erklärt der Zahnexperte.

«Auch Schluck-, Atem- und Sprachfehler aufgrund von Kiefer- oder Zahnfehlstellungen sollten unbedingt behandelt werden.» Daneben spielen natürlich auch ästhetische Gründe eine grosse Rolle, denn ebenmässige Zahnreihen gelten in unserer Gesellschaft als Schönheitsideal. 

Viele Eltern möchten ihrem Kind mit einer Zahnspangenkorrektur mögliche Hänseleien ersparen und das Selbstwertgefühl ihres Sprösslings stärken. «Darüber hinaus sind ebenmässig gestellte Zähne auch besser zu pflegen als zu eng stehende oder schiefe Zähne», ergänzt Wiedmer. «Sodass Karies und Parodontitis hier weniger Chancen haben.» Immer mehr Eltern entscheiden sich deshalb für eine kieferorthopädische Behandlung ihres Kindes. «Aktuell trägt etwa jedes zweite Kind in der Schweiz eine Zahnspange», weiss der SKG-Präsident.

Konsumentenberater Meli rät Eltern, früh eine Zahnzusatzversicherung abzuschliessen. «Sicher vor dem vierten Lebensjahr des Kindes», betont Meli. «Ab dem vierten Lebensjahr verlangen viele Versicherungen für die Aufnahme ein zahnärztliches Attest oder sie verweigern sie gänzlich.» 
Konsumentenberater Meli rät Eltern, früh eine Zahnzusatzversicherung abzuschliessen. «Sicher vor dem vierten Lebensjahr des Kindes», betont Meli. «Ab dem vierten Lebensjahr verlangen viele Versicherungen für die Aufnahme ein zahnärztliches Attest oder sie verweigern sie gänzlich.» 

Eine kieferorthopädische Behandlung kann grundsätzlich jederzeit durchgeführt werden. Auch Erwachsene können sich ihre Zähne noch richten lassen. Allerdings ist eine Veränderung des ausgewachsenen Kiefers nicht mehr ohne Weiteres möglich. Kieferfehlstellungen sollten deshalb frühzeitig behandelt werden. «Hier gilt die beginnende Pubertät bei Mädchen zwischen dem zehnten und zwölften sowie bei Buben zwischen dem elften und dreizehnten Lebensjahr als optimaler Zeitpunkt für die Zahnspangenbehandlung», erklärt der SGK-Präsident.

Wenn die Kasse nicht zahlt

«In diesem Alter können Umbauprozesse im Kiefer besonders schnell und komplikationslos erzielt werden, weil in der Zeit der Frühpubertät ein enormer körperlicher Wachstumsschub stattfindet, der auch für die Kieferkorrektur genutzt werden kann.» 

Dazu kommt, dass in diesem Alter sehr viele Kinder und Jugendliche eine Zahnspange tragen, so dass die Akzeptanz der Behandlung zu diesem Zeitpunkt besonders hoch ist. «Last, but not least schreiben viele Zusatzversicherungen auch einen Start der Behandlung vor dem 16. Lebensjahr vor und verweigern die Leistung, wenn später begonnen wird», betont der Kieferorthopäde.

Es gibt gewaltige Preisunterschiede

Je nachdem, welcher Befund vorliegt und was verändert werden soll, kommen für die Durchführung der Behandlung mehrere unterschiedliche Apparaturen zum Einsatz. Am bekanntesten sind wohl die losen Klammern sowie die festsitzenden Zahnspangen mit Draht und Brackets, umgangssprachlich auch Schneeketten oder Gartenhag genannt. 

«In vielen Fällen wird mit herausnehmbaren Zahnspangen gestartet, um den Kiefer gezielt vorzubereiten», erklärt Wiedmer. «Dann erst folgt die Eingliederung einer festen Apparatur, mithilfe deren die Stellung der Zähne im Mund gezielt und detailliert verändert werden kann.» 

Die Industrie bietet vor allem im Bereich der festen Apparaturen eine grosse Palette an unterschiedlichen Systemen an, die von kleineren oder grösseren über zahnfarbene oder durchsichtige bis hin zu auf die Innenseite der Zähne geklebten Brackets reichen. Eine Weile lang galten sogenannte selbstligierende Brackets, die keine Gummis zur Befestigung des Drahtes benötigen, als besonders innovativ.

Viele Eltern möchten ihrem Kind mit einer Zahnspangenkorrektur Hänseleien ersparen und das Selbstwertgefühl ihres Sprösslings stärken.

Ganz ohne Brackets und Draht funktioniert wiederum die Korrektur mit sogenannten Alignern. «Das sind individuell angefertigte feine Kunststoffschienen, die fast rund um die Uhr getragen werden müssen», weiss Wiedmer.

Alle Systeme haben Vor- und Nachteile bei der Therapie, dem Tragekomfort, der Ästhetik und natürlich auch beim Preis. «Von der einfachsten bis zur teuersten Variante können ganz gewaltige Preisunterschiede auftreten», betont Wiedmer. «Empfehlungen kann man hier schlecht aussprechen, denn jeder Behandler ist in einem bestimmten System besonders geübt.»

Darüber hinaus spielen natürlich auch die medizinische Ausgangslage sowie persönliche Vorlieben eine wichtige Rolle. Wiedmer rät, sich für die Beratung und die Zahnspangenbehandlung möglichst immer an einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zu wenden.

Denn Kieferorthopäden haben eine zusätzliche mehrjährige praktische Ausbildung, kennen die Produkte am Markt und wissen, welche Apparaturen bei welcher Indikation besonders gut geeignet sind. «Damit können sie für eine effiziente Behandlung sorgen, die sich nicht unnötig lange hinzieht.» Denn lange Therapien akzeptierten Jugendliche oft irgendwann nicht mehr, und sie trieben auch den Preis in die Höhe, sagt der Kieferexperte.

Eine Zahnspangenbehandlung kann mehr als 10’000 Franken kosten

Denn die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung müssen Eltern in der Regel selbst bezahlen. Bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von zwei bis drei Jahren können mit einer fixen Apparatur mitunter Kosten im fünfstelligen Bereich zusammenkommen. Diese werden in den meisten Fällen weder von der Grund- noch der Invalidenversicherung übernommen. «Die Grundversicherung zahlt nur für die Behandlung von Zahnschäden, die durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung verursacht werden. Solche kommen  aber nur selten vor», weiss Ivo Meli, Leiter Gesundheit der Stiftung für Konsumentenschutz in Bern. «Die Invalidenversicherung kommt für gewisse Behandlungen nur auf, wenn Geburtsgebrechen vorliegen.»

Die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung müssen Eltern meist selbst bezahlen. 

Konsumentenberater Meli rät Eltern deshalb, möglichst eine Zahnzusatzversicherung für die kieferorthopädische Behandlung abzuschliessen. «Dies sollte möglichst früh, sicher aber vor dem vierten Lebensjahr des Kindes geschehen», betont Meli. «Ab dem vierten Lebensjahr verlangen viele Versicherungen für die Aufnahme ein zahnärztliches Attest oder sie verweigern sie gänzlich.» 

Da die Leistungen der verschiedenen Anbieter teilweise äusserst unterschiedlich ausfallen, sollten Eltern diese gezielt miteinander vergleichen und dabei auch die jeweiligen Versicherungsbedingungen (AVB) genau anschauen. Hierbei können auch Vergleichsrechner helfen. 

«Wichtige Punkte, auf die Eltern achten sollten, sind zum Beispiel die jeweilige Karenzfrist, die Höhe der prozentualen Kostenbeteiligung sowie mögliche Leistungsausschlüsse », erklärt Meli. Dieser Aufwand ist zwar zugegebenermassen erst mal etwas lästig, schützt aber vor unangenehmen Überraschungen, wenn es zum Leistungsfall kommt, und wird hoffentlich anschliessend mit einem strahlenden Kinderlächeln belohnt.


Darauf sollten Eltern bei der Wahl der Zahnversicherung achten:

  • Frühzeitiger Abschluss noch vor dem vierten Lebensjahr.
  • Höhe der monatlichen Prämienkosten.
  • Höhe der prozentualen Kostenbeteiligung.
  • Karenzfrist beachten. Wie lange ist die
  • Wartezeit bis zum Leistungsanspruch?
  • Wie viel Geld wird pro Jahr erstattet?
  • Gesonderte Bedingungen und
  • Leistungsausschlüsse beachten.
  • Familienrabatte erfragen. Mitunter wird es günstiger, wenn ein Elternteil bereits bei der Versicherung versichert ist.

Weiterführende Informationen zum Thema

Schweizerischen Gesellschaft für Kieferorthopädie, www.swissortho.ch
Stiftung für Konsumentenschutz Schweiz, www.konsumentenschutz.ch


Zur Autorin

Anja Lang ist freie Medizinjournalistin aus der Nähe von München und kennt das Thema nur zu gut: Auch ihre drei Kinder tragen alle eine Zahnspange. 
Anja Lang ist freie Medizinjournalistin aus der Nähe von München und kennt das Thema nur zu gut: Auch ihre drei Kinder tragen alle eine Zahnspange. 


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